Im Selbstoptimierungsrausch habe ich Blogs durchforstet auf der Suche nach Tipps. Bessere Bilder. Bessere Texte. Bessere Hashtags. Das war die Devise. All die Blogartikel schärften mir ein, wie der perfekte Feed auszusehen hatte. Das perfekte Profil. Doch je mehr ich mich damit beschäftigte, wie ich auf potenzielle Abonnenten aufmerksam werde, desto höher wurde auch mein Anspruch an Kanäle, denen ich folgte. Jeder, der diesem neuen Anspruch meinerseits nicht entsprach, flog gnadenlos raus.
Ich deabonnierte Freunde, weil sie optisch nicht in meinen Feed passten. Suchte nach Profilen, die mir gefielen. Ich wollte nur noch schönes sehen, sobald ich die App öffne. Es machte mir mehr Spaß, neues zu entdecken.
Nachdem die Buchkanäle verschwunden waren, wurde mein Feed ruhiger – hauptsächlich was die Farben anging. Es sprangen mir keine Funkos mehr entgegen – das sind diese Filmfiguren mit riesen Köpfen, die immer häufiger Bücherregale zieren. Keine knalligen Buchcover, Bücherstapel sortiert nach Farben, in hübschen Häufchen drappiert. Es sind doch immer die gleichen Bilder.
Und bei den Autoren? Da sah es nicht anders aus. Verschwommene und dunkle Bilder aus dem Schreiballtag. Kaum etwas ist zu erkennen, eine Kerze und Kaffeetasse zu erahnen. Der Laptop leuchtend aus dem Dunkel der Unerkennbarkeit.
Weg damit. Das will ich nicht. Ich wollte Inspiration sehen und meinen Augen einfach mal eine Pause gönnen. Kann mir doch keiner verübeln.
Was ich gesucht habe – Geschichten von Menschen, Inspiration –, konnte ich so aber auch nicht finden. Zwar waren es jetzt schöne, ruhige, klare Bilder, durch die ich täglich scrollte, aber die Persönlichkeit fehlte – oder vielmehr die Menschen, die ich noch nicht kannte, machten aus dem Feed einen Einheitsbrei aus Interieurbildern und flauschigen Teppichen mit kontrastlosen Filtern. Bei einer Liste von weniger als 100 Profilen kann man gut den Überblick behalten und ohne ein schlechtes Gewissen (bezogen auf die investierte Zeit) den Feed durchliken und kommentieren. Das macht Social Media schließlich aus – also das Interagieren.
Nicht ganz, denn so kehrte ich all meinen eigentlichen Kontakten und Freunden den Rücken und schlug mich als Einzelkämpfer durch. Auf Rückfragen antwortete ich, ich wolle meinen Feed und meine Social-Media-Aktivitäten durchsortieren und entsprechende Personen passten demzufolge nicht mehr in mein Schema.
Kurz gesagt: ich betrieb Ego-Media auf höchster Stufe
und das ist alles andere als das, wofür ich (eigentlich) stehe(n möchte).Monatelang hing ich auf der Stelle. Kaum ein Abonnent kam hinzu. Ich änderte die Taktik, suchte gezielt nach Challenges, die meine Zielgruppe aber auch mich interessieren (könnten). Las über die Art und Weise, wie man schönere Bilder für sein Profil machen und es einheitlich gestalten kann.
Und siehe da, es funktionierte. Zwei, manchmal drei Bilder am Tag und innerhalb einer Woche stieg meine Abonnentenzahl von knapp über 650 auf über 700. Ich war zufrieden. Mein Atem war kurz.
Der Winter und sein suboptimales Licht (schlecht für gute Fotos, denn natürliches Licht ist wichtig!) taten sein Übriges. Meine Abonnenten stagnierten bei 715 (oder so ähnlich). Kommentare waren auch rar gesät. Ich schaute mir an, wie andere das machten.
Überraschung: Profile mit weniger Abonnenten und mit "schlechten" Fotos bekamen mehr Kommentare als ich. Immerhin die Zahl meiner Herzchen pro Foto stimmte mich zufrieden – bis dahin. Denn auch dort hatten kleinere Accounts teilweise mehr Erfolg als ich.
