Und theoretisch kann man als Künstler Satzzeichen setzen, wie man will (künstlerische Freiheit) - wenn man dem Leser und dem Lektor/Korrektur glaubhaft versichern kann, dass man damit einen ganz bestimmten Zweck erfüllen möchte. Dabei werde ich euch auch zeigen, wie sich durch die Wahl der Satzzeichen im Verständnis der Leser etwas verändern kann, ohne dass sich auf semantischen Ebene etwas ändert. Es gibt bei einigen vorgestellten Satzzeichen noch mehr Verwendungsmöglichkeiten, als ich hier anführen werde, oder ihr denkt euch selbst Möglichkeiten zur Verwendung aus - dazu will ich euch ermutigen. Man sollte es aber nicht bei der Quantität übertreiben, weil zu viele Zeichen den Leser nerven.
Punkte
Punkte stehen am Ende von Sätzen, soweit so richtig. Aber das interessiert uns hier nicht. Interessant ist für uns an dieser Stelle, dass der Leser unwillkürlich eine Pause beim Lesen macht, wenn er einen Punkt sieht. Er kann gar nichts dagegen machen. Und damit können wir spielen und schöne wie elegante Ergebnisse erzählen:
»Ich. Hasse. Dich!« vs. »Ich hasse dich!«
Was fällt auf? Bei der Punktversion können wir uns vorstellen, wie die Person jedes einzelne Wort betont und mit Pausen seinem oder ihrem gegenüber ins Gesicht schleudert. Man könnte es natürlich auch umständlich umschreiben mit: »›Ich hasse dich!‹, schleuderte sie ihm ins Gesicht, wobei sie in jedes einzelne Wort so viel Verachtung legte, wie sie nur konnte.« Beides ist absolut identisch von der Aussage her, aber wenn ihr in einer schnellen Szene seid, wollt ihr umständliche und langwierige Umschreibungen vermeiden. Ich denke, dass die Punktvariante in solchen Fällen super ist. Die zweite Variante ist viel Kontextabhängiger. Sie könnte scherzhaft, neckend gemeint oder nichtssagend wie ein »Ich hasse es, wenn die Bahn später kommt!«, aber auch eine normale, bösartige oder verzweifelte Variante sein, aber der Leser kann von einem normalen Sprechtempo ausgehen.
Man kann sie in der normalen Erzählstimme nutzen, um einzelne Wörter oder Phrasen besonders herauszuheben:
Leben. Kämpfen. Sterben. Das alles hatte keinen Sinn. vs. Leben, kämpfen, sterben, das alles hatte keinen Sinn.
In der ersten Version bekommen die drei Wörter eine richtig starke Bedeutung für den Leser. Er muss sie einzeln lesen, eine Pause machen, sie durchdenken - sie bekommen Gewicht für ihn. Bei der zweiten Variante liest er einfach drüber weg, registriert zwar denselben Inhalt, aber er bekommt nicht so viel Bedeutung.
Kommata
Kommata sind vor allem Freunde des Lesers. Sie helfen ihm, einen Satz einfach und richtig zu verstehen, während die Autoren und Lektoren sich bei der Setzung ziemlich quälen müssen. Ich will hier jedoch weder auf Kommarageln noch sinnverändernde Beispiele eingehen, sondern die wenigen Spielmöglichkeiten. Ja, es sind wohl die wenigsten, weil Kommata wohl die reglementiertesten von allen hier verwendeten Satzzeichen sind. Kommata eignen sich als inhaltliche Spielerei besonders für die Darstellung von zeitlichen Verhältnissen oder/und Betonungen in einem Satz:
»Erst arbeiten wir und dann saufen wir!« vs. »Erst arbeiten wir, und dann saufen wir!«
Im ersten Fall sind beide Verben gleich betont, während beim zweiten die Betonung eindeutig auf dem Saufen liegt. Auch wird das zeitliche Verhältnis viel stärker im zweiten Beispiel hervorgehoben.
Eine weitere kleine Spielerei sind Kommata zwischen Adjektiven. Es gibt hier bestimmte Regeln, aber nehmen wir ein Beispiel wie:
Eine alte, dicke Frau vs. Eine alte dicke Frau
Der Unterschied ist, dass im ersten Fall dem Leser gezeigt wird, dass die Frau im besonderen Maße alt UND dick gleichermaßen ist. Beim zweiten Beispiel ist die halt irgendwie dick und alt, aber nicht im auffälligen Bereich. Es geht hier auch wieder besonders um die Betonung.
Doppelpunkte
Doppelpunkte sind euer Zeigestock, was danach kommt, ist wichtig. Sie können aber auch ein elegantes Mittel sein, um vorher genannte Eigenschaften einfach zusammenzufassen.
