Mittwoch, 2. September 2015

Wer bin ich heute? - Method Acting, Schauspiel, Actors journal

Heute ein auf den ersten Moment seltsam erscheinender Beitrag. Was bitte hat Schauspiel mit Schreiben zu tun oder Fähigkeiten, die Schauspieler anwenden, sich in ihre Rollen hinein zu finden. Ich bin selbst der Überzeugung, dass bis an einen gewissen Punkt dieselben Fähigkeiten angewand werden müssen – der Autor muss glaubhafte Figuren schaffen, genauso wie ein Schauspieler diese auf die Bühne oder die Leinwand übertragen muss.



Und das führt mich zum Thema Actors Journal oder eben dem Method Acting nach Konstantin Stanislawski bzw. Lee Strasberg. Dazu ist Lee Strasbergs ”The dream of Passion” eine gute Stütze, oder in modernsierter Form: ”Acting: A Handbook of the Stanislavski Method”. Sowie Stanislawskis: ”Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst und an der Rolle.”

Wie funktioniert Method Acting? Erarbeitung einer Figur:


Was zunächst verfolgt Method Acting? Es ist eine Methode des Spielens, in denen der Schauspieler mit eigenen Erinnerungen und Entspannungstechniken arbeitet. Bei der Erarbeitung der Figuren stellt man sich die Fragen:
  1. Wer ist sie?
  2. Wo ist sie?
  3. Was tut sie dort? (Handlung und Absicht)
  4. Was ist ihre Vorgeschichte? (gegebene Umstände)
Durch Entspannungstechniken soll parallel dazu die Konzentrationsfähigkeit gesteigert werden. Um dabei aber das Erleben der Situation zu erreichen, sind Erinnerungen an eigene Erlebnisse Zentrum dieser Methode. Die Emotionen sollen dabei nicht flüchtig bleiben, sondern beherrsch- und wiederholbar gemacht werden. Dazu gibt des drei Möglichkeiten:

  1. Affective Memory ist das Wiedererleben einer vergangenen Erfahrung, ausgelöst durch einen Stimulus, um Situationen wieder abrufbar zu machen.
  2. Sense Memory ist die Erinnerung an eine Situation durch begleitende Sinneseindrücke von Geräuschen oder Gerüchen.
  3. Emotional Memory ist die Erinnerung an Gefühle und die höchste Stufe des schauspielerischen Erinnerns, während sich Sense Memory auf Wahrnehmungen wie Wärme oder körperlichen Schmerz bezieht.

Die Verbindung von Method Acting und Schreiben


Mit dem Schreiben hat es insofern zu tun, dass Strasberg in seiner Aufbereitung von Konstantin Stanislawskis Schauspielmethoden nahe legt, alle diese Eindrücke, die Fragen und die Erinnerungen aufzuschreiben. Und hier befinden wir uns beim Actors Journal, einem Buch, das nur für die Figuren notwendig ist. Widmet jeder Person, die ihr erarbeitet, so viel Platz wie es notwendig ist; es kann ein schmales Schulheft sein oder ein dicke Kladde, bis ihr für euch das Gefühl habt, dass niemand näher an diese Figur herankommen kann, als ihr.
Die vier Fragen bilden die Grundlage für die Erarbeitung und damit fragt ihr auch an: Wer ist eure Figur, wo ist sie und was ist ihre Funktion.

Die Herangehensweise an die Figuren wird interessant, wenn man beginnt, mit den Erinnerungen einen emotionalen Hintergrund oder auch die emotionale Verbindung zu erarbeiten. Wenn man mit vielen Figuren arbeitet, finde ich es schwer, wieder in das ”Feeling” der einzelnen Figuren zu kommen: wie geht, steht und redet sie? Hier kommt wieder die Technik des Method Acting ins Spiel: Erinnerungen sind die Grundlage dieser Methode. Wenn man ein Sinnbild nehmen würde, wäre das vermutlich ein Katalog oder ein riesiger Apothekerschrank, in dem alles ettiketiert ist. Aber auch dieser ”Emotionen- und Erinnerungskatalog” muss langsam aufgebaut werden.

Daher gibt es hier ein paar Übungen für euch:


1: Eure Hauptfigur hat Angst vor Wasser. Nun ist nicht jeder von uns einmal dem Tod durch Ertrinken nahe gewesen oder wurde dem Waterboarding unterzogen.
Geht bei der nächsten Gelegenheit schwimmen und taucht unter.
Wie fühlt es sich an? Was geschieht dort? Was hört, riecht und schmeckt ihr? Wie sieht das Wasser aus? Wie ist es wenn der Körper nach Luft verlangt? Habt ihr Angst? Kämpft ihr? Wollt ihr schreien?

2 :Es ist regnerisch und eure Figur hört es gerne, wenn der Regen an die gekippte Fensterscheibe klopft. Wenn es regnet setzt euch hin und notiert vom Aussehen des Regens, den Gerüchen, den Gefühlen alles.


3: Wählt euch eine Figur aus einem Roman/Schauspielstück aus und erarbeitet sie euch als ”Schauspielrolle”. Wie wird sie beschrieben, wo tritt sie auf? Wie tritt sie auf? Was entnehmt ihr dem Text als Hintergrund? Was bleibt unklar? Was könnte an den unklaren Stellen passiert sein?

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