Samstag, 24. Oktober 2015

Wie genau sollte Sex dargestellt werden?

Manchmal habe ich den Eindruck, dass Sex in der Literatur nur auf zwei Arten gezeigt wird: Entweder mit Luststäben und platzenden Knospen oder gar nicht. Die ganze Bandbreite dazwischen wird leider viel zu häufig außer Acht gelassen. Warum ist das so? Und woher weiß man als Autor, wie viel Sex für die Geschichte gut ist? Zunächst möchte ich festhalten, dass es mir keinesfalls um explizit pornographische Literatur geht, sondern um Unterhaltungsliteratur, Jugendbücher, Liebesromane, ...



Der erste wichtige Schritt – nicht nur, wenn man sich Gedanken über den Sex in der Geschichte macht – ist zu wissen, für wen man schreibt. Die Zielgruppe zu definieren wird in vielen Schreibratgebern angesprochen und auch ich halte es für wichtig, zu wissen, wer der ideale Leser ist.
Am einfachsten ist es, wenn man sich überlegt, wie alt ist der ideale Leser ist und welche Erfahrungen hat er bereits gemacht. Dadurch definiert sich auch schon die Art und Weise der Beschreibung.

In Jugendbüchern wird häufig „das erste Mal“ thematisiert, da sich die Leser in dem Alter befinden, in dem das andere Geschlecht spannend wird. Jungen und Mädchen haben kaum bis wenig Erfahrung und erleben als ideale Leser die erste Liebe, erste Annäherungsversuche und „das erste Mal“ mit und durch die Charaktere. Natürlich ist alles noch sehr bedeckt und wird vom Autor häufig ausgeklammert. Bis auf Händchenhalten und Küssen wird der Leser nicht weiter einbezogen. Den Rest kann man sich eben denken.
Bei Büchern gibt es keine FSK-Genze wie bei Filmen. Vieles läuft beim Lesen im Kopf ab, oft sogar mehr als beschrieben – oder auch weniger. Dadurch ist es schwierig, Sex zu beschreiben, vor allem in Jugendbüchern. Hier können Autoren oftmals in einen Zwiespalt geraten, denn explizite Beschreibungen können den idealen Leser vielleicht verschrecken, weil zwischen dem was Normal und dem was Abstoßend ist, eine hauchdünne Papierschicht liegt. Sie wollen vielleicht auch nicht diejenigen sein, die die Erwartungen des idealen Lesers in Bezug auf sein „erstes Mal“ stecken.
Ich denke schon, dass Sex an sich, und zwar nicht verschleiert durch das Ende und den Anfang eines neuen Kapitels, in Jugendbüchern dargestellt werden kann. Allerdings nicht auf pornografische Weise, sondern auf eine ehrliche. Im Mittelpunkt sollte hier nicht das erotische Gefühl, das beim idealen Leser aufkommen kann, stehen, sondern Verhütung. Die Botschaft, dass Körperflüssigkeiten wie Speichel und Sperma nicht eklig sind, eher dazu gehören, wie auch das Gefühl für den eigenen Körper und den des Gegenübers. Aber auch, dass Sex erst dann praktiziert werden sollte, wenn man sich dazu bereit fühlt und den richtigen Partner dafür gefunden hat – was nicht heißt, dass es die Liebe fürs Leben sein sollte, sondern eine Person, mit der man sich wohl fühlt.
Das klingt vielleicht furchtbar romantisch und kitschig, aber im Grunde genommen sind das die Dinge, die wichtig sind. Leser in diesem Alter suchen sich Vorbilder, das können auch Romanfiguren sein, und Pornos, die unrealistischen Sex zeigen, gibt es doch mehr als genug. Es ist auch an Autoren, Verantwortung zu übernehmen.

Bei Liebesromanen ist der ideale Leser meist erfahrener und in seiner Sexualität so gefestigt, dass es nicht mehr so pädagogisch wertvoll sein muss. Schon vom Genre her ist klar, dass es hier um Liebe geht. Und bei Liebe geht es meistens auch um Sex. Das darf ruhig auch mal gezeigt werden. Der Autor darf sich austoben, nicht nur der Leser in seiner Phantasie zwischen den Kapiteln.

Zum Schreiben von Sexszenen habe ich im Schreibnacht-Magazin schon einen Artikel veröffentlicht, doch ich möchte noch einmal einige Punkte zusammenfassen – dabei beziehe ich mich nicht nur auf Liebesromane, sondern auch auf alle anderen Genre, die Sexszenen beinhalten.

