Donnerstag, 1. November 2018

Vom geliehenen Ruhm - Kolumne zur Frankfurter Buchmesse 2018

Die Schreibmeer-Kolumne. Einmal im Monat dürfen unsere Autoren unter diesem Deckmantel aus den Tiefen des Schreibmeers blubbern.






Es sah aus wie an einem Flughafen, wenn gerade eine Bombendrohung reingekommen ist: bis an die Zähne bewaffnete Polizisten, die breitbeinig jegliche Aufgänge blockierten, gesperrte Rolltreppen, abgeriegelte Fahrstühle, keiner konnte rein, keiner konnte raus. So präsentierte sich die Frankfurter Buchmesse 2018 in Halle 4 am Freitag Nachmittag dem Fachpublikum.


Wie sich herausstellen sollte, hatte einer der ausstellenden Verlage, die „Junge Freiheit“, den Fraktionsvorsitzenden der AfD aus dem Thüringischen Landtag, Björn „Bernd“ Höcke, zu Gast. Herr Höcke ist eigentlich ein recht unbedeutender Provinzpolitiker, der, sollte man glauben, gegen den am Samstag beim „Vorwärts“-Verlag interviewten Franz Müntefering ein kleines Licht sein sollte


Stattdessen tat die Frankfurter Buchmesse, als hielte der neue Führer und Reichskanzler himself seine Reichsparteitagsrede auf dem Frankfurter Messegelände. In seiner Fantasie tat er das wohl auch. Früher waren die auf der Buchmesse ausgestellten Bücher der Ort für Fiktion. Heute meint die Messegesellschaft, die Träume eines selbsternannten Volkstribuns inszenieren zu müssen.


Eine ähnliche Konstellation begegnete mir am Samstagnachmittag. Ich versuchte, mich an Münteferings wenigen Fans vorbei in die Halle zu drängen, da ich zum Schreibmeer-Treffen unterwegs war. Da drängt mich ein Typ ab, – mit den Worten „Aus dem Weg, hier kommt …“ Den Namen des Promis, den er mitsamt seiner Entourage zu schützen gedachte, musste er nicht aussprechen. „Das ist doch dieser … na, wie heißt er“, raunten die Menschenmassen, die hinter mir waren und versuchten, zu ihren Veranstaltungen zu kommen. „Harald Glööckler“, ergänzten die Kundigen, „er ist es leibhaftig.“ Herr Glööckler ging an mir vorbei. Endlich konnte ich meinen Weg fortsetzen. Ein Mensch, der bekannt ist aus Funk und Fernsehen. Aber welche Bücher hat er geschrieben? Welcher Roman ist von ihm in Erinnerung?


Wir lamentieren seit Jahr und Tag darüber, dass das Buch als Leitmedium unserer Gesellschaft nicht mehr ernst genommen wird. Seit 2013 sind die Verkäufe von Büchern um ein Sechstel eingebrochen. Eine ganze Generation von jungen, zum Teil hoch gebildeten Menschen wächst nicht mehr mit dem Buch als wichtigstes Medium auf. Viele junge Menschen werden nicht mehr wissen, wie es sich anfühlt, als 13-Jähriger unter der Bettdecke mit der Taschenlampe in der Hand einen Stephen King zu lesen und sich dabei zu gruseln, sich aber auch ein bisschen erwachsen zu fühlen.


Die Frankfurter Buchmesse trägt mit ihrer Veranstaltungsorganisation nicht unbedingt dazu bei, dass sich das ändert. Die großen Medien sind anwesend. Sie kommen, um zu berichten, welche Lesestoffe die Menschen interessieren, welche Themen den Autoren auf den Nägeln brennen. Die Leser kommen, um in neue Werke hineinzuschmökern, Autoren, Verleger und andere Leser kennenzulernen.


Niemand kommt wegen eines Fernsehfriseurs, eines ehemaligen Ministers oder eines populistischen Politikers, der gerne große Reden schwingt. Man leiht sich Prominenz, statt selber welche zu generieren.


Die Schreibmeer-Kolumne. Einmal im Monat dürfen unsere Autoren unter diesem Deckmantel aus den Tiefen des Schreibmeers blubbern. 


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