Mittwoch, 10. Oktober 2018

Warum ausgerechnet NaNoWriMo? Warum tut man sich das an?

Die Irren sind wieder unterwegs. Naja, das ist jetzt nicht ganz das richtige Bild, das man von NaNoWriMo haben sollte. Aber irgendwo passt es dann doch, wenn man sich die Details und das Große-Ganze ansieht. 

Jedes Jahr im November setzen sich weltweit Menschen unterschiedlichen Alters mit den verschiedensten Biographien und allen möglichen Geschlechtern an den PC, die Schreibmaschine, mit Block/Heft und Stift hin und fangen an zu schreiben. Es ist, als hätte eine außerirdische Zivilisation einen mentalen Befehl ausgesprochen und einen Teil der Menschheit dazu gezwungen, nur noch auf das zu hören, was sich in ihren Köpfen abspielt und das in irgendeiner Weise auf Papier/den Datenspeicher zu verewigen. Diesem Zwang nachzugeben, nur auf dieses innere Wispern zu hören, das dringend in Buchstaben, Worten und Sätzen festgehalten werden muss. Anders lässt sich diese um sich greifende Aufregung fast nicht erklären. 
Ist natürlich Blödsinn. Aber irgendwie könnte genauso gut etwas dran sein. Für den Außenstehenden und wer gern ein Teil des Wahnsinns sein möchte, stellen sich dabei elementare Fragen: Warum tun DIE sich das an? Wo liegt die Motivation, sich diesem elendigen Diktat zu unterwerfen? Und ja, es ist ein Antun. Irgendwann schmerzen Hände und Hirn und die Augen fangen an zu tränen. Vom Rest sollte man lieber schweigen. 
Es ist ein Wahnsinn, in was für einen Zustand wir uns freiwillig begeben. Das Flackern in den Augen, schlaflose Nächte, das abrupte Ende der sozialen Kontakte, ein unwirsches: „Ich muss schreiben!“ Der Konsum von Snacks, Kaffee und Energydrinks steigt ins Unermessliche und die Diätquote ist schon innerhalb der ersten 24 Stunden ein absurdes Konzept vom Leben selbst. 

Die Gründe sind, und das ist immer so, so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Nicht immer ganz fassbar, mitunter aber erstaunlich konkret. 

Diejenigen, die bei Nano schreiben, lassen sich in zwei Kategorien aufteilen. Den Neulingen und den alten Hasen. Die Neulinge haben dabei meist eine lange „Leidensgeschichte“ hinter sich, die sich dadurch auszeichnet, dass sie sich seit mehreren Jahren schon mit dem Gedanken beschäftigt haben, ein Buch zu schreiben. Die wenigsten entscheiden sich ganz spontan. Doch egal, ob gleichmäßig durchgegarte oder spontane Neulinge, was bei ihnen auffällt, ist der Ansatz (Grund), überhaupt mit dem Schreiben zu beginnen: 

Der biographische Ansatz

Sehr häufig taucht da das Motiv des „Ich wollte schon immer mal meine Lebensgeschichte aufschreiben!“ auf. Sozusagen der biographische Meilenstein des eigenen Selbst im aktuellen Entwicklungsstand der Selbsterkenntnis mit Blick in die Vergangenheit wiederzugeben. Das abgeklärte Ich, das sich in dem Geschrieben gespiegelt findet und über sich selbst sinniert. 

Der Geschichtenerzähler-Ansatz

Dann gibt es die Geschichten, die schon immer in einem waren. Die Figuren wollen raus, die Szenen beschrieben werden. Im Kopf geht alles quer und doch lässt es sich mit jedem weiteren Monat und auch Jahr immer schlechter festhalten. Das Chaos ist in einem und man versteht den Satz „Einen Stern gebären“ ohne weitere Erläuterung*). 

Ganz ehrlich, wenn du zu den Leuten gehörst: Herzlichen Glückwunsch. Das wird nicht mehr besser. Eher schlimmer. 

Der „Ich wollte schon immer mal irgendwas schreiben“-Ansatz

Der Mensch, der diesen Ansatz verfolgt, ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Chaos-Schreiber in Reinkultur. Ganz ohne Wertung. Von denen gibt es übrigens eine ganze Menge. Ein Try-it-Typ. Oder auch genannt: Gärtner oder Explorer (Entdecker).

Grundsätzlich gibt es übrigens zwei Typen von Autoren: Den Entdecker und den Planer. Es gibt noch weitere Bezeichnungen für das Phänomen und die meisten Menschen neigen entweder mehr zu dem einen oder zu dem anderen. Doch den Druck verspüren beide Arten von Autoren – auch die künftigen.

