Mittwoch, 27. April 2016

Prokrastination – Morgen ist auch noch ein Tag

Wie es sich für einen ordentlichen Artikel über Prokrastination gehört, ist er zwei Tage zu spät im Lektorat angekommen. Die Autorin weiß also, wovon sie spricht (bzw. schreibt). Und vielen Autoren, die ihren Roman gerne endlich mal fertig haben wollen oder seit Jahren davon träumen, überhaupt anzufangen, dürften das kennen.

Prokrastination als Fachwort für „Aufschieben“, „auf morgen vertagen“, ist inzwischen recht weit verbreitet. Aber worum geht es dabei genau?





Definition


„Ein häufiges oder gewohnheitsmäßiges Verhalten von Menschen, aktiv, unnötig und irrational notwendige - prioritär bezeichnete – Tätigkeiten auf zukünftige Termine, die meist vage und unbestimmt sind, zu verschieben, statt sie konsequent und pünktlich zu erledigen.“ (Bernd Klein) Quelle: http://www.prokrastination.net/umfrage/grundlagen.php

Dabei kann es sich um Anforderungen handeln, die andere an einen stellen, wie beispielsweise im Job, oder aber um eigene Zielsetzungen. Aber anstatt die Aufgaben zu erledigen, werden Ersatzhandlungen durchgeführt, die auf der Prioritätenliste eigentlich weiter unten stehen würden.

Aber warum prokrastinieren wir eigentlich so gerne?
Es gibt mehrere Gründe, anstehende Arbeiten aufzuschieben:

  • Keine Lust
  • Wir halten sie für unwichtig
  • Die Anforderungen sind unklar
  • Versagens- oder Entscheidungsängste

Dabei befinden wir uns oft in einem Zwiespalt: „Soll ich, oder soll ich nicht?“:

„Ich möchte diesen Roman schreiben“ vs. „Ich habe jetzt aber keine Lust dazu“

Es gibt drei Möglichkeiten, darauf zu reagieren:

  1. Ich schreibe den Roman
  2. Ich will ihn eigentlich gar nicht schreiben, also lasse ich es generell
  3. Ich baue eine Brücke zwischen 1 und 2 und finde eine Legitimation (=Prokrastination)

Die dritte Möglichkeit ist die Wahl des Prokrastinierers. Er versucht, einen Mittelweg zu finden. Jeder von uns kennt sie, die eigentlich unbedeutenden Ausreden:

  • „Das Wetter ist heute zu schön um drinnen zu sitzen“, „Das Wetter ist so schlecht, da werde ich gar nicht richtig fit“
  • „Ich bin heute zu müde“
  • „Vorher muss ich noch was essen“
  • „Ich kann erst arbeiten, wenn der Schreibtisch aufgeräumt ist“

Das Ergebnis dürfte vielen ebenfalls bekannt vorkommen: Die Wohnung ist aufgeräumt, die Wäsche gebügelt, das Essen für die nächsten zwei Wochen vorgekocht, der Hund gebadet und geföhnt, aber es ist noch kein einziges Wort geschrieben. Und so schieben wir immer weiter auf. Ein Teufelskreis!

Teufelskreis der Prokrastination (Bernd Klein) 


1. Phase
Noch besteht ein gutes Gefühl. Die Deadline ist weit genug weg, alles ist noch gut machbar. Trotzdem können auch hier bereits Unsicherheiten aufkommen, z.B. ob es bei der Bearbeitung Probleme geben wird.

2. Phase (Chance)
Es wäre jetzt eine gute Zeit, mit der Aufgabe zu beginnen. Objektiv gesehen ist noch Zeit, man hätte einen Puffer. Der Prokrastinierer beschließt aber, noch zu warten.

3. Phase (erste Ängste)
Zeit ist verstrichen. Noch wäre es machbar. Erste Ängste tauchen auf. Darunter auch der Gedanke, dass er gerade wieder alles aufschiebt, wie die Male zuvor.

4. Phase (Der ideale Zeitpunkt verpasst)
Jetzt wird die Zeit schon knapp. Trotzdem ist da noch die Hoffnung, er könne alles hinbekommen. Das wäre auch möglich, würde der Prokrastinierer etwas Gas geben. Aber die Zweifel, ob er es schaffen könnte, bringen ihn dazu, weiter aufzuschieben.

5. Phase (die Falle schnappt zu)
Die Chance, rechtzeitig fertig zu werden, ist gering. Schuldgefühle tauchen auf, sowie Ängste vor den Konsequenzen. Diese lähmen und behindern die Arbeit.

6. Phase (Finale Entscheidung)
Entweder jetzt oder nie! Mit einem letzten Kraftakt kann vielleicht noch etwas gerettet werden. Aber ein gutes Resultat wird nicht mehr möglich sein.

7. Phase (Reue)
Egal, ob es noch geklappt hat, oder nicht. Der Gedanke „Nie wieder!“ schleicht sich ins Gehirn und gleichzeitig die Gewissheit, dass es beim nächsten Mal nicht arg anders laufen wird.


