Bei jedem Schriftstück egal ob ein Roman, eine Kurzgeschichte oder auch einer FanFiction ist es dasselbe. Der Figurentwurf: Wie heißen sie? Was macht sie aus? Wie ist ihre Erscheinung? Und spätestens beim Charakterentwurf kommt das große Grübeln: ist sie witzig, ist sie schüchtern, ist sie draufgängerisch, ist sie wie ich?
Prinzipiell kann man
sagen: in jeder Figur ist etwas, was man selbst kennt. Und der Grund
ist ziemlich einleuchtend: Man orientiert sich an Dingen, bewusst
oder unbewusst, die vertraut sind. Ab welchem Punkt könnte das aber
zu einem Problem werden?
Die meisten kennen sicher
den Begriff „Mary Sue“ oder auch das männliche Äquivalent
„Larry/Gary/Marty Stu“ - die Form die am meisten belächelt wird.
Es ist die idealisierte Form eines Charakters und meistens mit dem
Autor gleich zu setzen. Ursprünglich als Parodie in „A Trekkies
Tale“ wurde die Mary Sue ein Begriff für eine absolut unfehlbare
Frauenfigur: klug, schön, sexy, bescheiden, mit unglaublichen
Fähigkeiten von lang vergessenen Kampftechniken über geheime
Wissenschaften bis zu einer Fülle an literarischem Wissen. Nicht zu
vergessen, dass sich alle männlichen Figuren in irgendeiner Weise in
sie verlieben oder von ihr angezogen sind.
Ich finde eigentlich
nicht, dass man Mary Sues belächeln sollte. Denn es ist in vielen
Fällen ein Katalysator (und wer hat nicht so eine Autoren-Leiche im
Keller), den man gerade als Teenager braucht und auch meistens die
ersten Gehversuche beim Schreiben sind. Also: es ist keine Schande!
Wenn es hilft Stress loszuwerden oder etwas zu verarbeiten, dann
schreibt es so! Und wenn ihr es nur in euer privates „Guilty
Pleasure“-Heft schreibt - wer soll es dann wissen oder lesen? Und
zum Üben ist dieses Figurenkonzept hervorragend. Denn sie gibt die
Möglichkeit an Beschreibungen, Charaktereigenschaften und
Handlungsweisen zu feilen – und mit der Zeit entwickelt ein Autor
auch das Gefühl dafür: Was wäre zu viel, was ist „realistisch“
und was nicht, wie passt es zu den anderen Figuren etc.
Schreiben soll nicht nur
produktiv oder „literarisch“ sein, sondern auch eine Entwicklung.
Und jeder hat angefangen.
Und vor allem, was ist die
größte Inspirationsquelle? Menschen, die Umwelt in der wir uns
Bewegen und die Menschen darin. Um also in dem Schreibprozess eine
authentische Welt mit authentischen Figuren zu erzeugen, warum soll
man sich nicht an den Menschen um sich herum Inspiration suchen? Und
wieso also auch nicht sich selbst in gewisser Weise erzählen lassen:
Dieses Vorgehen ist die
Self-Insertion. Eine Erzählinstanz, die an Stelle des Autors als
Erzähler fungiert. Beispielsweise in autobiografischen Romanen wie
„Jane Eyre. Eine Autobiografie“, in der die Handlung von Jane
erzählt wird oder auch der „Ersatzautor“ wie etwa Bilbo als
Autor von „Der Hobbit“ anstelle J.R.R. Tolkiens fungiert.
Hier geht es auch um
Ereignisse oder Erlebtes aus dem Leben der Autoren. So ist Charlotte
Brontes Schulzeit das Vorbild für die Episode „Lowood School“ in
Jane Eyre. Das ist eine Frage wie weit man bereit ist, seine
persönlichen Erfahrungen mit einfließen zu lassen. Und ab diesem
Punkt kann man verändern und die Fantasie spielen lassen. Hierbei
sind Fragen hilfreich, die man sich dafür notieren kann:
Wie war diese Situation?
Wie habe ich mich gefühlt
vs. Wie soll sich meine Figur fühlen?
Welche optischen Eindrücke
sind geblieben? (Groß, klein, unheimlich, freundlich etc.)
Das sind natürlich drei
Fragen die relativ sich vage halten, aber es geht auch darum, dass
sie jedem genügend Freiheiten lassen und auch die Möglichkeit geben
seinen eigenen Weg zu finden. Viel wichtiger als permanent nach einem
Schema vorzugehen, sind es grobe Richtlinien, an denen man sich
herantasten kann, um seinen eigenen Erzählstil und Entwicklung zu
finden und auch in Balance zu bleiben wie viel man „von sich
selbst“ in die Figuren und Handlungen hineingeben will.
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