Mittwoch, 13. Juni 2018

Planlos glücklich: Ohne Plot zum Roman

Ich begann mit dem Schreiben, als ich sieben war. Damals hatte ich noch keine Ahnung von Charakterentwicklung, Spannungsbogen oder Szenenaufbau. Erst ein paar Jahre später bin ich in den Weiten des World Wide Webs über ein Wort gestolpert, das meine ganze Sicht aufs Schreiben für immer verändern sollte.

PLOT.

Es brannte sich wie ein heißes Eisen in meinem Gedächtnis ein und war jahrelang mein ständiger Begleiter beim Schreiben. In jedem Forum, in dem ich aktiv war, in jeder Schreibgruppe und in jedem Ratgeber, den ich gelesen habe, schien derselbe Tenor zu herrschen: ohne Plot und Planung, kein Roman. 




Das Plotten stellte eine 180-Grad-Wendung in meinem Schreibprozess dar. Nachdem die ersten Geschichten aus meiner Feder stets plot- und planlos entstanden waren, begann ich plötzlich, mir die Handlung auszudenken, bevor ich auch nur ein Wort aufs Papier gebracht hatte – und stolperte damit in eine fast zwei Jahre andauernde Schreibkrise.

Heute weiß ich: Ich bin (und war noch nie) ein Plotter. Mir ist klar, dass es viele Methoden gibt, an einen Roman heranzugehen. Es gibt keinen «richtigen» oder «falschen» Weg, um den (echt stürmischen) Ozean des Bücherschreibens zu durchqueren. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch keine magische Formel beschreiben, die für alle und jeden funktioniert, sondern lediglich ein paar Tipps geben, mit welchen ihr das größte Hindernis beim plotlosen Schreiben umschiffen könnt: nämlich, euch in eine Sackgasse zu manövrieren.

 

Tipp 1: Schafft euch Ankerpunkte!

Wenn ihr ohne Plot einen Roman startet, solltet ihr trotz allem zumindest ein paar Wegpunkte stecken. Bei mir ist es so, dass Anfang und Ende meist feststehen und ich so ein konkretes Ziel habe, das ich fokussieren kann. Andere Autoren arbeiten zwei oder drei wichtige Charaktere aus und lassen sich von diesen durch den Roman leiten. Egal, wofür ihr euch entscheidet: Es sollte genug sein, um sich während des Schreibens nicht zu verlieren. Ich empfehle, zumindest das Genre und die Protagonisten festzulegen, bevor ihr mit dem ersten Kapitel beginnt.

 

Tipp 2: Macht euch Notizen!

Obwohl ich das definitiv auch für Plotter empfehlen würde, seid ihr als planlose Schreiber ganz besonders auf eure Notizen angewiesen. Während des Schreibens wird es, gerade wenn man keinen Plot hat, immer wieder Dinge geben, die sich unerwartet ergeben: ein neuer Charakter, eine plötzliche Wendung oder gar eine völlig neue Richtung, die der Roman einschlägt. Selbst, wenn ihr gerade nicht schreibt, werdet ihr ständig neue Ideen kriegen, die ihr vielleicht erst später umsetzen könnt. Auch Dinge, die im ersten Moment absurd erscheinen, können vielleicht an einer anderen Stelle des Romans helfen.

 

Tipp 3: Weniger ist mehr!

Ich denke, das ist der Punkt, der dazu führt, dass viele Romane ohne Plot auf Grund laufen: Es gibt zu viel von allem. Zu viele Charaktere, die keine wirkliche Funktion haben, zu viele Themen, die irgendwie verbunden werden wollen, zu viele überstürzte Wendungen… Auch wenn es ein unheimlich befriedigendes Gefühl sein kann, zu sehen, wie sich der eigene Roman ständig neu erfindet, sollte man das nicht ausufern lassen. Spätestens nach den ersten paar Kapiteln habt ihr meist eine ziemlich gute Ahnung, worauf das ganze herauslaufen sollte – und das sollte im besten Fall auch so bleiben. Auch wenn es hart ist: Fokussiert euch auf das, was ihr am Anfang des Romans etabliert habt und entwickelt das weiter. So verhindert ihr, dass ihr zu sehr ausschweift.

 

Tipp 4: Ihr steckt fest? Seht es als Chance!

Bei jedem Roman, den ihr ohne Plot schreibt, werdet ihr an eine Stelle kommen, wo ihr nicht mehr weiter wisst. Natürlich gibt es in einem solchen Fall immer die Möglichkeit, eine Pause zu machen und sich bewusst Zeit zu lassen, um neue Ideen zu finden. Aber gerade, wenn ihr eine Deadline habt oder eure Schreibroutine nicht unterbrechen wollt, ist es elementar, schnell weiterschreiben zu können. Was könnt ihr also tun? Im ersten Moment mag dieser Tipp widersprüchlich wirken, aber: Beginnt, zu plotten!

Ja, ich weiß: Da schreibe ich einen ganzen Artikel zum Thema, wie man ohne Plot einen Roman schreiben kann, und dann komme ich plötzlich mit so was? Keine Sorge: Ihr werdet nicht gezwungen werden, zu einem Plotter zu werden. Aber wenn mir die Jahre, die ich mich mit Plot abgemüht habe, eins gelehrt haben, dann, dass jede Geschichte eine Struktur braucht. Diese Strukturen sind tief in den Köpfen der Menschen verankert und wenn eine Handlung ihnen nicht folgt, bemerken wir das (wenn auch unbewusst) sofort. Genau deshalb kann es unglaublich hilfreich sein, sich an diese Strukturen zu erinnern, wenn man sich in eine Sackgasse manövriert hat. Vergleicht das bisher Geschriebene mit dem 7-Punkte-System oder der Heldenreise und ihr werdet feststellen, dass ihr viele Eckpunkte ohne es zu wissen bereits eingebaut habt. So erfährt ihr auch, was als Nächstes kommen könnte oder sollte, wenn man der Struktur folgt. Mich persönlich inspiriert das nicht nur zu neuen Ideen, sondern es hilft mir auch, zu verhindern, dass sich meine Geschichte ewig im Kreis dreht und nicht vom Fleck kommt.


Seid ihr #TeamPlotter oder #TeamPlanlos? Welche Methode funktioniert für euch am besten und warum?

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Zum Weiterlesen:



Evelyne Aschwanden wurde bereits als Kind vom Schreibvirus erfasst und erschafft seitdem fantastische und verrückte Welten auf Papier. Als Meisterin der Prokrastination und hoffnungslose Träumerin zwitschert sie unter @EvelyneC_A über die Höhen und Tiefen des Autorenlebens.

 




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