Zu Beginn eine Bitte meinerseits: Nennt das Ding beim Namen! Und ich meine es, wie ich es sage. Ein Penis ist ein Penis und die Tatsache, dass aus unerfindlichen Gründen „Luststab“ da steht, macht es nicht besser. Nein, es bringt mich sogar zum Lachen, weil ich es einfach furchtbar finde. Und auch irgendwelche platzenden Knospen lassen in meinem Kopf keine sexuellen Bilder entstehen.

Genau das ist es, was ich erwarte, wenn ich ein Buch lese. Bilder müssen in meinem Kopf entstehen und ich muss mitfühlen können. Daher ist es wichtig, die Sexszene gut einzuleiten. Es ist völlig unrealistisch, wenn zwei Charaktere ohne vorherige Andeutung in diese Richtung durch Gedanken, Blicke etc. plötzlich übereinander herfallen.
Der Weg zur Sexszene hängt natürlich von den Charakteren ab. Sind sie romantisch, abenteuerlich, hassen sie sich? Baut sich eine Spannung auf oder ist es Liebe auf den ersten Blick, ohne sich vorher zu kennen? Ebenso sollte die Beziehung und schließlich auch der sexuelle Akt zu den Charakteren passen.

Ist es bei verliebten Paaren noch realistisch, dass jeder Sex wundervoll ist – was nicht heißen muss, dass beide einen Orgasmus haben -, muss es bei langjährigen Paaren lange nicht so sein. Der Alltag hat sich eingeschlichen und auch der Sex wird unspektakulärer und seltener. Ebenso wie überirdischer Sex kann auch der unterirdische beschrieben werden.

Die goldene Regel Show don't tell sollte besonders in Sexszenen eine hohe Beachtung finden. So hat der Leser Raum für Interpretationen und kann seine eigenen Erfahrungen einfließen lassen. Denn genau das macht gutes Schreiben aus – auch beim Sex in Büchern.

Am Ende ist es wichtig, dass das Gefühl stimmt – beim Autor wie beim Leser. Wenn man sich als Autor schämt, Sexszenen zu schreiben, dann sollte man es lieber lassen oder entsprechende Szenen in der berühmten Schublade liegen zu lassen, um zu üben.





Tinka liebt es, andere Menschen zu motivieren und zu inspirieren. Die Autorin bloggt auf tinkabeere.com, hat einen Ratgeber zum Bloggen veröffentlicht und schreibt fantastische Jugendbücher.

2 Kommentare:

  1. Hi Tinka,

    ich fand es heute sehr interessant, deinen Text hier zu lesen, denn ganz ähnliche Gedanken habe ich mir beim Schreiben meines letzten Buches gemacht.
    Zunächst habe ich mich gefragt: Ist es überhaupt notwendig, eine Sexszene in den Plot zu integrieren, um die Beziehung meiner Protagonisten Helene und Felix zu zeichnen. Letztlich habe ich mich dafür entschieden, aber nachdem sich zwischen ihnen bereits eine starke Abziehung angedeutet hat. Ein Wagnis, da ich mich zunächst am Genre "Groschenroman" orientiert hatte und in diesem Genre Sexszenen absolut unüblich sind. Die Freiheit habe ich mir aber genommen. Selfpublishing macht's möglich. ;)
    An zweiter Stelle stand dann die Entscheidung: Wenn Sexszene, wie gestalte ich sie? Wie du es oben sehr schön auf den Punkt bringst, habe ich die Dinge beim Namen genannt. Ich kann, wenn ich so etwas lese, mit diesen seltsamen Metaphern auch nichts anfangen und finde Lustknospen etc. eher be-lust-igend. :)
    Auf jeden Fall kann ich sagen: Das Schreiben dieser Szene war ein Abenteuer und hat mir am Ende sogar großen Spaß gemacht. Ob sie gelungen ist, mögen andere beurteilen.

    Liebe Grüße, Karla

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    1. Hey Karla,

      ein Hoch aufs Selfpublishing! :-D

      Freut mich, dass ich nicht die Einzige bin, die der Meinung ist, dass man die Dinge beim Namen nennen muss/sollte. Und Spaß beim Schreiben ist natürlich das Wichtigste ;)

      Liebe Grüße,
      Tinka :)

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