Ein Blick auf die Statistiken: Die Reichweite liegt bei 130 bis 150. Ich versuchte, mit guten Bildern mindestens 50 Likes für jedes Bild zu bekommen.
Ein letzter Akt der Verzweiflung trieb mich dazu, mir anzusehen, wie das meine Vorbilder machten. Welchen Profilen folgten sie, wie oft kommentierten sie oder welche Bilder likten sie?
Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich tat genau das, was ich nie wollte: Ego-Media. Und das irgendwie total aus Versehen in meinem Optimierungswahn?
Gut, alles auf Anfang. Zeit investiert. Accounts, Menschen (!) und Profile gesucht, die ich schon kenne und ihnen wieder folgen. Übrigens mitten in der Nacht (nachts hat man immer die besten Ideen, oder?) und direkt gab es Reaktionen auf das, was ich da tat. Eine Kollegin freute sich wie Bolle, dass ich ihr folgte und wir tauschten uns darüber aus. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, explodierte mein Instagram fast. 15(!) neue Abonnenten. Im wahrsten Sinne über Nacht.
Was war in dieser Nacht passiert?
Ich brauchte mal wieder einen Schubs in die richtige Richtung. Und ich habe (mal wieder) ein paar Dinge verstanden:Niemand hat bei über 100 Profilen, denen man folgt, den Anspruch, seinen ganzen Feed durchzuscrollen.
Social Media ist eine gegenseitige Kiste und macht viel mehr Spaß, wenn man sich miteinander austauscht.
Es geht nicht um Like gegen Like. Aber ein gewisses Interesse an seinen Abonnenten darf man schon zeigen.
Ein Hoch auf den Instagram-Algorithmus: ich bin nicht verpflichtet, jedes Bild von jedem zu liken, wenn es mir nicht gefällt – genauso wie nicht jeder meiner Follower meine Bilder liken muss. Nach und nach sorgt die Technik dafür, dass (für mich uninteressante) Bilder mir nicht mehr im Feed angezeigt werden. Trotzdem(!) macht diese Geschichte mit dem Folgen das Interagieren leichter. Eine tolle Sache ist übrigens die Benachrichtigung von einzelnen Accounts einzuschalten oder ab und an gezielt auf einige Profile zu gehen, um zu sehen, wann und ob es was Neues gibt.
Ich bin übrigens ein riesiger Fan von Lebenseindrücken. Ich will erfahren, wie es anderen – vor allem anderen Autoren – in ihrem (#Autoren)Leben so geht und mich inspirieren lassen. (Seit kurzem kann man übrigens auch Hashtags auf Instagram folgen und dort neue Profile entdecken.) Nichts gegen getimte und gestellte Bilder, aber Momentaufnahmen aus dem Leben sind mir einfach sympathischer. Ich habe so das Gefühl von mehr Nähe. Aus diesem Grund entscheide ich mich gegen getimte Bilder – auch wenn man damit vorgeblich mehr Abonnenten erreicht – und fühle mich mit gestellten Fotos (so schön sie manchmal sein mögen) unwohl. Genauso wie die "Profile aus einem Guss". Sie sehen auf den ersten Blick toll aus. Auf Dauer lösen sie aber das Gefühl bei mir aus, dass die Bilder austauschbar wären, wenn man immer die gleichen Motive sieht. Es gibt allerdings auch hier hübsche Ausnahmen. Die Motive sind meistens anders, nur die Farben passen zusammen. Dann hat man auch nicht das Gefühl, von einer quietschbunten Funkoarmee überrannt zu werden.
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Zum Weiterlesen:
- Social Media: Von Ehrlichkeit, Rechtfertigung und Selbstbetrug
- [Tutorial] Wie erstellt man eine Facebook-Seite?
- Social Media Detox – Erfahrungsbericht einer Autorin
Tinka Beere liebt es, in andere Welten einzutauchen, und schreibt Geschichten mit einem fantastischen Touch. Darüber hinaus begeistert sie der Austausch mit anderen Autoren, denen sie mit hilfreichen Tipps gerne zur Seite steht.
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