Donnerstag, 1. Oktober 2015

Kolumne: Sex sells – vom Hausfrauenporno bis zur Dreilochstute

Spätestens seit SoG ist die erotische Literatur salonfähig geworden. Natürlich gab es auch vorher schon „Schmuddelliteratur“ in Form von freien Texten im Internet und eindeutigen Bänden in Bahnhofsbuchhandlungen, die auf ihren Covern meistens halb entblößte Männer zeigen, welche wiederum schmachtende, üppig bestückte Damen in den Armen halten.


Jetzt fragt man sich natürlich, wie es SoG geschafft hat, so ein breites Lesepublikum anzusprechen. Dass es an der tollen Sprache liegt, halte ich persönlich für ausgeschlossen – ich sage nur: innere Göttin ...
Weiterhin ist es auch unwahrscheinlich, dass große Teile der lesenden Bevölkerung bis vor wenigen Jahren asexuell waren.
Meine Vermutung ist, dass es sich hier um ein Massenphänomen gepaart mit dem Treffen einer gesellschaftlichen Grundstimmung handelt. SoG liegt genau auf der Grenze zwischen Anstößigkeit, Individualismus und gesellschaftlichen Erwartungen. Exerzieren wir das einmal am Beispiel von SoG nach: Wir haben eine Liebesgeschichte in der es um's Ficken geht. Allerdings wird kein Koitus gezeigt, der nun wirklich abartig oder verboten ist und andere in Mitleidenschaft zieht. Es bleibt alles im privaten, unöffentlichen Bereich, zudem ist es ein Hetero-Paar - ganz wichtig. Sie haben also Sex, der weniger anstößig als individuell ist, und bedienen eigentlich das klassische Rollenmodell. Das Weibchen ist eine zumindest halbwegs emanzipierte Frau und macht irgendwas mit Literatur. Weiberkram eben. Der Mann ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, der den amerikanischen Traum lebt. Somit ist es ein gutes Erfolgsbuch für den amerikanischen Markt. Und was denkt sich der deutsche Leser? „Ein Weltbestseller kann natürlich nicht schlecht sein!“ Letztendlich steht da nicht viel anderes drin, als in den oben beschriebenen Bahnhofsheftchen, aber was der Omma gefällt, gefällt Mutti und Tochter ebenso, besonders, wenn es mit einem schicken Cover und einem Pressehype daherkommt.

Wer dann SoG ausgelesen hat und/oder es zu langweilig findet, für den gibt es nun im Zuge dieses Erotik-Hypes die Möglichkeit, sich auf dem E-Book-Markt einzudecken. Dort kann man dann von „Dreilochstuten“ im übertragenen und wörtlichen Sinn lesen. Auch mit Einhörnern und Raptoren, kein Scheiß. Besonders verblüfft mich dabei, dass die Gay-Literatur dem in keiner Weise nachsteht, denn ich habe die Homosexuellenszene immer als sehr kultiviert und nicht sexuell oberflächlich erlebt. Bei näherer Recherche konnte ich dann auch diesen, zumindest für mich, widersprüchlichen Umstand erklären: Ein Großteil solcher Werke wird von heterosexuellen Frauen gelesen, und hetero Männer und Frauen sind nicht so unterschiedlich: Die einen schauen Pornos, die anderen lesen sie.

Ich will aber auf keinen Fall vorher genannte Literatur und ihre Leser verdammen, ich finde es nur schade, dass es immer so eindimensional ist. Aber diesen Schuh muss sich natürlich nicht nur die erotische Literatur anziehen. Auch in anderen Genres, geht es dann zum Beispiel nur um das Aufdecken des Kriminalfalls oder das Aufdecken einer politischen Intrige. Ich frage mich oft, ob ich der einzige Mensch bin, der in einem Krimi gerne mehr Sexszenen hätte. Dabei ist Sex eine Sache, die uns tagtäglich umgibt, die vielleicht zumindest in unserer westlichen Kultur neben Geld die Hauptmotivationsquelle ist. Wenn Sexualität vorkommt, dann natürlich nur zwischen gutaussehenden heterosexuellen Paaren. Hier muss ich eine lobende Lanze für die Fantasyliteratur brechen, wo meiner Erfahrung nach Sexualität am meisten vorkommt, ohne in den Vordergrund zu rücken, und auch Homosexualität in angemessenem Maße berücksichtigt wird.

Interessanterweise kommt das Thema „Masturbation“ so gut wie nie in der Literatur vor, außer natürlich in der erotischen. Dabei ist sie logischerweise viel häufiger als der Coitus zwischen zwei Menschen. Mir ist natürlich bewusst, dass viele Autoren dieses Thema scheuen, weil sie meinen, dass sie dabei zu viel von sich selbst preisgeben würden bzw. andere das in den Text hineininterpretieren. Meiner Meinung nach sollte man da aber als Autor drüber stehen können. Dieses Thema ist allgegenwärtig und interessiert auch viele Leser. Es bieten sich hier Möglichkeiten der Charakterisierung, weil das Verhältnis zur Selbstsexualität viel über einen Charakter aussagt. Masturbation vor einem Spiegel ist wohl ein mehr als eindeutiges Statement.

Generell möchte ich für einen „runderen“ und ausgeglicheneren Umgang mit Sexualität plädieren. Ich denke, dass kein Thema und keine Handlung nur im engeren Sinn eines Genres für sich allein stehen kann. Für mich persönlich ist das Drumherum auch sehr wichtig und macht die Geschichte erst interessant – und Sexualität gehört für mich einfach dazu. Und wenn ich lese „Sie küssten sich und fielen zusammen ins Bett. *Absatz* Am nächsten Morgen wachten sie gemeinsam auf“, fühle ich mich persönlich ein bisschen betrogen und mir fehlt einfach etwas. Aber das ist wohl nur mein persönliches Empfinden – denn auf die Beschreibung des Frühstücks kann ich verzichten.

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