Er war schön, er war schlau: ein richtiger Mann. vs. Er war schön, er war schlau, ein richtiger Mann.
Der Unterschied ist, dass im ersten Beispiel ausgesagt wird, dass Schönheit und Schläue einen richtigen Mann ausmachen. Es ist hier eine Stilfrage, ob man lieber ›Er war schön, er war schlau, all das machte ihn zu einem richtigen Mann‹ schreiben will. Der zweite Fall sagt aus, dass der besagte Herr schön, schlau UND ein richtiger Mann ist. Man sollte bei Doppelpunkten beachten, dass manche Leser sie nicht sehr gern mögen, bzw. sie nicht zu jeder Geschichte passen, weil es ein Satzzeichen ist, dass sehr bürokratisch oder technisch wirkt.
Gedankenstriche
Viele kennen Gedankenstriche als eine Art Umklammerung von abschweifenden oder erläuternden Gedanken. Sie können aber auch gut etwas Unerwartetes einleiten.
Sie redete und redete - ein Schlag traf sie ins Gesicht. vs. Sie redete und redete. Ein Schlag traf sie ins Gesicht.
Hier kann man sich gut vorstellen, wie im ersten Fall die Sprecherin plötzlich getroffen wird, ohne Vorwarnung und noch während sie redet. Auch im zweiten Fall kommt es unerwartet, muss aber nicht plötzlich passiert sein, außerdem würde man hier als Leser eher davon ausgehen, dass die Sprecherin eine ganze Weile geredet hat, während sie beim ersten Satz schon recht frühzeitig unterbrochen wird.
Die Semikola
Semikola sind - wer hätte es gedacht? - ein Zwischending aus Komma und Punkt. Meiner Meinung nach sind sie aber auch ein schwacher Doppelpunkt, bzw. sie können eine ähnliche Funktion wie dieser an Stellen haben, an denen normalerweise kein Doppelpunkt steht. Ich gebe euch ein Beispiel:
Die ganze Familie machte das so; jedoch nicht Tante Erna. vs. Die ganze Familie machte das so, jedoch nicht Tante Erna.
Im ersten Fall wird die Aufmerksamkeit des Lesers durch das Semikolon sehr stark auf die Information gelenkt, die dahinter steht, weil es eben ein Satzzeichen ist, das nicht so oft vorkommt, während die Information beim zweiten Satz eher wie eine Randnotiz wird. Man könnte auch einen Punkt an diese Stelle setzen, aber dann wird die Information schon so bedeutungsschwanger, dass sie gleich nach einer näheren Erläuterung oder genaueren Umschreibung verlangt.
Das Auslassungszeichen
Ebenso viele Autoren benutzen sie inflationär, wie Lektoren sie hassen: die Auslassungszeichen. Meiner Meinung nach haben sie im Erzähltext auch nichts zu suchen, es sei denn, man verwendet eine sehr, sehr wörtliche Erzählstimme. In wörtlicher Rede können sie jedoch in vielen Fällen eine Situation eleganter und lebhafter gestalten, als es eine umständliche Beschreibung in der Redebegleitung vermag.
Sie röchelte: »Ich ... liebe ... dich.« vs. Sie röchelte, während sie zwischen jedem Wort wegen der Schussverletzung eine Pause machen musste: »Ich liebe dich.«
Die lange Redebegleitung bräuchte man natürlich meistens so nicht, weil es sich im Kontext ergeben würde, aber das ›Sie röchelte‹ müsste auf jeden Fall im zweiten Beispiel bleiben. Im ersten Fall aber bräuchte ich nicht einmal das, wenn die Situation vorher klar ist. Der Leser weiß, dass die Frau eine Schussverletzung hat. Der Leser kann sich ohne nähere Erläuterung in der Redebegleitung vorstellen, wie die Angeschossene ihr letztes Liebesgeständnis herausröchelt.
Fazit
Ich hoffe, dass ich euch ein wenig das Spiel mit den meiner Meinung nach unterschätzten Variationen der Verwendung von Satzzeichen näherbringen konnte. Man muss sich immer vor Augen halten, dass Satzzeichen verkürzte Wörter, Phrasen oder ganze Sätze sind. Beispielsweise kann man die meisten Kommata durch ein und ersetzen. Ein Punkt trägt die Information ›Hier beginnt ein neuer Satz‹ oder wie im Beispiel oben ›Pause, nachdenken und am besten noch merken/kapieren‹. Übertreibt es aber nicht, weil eine zu komplizierte Zeichensetzung im Großteil des Textes auch schnell das Lesevergnügen trüben kann.
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