Aber warum machen wir Menschen sowas „Dummes“ eigentlich? Es wäre doch so einfach: Aufschieben geht letztendlich mit Anspannung, Ängsten und später Schuldgefühlen einher. Das sind alles Konsequenzen, die wir gerne vermeiden würden. Die Motivation, rechtzeitig zu beginnen, sollte also ziemlich hoch sein. Warum haben aber dennoch so viele Menschen Probleme damit?

Vermeidung

 

Stell dir vor, du hast morgen einen Zahnarzttermin oder ein Vorstellungsgespräch (was auch immer angsteinflößender ist). Du bist nervös, angespannt und machst dir Gedanken darüber, ob alles gut gehen wird. Das Telefon klingelt und der Termin wird abgesagt und um zwei Wochen verschoben. Sofort fällt die Anspannung für diesen Moment.
Etwas Ähnliches passiert auch bei der Prokrastination. Der Zwiespalt aus „Ich will/soll das machen!“ und „Ich will das jetzt aber nicht machen!“ erzeugt ebenfalls Anspannung. Vor allem, wenn Gedanken dazu kommen, die uns daran zweifeln lassen, ob wir der Aufgabe gewachsen sind. Wir überlegen hin und her, ob wir jetzt loslegen sollen, starten vielleicht den einen oder anderen Versuch, lassen es wieder, wollen eigentlich, aber tun es nicht, werden unruhig, ängstlich, gereizt… In dem Moment, in dem ich entscheide fälle, dass morgen auch noch genug Zeit ist, lässt diese Anspannung sofort nach. Es gibt ja keinen Grund mehr dazu. Morgen ist auch noch ein Tag. Und unser Gehirn liefert uns auch noch die passende Ausrede (zu müde, schlechtes Wetter, genug Zeit, erstmal aufräumen…).
Praktisch, oder?
Kurzfristig ist Aufschieben also mit einer Spannungsreduktion verbunden. Ein negatives Gefühl fällt weg. Und das ist es, was unser Verhalten verstärkt. Wir Menschen versuchen in der Regel, unangenehme Zustände so schnell wie möglich zu beenden. Langfristige Konsequenzen (die uns rein rational ja schon bewusst sind), werden dabei erstmal nicht berücksichtigt.
(Die Entstehung von Süchten passiert übrigens nach einem ähnlichen Prinzip, wenn auch in etwas anderem Ausmaß: Wenn ich Alkohol trinke, bin ich in sozialen Situationen selbstsicherer. Die unangenehme Unsicherheit fällt weg. Die langfristigen Konsequenzen einer Abhängigkeit und körperlicher Folgeschäden werden vorerst nicht berücksichtigt.)
Es gibt auch noch andere Motive hinter der Prokrastination, z.B. den Wunsch nach Stimulation (Motivation „erzwungen“ durch Zeitdruck), oder Entscheidungsunfähigkeit. Aber diese Formen gehen oft nicht mit so viel Leidensdruck einher, wie die klassische Vermeidung.

Was kann ich dagegen tun?


Wenn ihr euch dabei erwischt, dass das Aufschiebeverhalten häufig mit abwertenden und ängstlichen Gedanken einhergeht („das schaffe ich sowieso nicht“, „ich bin zu doof dafür“), schaut mal bei meinem Artikel über den inneren Kritiker  vorbei.

Aber es gibt auch noch ein paar ganz praktische Tipps:

  1. Vernünftig planen: Nicht zu viel und nicht zu wenig für einen Tag vornehmen.
  2. To-Do Liste erstellen: Am besten nach Prioritäten (Was ist wirklich wichtig?). Das verschafft eine bessere Übersicht.
  3. Kleine Schritte planen: Es hilft, Ängsten vorzubeugen, wenn man kleine, überschaubare Teilschritte vor sich hat. Kennt ihr schon den Straßenkehrer Beppo
  4. Ordnung halten, so fällt es leichter, anzufangen. Aber nicht aufräumen, um nicht beginnen zu müssen.
  5. Störfaktoren ausschalten: Handy lautlos, Facebook schließen ;-)
  6. Belohnung! Wenn du etwas geschafft hast, belohne dich mit etwas, das du gerne tust.

Es macht Sinn, sich auch schon vorher zu überlegen, was man sich Gutes tut, wenn man seine Aufgabe erledigt hat.

Also: Legt los, tut, was ihr tun wollt, schreibt endlich diesen Roman oder diese Kurzgeschichte. Lasst euch von schlechtem Wetter, inneren Stimmen, die euch klein machen oder Müdigkeit (wofür gibt’s Kaffee?) nicht aufhalten und fangt einfach an!

Ich lasse diesen Artikel nun meiner Lektorin zukommen und gönne mir danach einen Donut! ;-)


Weitere Quellen:
http://www.dasmili.eu/art/morgen-morgen-nur-nicht-heute-nichts-ist-so-schwer-wie-anzufangen/#.VwqHh0-LTIU
http://www.apotheken-umschau.de/Prokrastination



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Weitere Artikel: 


Sabrina bloggt außerdem auf sabi-writing-whatever.com



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