Samstag, 6. Juni 2015

Schatzkisten der Zeit – Historische Kurzgeschichten aus Indonesien


Kurzgeschichten oder auch Anthologien gibt es überall auf der Welt, zu allen möglichen und unmöglichen Themengebieten. Sie sind mal kürzer und mal länger. Und ich wage jetzt einfach mal zu behaupten, dass sie immer eine gute Wahl zum Lesen sind. Denn schließlich vermitteln sie ihren Inhalt in viel kompakterer Form als es andere Geschichten zu tun pflegen. Kurzgeschichten helfen um zum Beispiel etwas über die Eindrücke der Menschen in Bezug auf die Geschichte ihres oder eines anderen Landes zu bekommen, denn sie geben dem Leser die Möglichkeit, schnell die Wahrnehmung dieser Zeit und der Kultur aufzusaugen.


Dies gilt auch für Kurzgeschichten aus Indonesien Ein vielfältiges Land mit zahlreichen verschiedenen Kulturen, die von einer langen Kolonialzeit geprägt sind. Bereits 1600 kamen zunächst die portugiesischen später auch die niederländischen Kolonialisten und haben ab 1800 (mit einer kurzen Unterbrechung von 1811-1816) 145 Jahre lang als Handelskolonie auf Indonesien regiert. Diese Zeit war vom Sklavenhandel sowie der Ausbeutung und Unterdrückung der indigenen Bevölkerung geprägt. Doch inspiriert durch diese Episode in der Geschichte des weltgrößten Inselstaates, entstanden viele Anthologien, die teilweise eine romantisierte Sichtweise von dem widerspiegeln, was sich zwischen der niederländischen Herrschaft im damaligen Batavia und ihrer Untergebenen abgespielt hat.

Ein sehr gutes Beispiel ist dafür die Kurzgeschichte De arme Rosetta (also die arme Rosetta) von Wilhelm Leonard Ritter, der nicht unbedingt für seine guten Schreibkünste bekannt geworden ist. Nachdem er seinen Beruf als Chirurg dritter Klasse aufgegeben hatte, widmete er sich komplett seinem Autorenleben und schrieb diverse Beiträge für das Borneo's Nieuwsblad. Seit 1838 verfasste er immer neue literarische Veröffentlichungen und entwickelte damit eine gewisse Berühmtheit. Seine Erzählungen waren sehr romantisiert und handelten von den Einwohnern, der Geschichte und den verschiedenen Bevölkerungstypen Niederländisch-Indiens. Obwohl seine Texte bei seinen Kollegen nicht beliebt sind, traf es in Indonesien und Malaysia auf großen Zuspruch und wurde im Nachhinein sogar dreimal mehr oder weniger abgeschrieben. Mehr oder weniger, weil es zum einen im Malaiischen verfasst wurde (hier heißt es dann Tjerita Rossina, also die Geschichte von Rossina) und zum anderen das Ende komplett anders als im Originalwerk ist. In diesem besonderen Fall ist es natürlich interessant beide Texte zu vergleichen. Dabei kommt heraus, dass sie sich in der Ansicht der Kultur auf Indonesien voneinander unterscheiden. Während Ritter mit seinen „niederländischen Kolonialisten Augen“ auf seine Geschichte schaut und sie so schreibt, zeigt Pangemanann (einer der drei Übersetzter), stellvertretend für die indigene Bevölkerung die Sichtweise auf das Geschriebene.

Und jetzt seid ihr gefragt! Stellt euch vor ihr würdet eure Kurzgeschichte für eure Urururenkel schreiben, die erfahren sollen, wie unser Leben im Jahr 2015 aussah. In 100 Jahren sind die Menschen sicherlich daran interessiert, wie es heutzutage so ist hier zu leben. Und das nicht nur in wissenschaftlicher Sicht, sondern auch welches Gefühl man hat und welche Eindrücke man wiedergeben kann. Wie ist das Verhältnis zwischen Mann und Frau oder generell in einer Familie? Welche Möglichkeiten gibt es und was sind jetzt gerade unsere Träume? Eine Welt ohne Krieg, Hunger, Leid, Missbrauch? Oder was würdet ihr in eurer Kurzgeschichte für die Zukunft verarbeiten? Versucht eure eigene Sichtweise auf die Kultur, in der ihr lebt zu beschreiben.

Das Werk von Ritter, auf das ich mich beziehe, gibt es im Original leider nur auf Niederländisch (mit alter Schreibweise) und die Geschichte von Pangemanann bisher nur auf Malaiisch.

Falls ihr Interesse an dem Thema „Kolonialherrschaft der Niederländer in Indonesien“ mit Fokus auf die Sprachenpolitik habt, hilft dieses Buch sicherlich weiter:
Kees Groeneboer: Gateway to the West. The Dutch language in colonial Indonesia 1600-1950. a history of language policy. Amsterdam: Amsterdam University Press 1998.
(Für alle Niederländischsprecher unter euch: Es gibt das Buch auch in Originalsprache mit dem Titel: Weg tot het westen. Het Nederlands voor Indië 1600-1950. Een taalpolitieke geschidenis.

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Gastautorin Rebecca

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