Mittwoch, 28. November 2018

Kritik und Kooperation: Weniger reden, mehr zuhören

Für jeden Autoren hat dieser Satz eine zentrale Aussage, denn wir arbeiten regelmäßig mit potenziellen Kritikern zusammen. Unsere gesamte Leserschaft hat den Status eines Kritikers. Auch von Testlesern, Lektoren, Korrektoren und ähnlichem haben wir nichts anderes zu erwarten. 



„Kooperation dient als Schmierstoff für jene Maschinerie, mit deren Hilfe wir es schaffen, dass Dinge getan werden, und indem wir uns mit anderen Menschen zusammentun, können wir individuelle Mängel ausgleichen.“ (Richard Sennett)

Sennett ist Soziologe und selbsternannter Alltagsphilosoph und spricht in diesem Zitat von der Wichtigkeit der Zusammenarbeit in Hinblick auf den Ausgleich eigener Mängel. Über diese Unzulänglichkeiten mithilfe Anderer hinauszuwachsen, erfordert die Fähigkeit, dem Gegenüber zuzuhören und das Gesagte erst einmal zu verarbeiten, bevor man selbst spricht.

Denken wir kurz darüber nach: Wer neigt dazu, erst zu sprechen und dann zu denken?





*hektisches Winken von Seiten der Autorin*

Ich vermute einfach mal, dass jeder eine Situation kennt, in der ihm/ihr ähnliches passiert ist. Nennen wir es Impulsivität, Emotionalität oder, in manchen Fällen, schlicht und ergreifend Ignoranz: Erst zu sprechen und dann zu denken, führt nur selten zum Ziel! Wir als Autoren, als Menschen, als Gesellschaftswesen müssen erst wieder lernen zuzuhören. Erst nachdem wir diese Fähigkeit erworben haben, können wir das Gehörte sinnvoll verarbeiten und emphatisch darauf reagieren. Auch oder vor allem bei für uns sensiblen Themen reagieren wir schnell intuitiv und emotional, doch genau hier gilt, Ruhe und einen kühlen Kopf zu bewahren und sich zu fragen, was will mir mein Gegenüber damit überhaupt sagen? Habe ich die getroffene Aussage falsch verstanden? Und ist diese Aussage für mich überhaupt relevant? Gerade die letzte Frage müssen wir uns oft bei Rezensionen oder Kundenbewertungen stellen. Nur, weil jemand anderes den eigenen Schreibstil nicht mag, die Namen, die Charaktere, heißt das nicht, dass das, was wir schreiben, schlecht ist. Nur, weil jemand die Welten nicht mag, welche wir erschaffen, müssen wir nicht unser Denken ändern. Wir sollten aber über konstruktive Kritik (wildes Online-Herumgeschreie hilft niemanden) nachdenken und uns das ein oder andere zu Herzen nehmen.

Wir müssen nicht akzeptieren, aber zuhören.

Nicht blind folgen, sondern darüber nachdenken.

In manchen Bereichen fällt das leichter als in anderen. Wenn mir jemand sagt, an die und die Stelle muss ein Komma oder eben keins, muss ich nur darüber nachdenken, ob derjenige von der Materie mehr Ahnung hat als ich. Da ich eine kleine Komma-Schwäche habe, nun ja… Ich höre dann oft lieber auf die Anmerkungen der Anderen. Wenn ich aber weiß, derjenige kann es selbst nicht, dann schaue ich mir mal die Kommaregeln an. Geht es aber um Charaktere, Orte oder ähnliches, kann eine Reaktion schon schwieriger sein. Auch, wenn mir meine Konstruktion gefällt, sollte ich doch über Anmerkungen nachdenken und Änderungen erwägen. Zum Ausgangspunkt zurückkommen, kann man immer wieder!

„Wenn die Kritiker sich streiten, so beweist dies, daß [sic!] der Künstler im Einklang mit sich ist.“ (Oscar Wilde)

Den von Wilde angesprochenen Einklang sollte man dabei immer behalten. Darum: Denken wir über Gesagtes nach und entscheiden dann, wie wir reagieren. Etwas auf Biegen und Brechen zu verändern, nur um Anderen gerecht zu werden, macht uns nicht glücklich und nimmt uns ein Stückweit unsere Individualität. Wie meine Lektorin freundlicherweise angemerkt hat: Auf der anderen Seite können uns die richtigen Anmerkungen auch helfen, uns weiterzuentwickeln. Welche Anmerkungen hilfreich sind und welche nicht, das gilt es, herauszufinden.


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Zum Weiterlesen:

  

Jenny bloggt außerdem auf www.jennifergreve.wordpress.com/
 



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