Die Planer könnten dann aber als Spontan-Neulinge echt in Schwierigkeiten geraten. Tipp: Plant einen Grobaufbau eurer Story in eine oder zwei Wochen im November und nehmt die letzten zwei Wochen zum Schreiben. Schaut nicht auf die 50.000. Das nehmt euch im nächsten Jahr vor.

An die Chaos-Schreiber: Das ist der 1. November, das ist der 30. November. Haut rein in die Tasten! Wir sehen uns am Ende!

Den Neulingen sei gesagt: Lasst euch anstecken. Es ist eine hervorragende Idee, sich einfach hinzusetzen und sich von der Masse an Mitschreibern mitreißen zu lassen. Es kann ein sehr euphorisches Erlebnis sein, wenn man sich darauf ganz bewusst einlässt. Es kann aber auch beängstigend sein.

Die alten Hasen werden sich mit Sicherheit ganz dunkel daran erinnern. 
Geht in eine Gruppe, nehmt an Wettbewerben teil, lest euch ein wenig ein und ganz großer Tipp: Nehmt die 50.000 Wörter als eine Herausforderung, aber vergesst den Spaß nicht. Und wenn es nicht geklappt hat: Keine Sorge. Es gibt im nächsten Jahr einen neuen Wahnsinns-Monat. Und genau darum geht es. Es besteht immer wieder eine Chance, einfach mitzumachen. Und wer weiß? Wenn es 20.000 Wörter im November geworden sind, ist man vielleicht bereits so weit, einfach von sich aus weiterzumachen. Denn um nichts anderes geht es: Einfach einen Anfang finden und dann den Weg weitergehen.

Doch unabhängig davon, ob jemand zu den Neulingen gehört oder zu den alten Hasen: es gibt weitere Gründe, warum jemand bei Nano schreibt. Natürlich ist bei den alten Hasen der jeweilige Typus weit ausgeprägter. Die wissen schließlich, was auf sie zukommt. Also, da gibt es die:

  • „Ich breche immer alles ab und bringe es nie zu Ende“-Typ (Abbrecher)
  • „Ich habe lange nicht geschrieben und das ist ein guter Grund“-Typ
  • „Ich schreibe jedes Jahr mit, weil es Spaß macht“-Typ (Fun und Party)
  • „Ich könnte das auch mal mitmachen und sehen, wie ich mich schlage“-Typ (Wettbewerber)
  • „Ich werde das auf jeden Fall mitmachen und die 50.000 weit überholen und damit auch meine Mitstreiter schlagen“-Typ (ganz sicher ein Wettbewerber)
  • „Ich werde tun, was ich kann“-Typ (vorsichtiger Optimist)
  • „Ich schreibe jeden Tag, da kommt es auf Nano nicht an, aber ich mach mal mit“–Typ (Cool-Man/Cool-Woman)
  • „Ich bin süchtig nach der Gruppe“-Typ (Gesellschaftsschreiber)
  • „Ich habe es vergessen, warum, aber ich mag einfach Nano“-Typ (Fan) 
Die Liste ließe sich sicher weiter fortführen. Aber diese Typen tummeln sich beim Nano auf jeden Fall rum. Sie lieben die Atmosphäre. Sie ist international und auch national. Die Wettbewerber kommen übrigens voll auf ihre Kosten. Der Wettbewerb ist sowohl innerhalb der eigenen Nation als auch der eigenen Gruppe (wenn man sich einer anschließt) zu finden, auf internationaler Ebene und dann steht man noch mal als ganzes Land anderen Ländern gegenüber, die ebenfalls in die Tasten hauen. 

Sagte ich, dass es irre ist? 

Wer auch immer sich dazu entschließt mitzumachen, wird eine Menge über sich herausfinden. Und ob es sich lohnt oder nicht, wird man ebenfalls herausfinden. Ich bin auf jeden Fall wieder mit dabei. Ich liebe die Atmosphäre, auch wenn ich es selten schaffe, auf eines der vielen „realen“ Schreibtreffen zu gehen, die man in der Zeit immer wieder findet. Es entsteht ein unglaublicher Flow. Als ob die kreative Energie in dieser Jahreszeit ihren Höhepunkt findet. Kann Einbildung sein. Oder auch nicht.

Kollegiale Grüße 
Dana

PS: ich hätte auch was von intrinsischer und extrinsischer Motivation schreiben können. Aber Sachtexte waren gerade nicht im Angebot.

*) http://www.sterneck.net/literatur/nietzsche-stern/index.php Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra (1883-1891)

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