Samstag, 6. Oktober 2018

Ziele und Motivation: Es müssen nicht die 50.000 Wörter sein

Der National Novel Writing Month (kurz: NaNoWriMo oder NaNo) ist wohl der Monat, in dem die meisten Autoren weltweit gemeinsam, aber jeder für sich an ihren Geschichten schreiben. Sich auf dieser Welle der Motivation tragen zu lassen, ist unglaublich erfüllend und inspirierend. Man spornt sich zu Höchstleistungen an und tippt sich die Finger wund – im übertragenen und vielleicht auch wörtlichen Sinne. Ich kenne Autoren, die sich nicht nur mit 50.000 Wörtern in den 30 Tagen zufriedengeben, sondern weitaus mehr schaffen. 100.000 Wörter und mehr sind keine Seltenheit. Im Stillen bewundere ich diese Menschen, denn ich weiß selbst, dass Einiges dabei ist, so viel schreiben zu wollen, habe ich ja selbst einmal 50.000 Wörter in fünf Tagen geschrieben. Es ist schon ein Abenteuer, auf das ich gerne zurückblicke, aber schaut man sich das Ziel beim NaNo genauer an, fällt auf, dass hier nur die geschriebenen Wörter zählen. Gibt es im Camp zum Beispiel mittlerweile die Möglichkeit, sich mit seiner Geschichte zum Überarbeiten anzumelden, ist dies beim NaNoWriMo nicht der Fall. Hier „muss“ geschrieben werden, sonst zählt es nicht – wirklich, im wahrsten Sinne des Wortes. Ungeachtet der Tatsache, dass es Autoren gibt, die ihre Geschichten überarbeiten und die Überarbeitungszeit in Wörter umrechnen. Aber wir bleiben einfach mal beim klassischen NaNo. 



Der NaNoWriMo ist der Monat, in dem Zahlen mehr zählen, als die Worte, so scheint es. Gut, vielleicht die Anzahl der Worte. Aber über die Jahre habe ich gemerkt, dass diese magische Zahl 50.000 nicht mehr das für mich ist, was sie am Anfang war. Früher, als Kind, habe ich einfach geschrieben. Zahlen waren egal. Dann kam der NaNo und das Geschriebene wurde messbar, bewertbar. Plötzlich war es wichtig, sich mit anderen in Wortkriegen duellieren zu können. Wer schrieb mehr Wörter in einer Stunde oder auch in einem ganzen Monat? Ich will nicht abstreiten, dass es etwas ist, was unglaublich motivieren kann, aber seit ein paar Jahren ist die Flamme der Motivation zu einem kleinen Streichholz geworden, das im Dunkeln mehr vor sich hinkokelt als brennt. Wenn ich Artikel schreibe, so wie diesen hier, gibt es in meinem Kopf keine Zahlen. Es gibt nur die Worte und Emotionen, die ich aufs (virtuelle) Papier bringen möchte. Ich habe eine Botschaft. Und diese in Worte zu fassen, egal, welchen Umfangs und wie lange ich dafür brauche, ist genau in dem Moment das Wichtigste.

Intrinsische vs. extrinsische Motivation
Der Punkt ist vermutlich einfach der: Der NaNo ist für mich mittlerweile ein fixes Datum im Kopf. Festgelegt von den Veranstaltern. Genauso wie das Ziel, 50.000 Wörter in einem Monat zu schreiben. Im englischen Sprachraum ist diese Zahl mit dem Umfang einer Novel begründet. In einem Monat kann man also eine Novel schreiben, allerdings haben viele Romane weitaus mehr Wörter. Ein ganzer Roman ist dann in den seltensten Fällen fertig – ein Buch schon gar nicht. Es hat eine Zeit gegeben, in der ich noch voller Motivation für den NaNo steckte, da habe ich wie verrückt nach Definitionen von Geschichten auf der Basis von Wortzahlen gesucht, um eine grobe Orientierung zu haben. Um zu wissen, was ich da eigentlich mache. Allerdings gehört zu einer Geschichte viel mehr als der Umfang. Viele Genre haben einen unterschiedlichen Aufbau oder verfolgen eine komplett andere Absicht als ein anderes (Genre).

In dieser Zeit, als der NaNo als Konzept noch für mich funktioniert hat, habe ich mich also sehr auf äußere Vorgaben und Ziele verlassen. Ich habe den Zeitpunkt, zu dem ich eine Geschichte schreiben möchte, und deren Umfang von anderen festlegen lassen. Dass die Motivation verschwunden ist, als ich die 50.000 Wörter erreicht hatte oder spätestens, als der November vorbei war, ist nur eine logische Folge meiner extrinsischen Motivation. Die Aufgabe war „schreibe 50.000 Wörter in einem Monat. In diesem Monat November“. Diese Aufgabe hatte ich manchmal früher, manchmal später erfüllt. Mehrmals. Aber danach ging es einfach nicht mehr weiter. Mir war nicht bewusst, dass ich doch eigentlich ein ganz anderes Ziel hatte, welches mit dem Erreichen der 50.000 Wörter noch nicht abgeschlossen war.

Der logische Umkehrschluss müsste also sein, sich nicht an der Wortzahl in einem bestimmten Zeitraum zu orientieren, sondern sich Ziele für seine Geschichte zu setzen, z.B.:

„Diese und jene Geschichte bis dann und dann beenden“

„So und so viele Kapitel bis zu dem Tag schreiben“

Das funktioniert auch außerhalb des NaNos oder darüber hinaus, bis in den Dezember oder das neue Jahr hinein. 

Die Formulierung dieser Ziele steht für mich sehr eng im Zusammenhang mit der Frage, warum ich diese Geschichte überhaupt schreiben möchte, was also meine intrinsische Motivation ist. Diese kann niemand, außer mir selbst, beantworten. Und ist die Antwort „Weil ich damit 50.000 Wörter in einem Monat schreiben kann“, dann ist das auch völlig in Ordnung. Allerdings muss mir dann auch klar sein, dass eben genau das das Ziel ist. Nicht das Beenden der Geschichte. Nicht das Schreiben einer perfekten Geschichte, die bereit ist, veröffentlicht zu werden. Am Ende entscheidet jeder selbst, wofür und warum er schreibt. Die Wörter zu zählen, kann ein sehr hilfreiches und motivierendes Tool sein. Allerdings sollte man sich darüber bewusst sein, dass die Wortzahl eben nur eine Aussage über den Umfang des Textes ist und nicht unbedingt etwas über dessen Qualität aussagt.

Was ist also dein Ziel im NaNoWriMo? Dein wirkliches Ziel? 
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Zum Weiterlesen:

Tinka Beere liebt es, in andere Welten einzutauchen, und schreibt Geschichten mit einem fantastischen Touch. Darüber hinaus begeistert sie der Austausch mit anderen Autoren, denen sie mit hilfreichen Tipps gerne zur Seite steht. Auf Instagram nimmt sie uns als @tinkabeere mit durch ihren Alltag als Autorin.







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