Mittwoch, 5. September 2018

Mythos selbstbewusster Autor: Warum wir lieber in Selbstzweifeln versinken, anstatt unsere Arbeit zu würdigen

«Hallo! Du bist Selfpublishing-Autor und der Meinung, dein Buch könnte das beste selbst veröffentlichte Buch der Szene sein?»

Vor ein paar Monaten erhielt ich eine Mail mit diesen Zeilen als Aufhänger. Es war eine Einladung meines Distributors, mit meinem Buch am Deutschen Selfpublishing Preis (DSPP) teilzunehmen. Obwohl die Bewerbungszeit inzwischen schon lange vorbei ist, ist mir dieser Satz bis heute präsent im Kopf geblieben. Meine erste Reaktion, als ich ihn gelesen habe? Laut loslachen. Welche Autorin oder welcher Autor hätte denn das Selbstbewusstsein, so etwas vom eigenen Roman zu behaupten? Allein die Aussage, das beste selbst veröffentlichte Buch der Szene geschrieben zu haben, schien mir völlig absurd – hatte ich doch nie auch nur einmal darüber nachgedacht, dass mein Buch gewinnwürdig, geschweige denn das Beste von irgendetwas sein könnte. Doch je länger ich mich mit dem Gedanken beschäftigte, desto mehr drängte sich die Frage auf: Warum eigentlich nicht? Was ist so falsch daran, wenn eine Autorin, ein Autor selbstbewusst zu ihren oder seinen Werken stehen kann? Und warum tun wir das eigentlich nicht öfter? 




Wenn man zur Wurzel des Problems vordringen will, landet man weit in der Geschichte der Autoren, besser gesagt: in der Antike. Bereits der große römische Dichter Vergil flehte Kaiser Augustus auf dem Sterbebett an, seine Äneis zu vernichten, weil er sie nicht für gut genug hielt. Zum Glück ist Augustus seiner Bitte nicht nachgekommen, denn im Gegensatz zu Vergil selbst sah er die Äneis als das, was sie tatsächlich war: ein Meisterwerk.

Trotzdem scheint sich das Bild des leidenden Autors, der in Selbstzweifeln ertrinkt und ständig fürchtet, seiner Kunst nicht gerecht werden zu können, tief in unsere Köpfe eingebrannt zu haben. Selbstbewusstsein und Kunst scheinen zwei völlig widersprüchliche Begriffe darzustellen, die sich gegenseitig von Anfang an ausschließen. Und wer trotzdem stolz hinter seinen eigenen Werken steht und sie gar als gut erachtet, der bekommt schnell den Stempel eines eingebildeten Narzissten aufgedrückt.

Wieso können oftmals nicht einmal wir Autorinnen und Autoren selbst genug Selbstbewusstsein aufbringen, um sagen zu können: «Ja, das, was ich gerade tue, ist zwar nicht perfekt, aber es ist gut so, wie es ist»? Ich denke, ein Teil der Antwort liegt in unserem Schreiben selbst. Jeder von uns hat einen Grund, weshalb er oder sie schreibt – und in jeder Geschichte steckt ein Teil unserer eigenen Lebensgeschichte. Was wir schreiben, ist darum auch immer ein Spiegelbild unserer Selbst und der Dinge, die uns beschäftigen. Solche intimen und persönlichen Dinge zu teilen – auch wenn diese Einblicke oft nur für uns selbst oder für die Menschen, die uns nahestehen, ersichtlich sind – erfordert Mut. Darüber hinaus kommt der Druck von außen hinzu: Uns wird ständig eingeredet, dass wir vom Schreiben nicht leben können, kein Geld damit verdienen. Und wer kein Geld verdient, wird in unserer Gesellschaft schnell mal als nutzlos angesehen. Wieso sollte man also auf dieses Nutzlos-Sein stolz sein? So oder so ähnlich die Aussage, die uns eingeprägt wird.

Im Endeffekt ändern lässt sich die Gesellschaft (und wir selbst) nicht von heute auf morgen verändern. Der selbstbewusste Autor wird wohl auch in Zukunft ein Mythos bleiben. Aber: Bekanntlich beginnt jede Veränderung mit dem ersten Schritt. Also, liebe Autorinnen- und Autorenkollegen: Seid ruhig mal ein wenig selbstbewusster! Steht zu euren Werken und dem, was sie einzigartig machen!

Natürlich ist das einfacher gesagt, als getan. Aber auch hier gilt: Kleine Schritte führen auch zum Ziel. Ihr schreibt, habt aber noch nichts veröffentlicht? Egal, ihr dürft euch trotzdem als Autor bezeichnen. Nicht Hobby-Autor, nicht Schreiberling, nicht angehender Schriftsteller – sondern Autor. Klingt gut? Ist es auch!

Ihr habt eine schlechte Rezension erhalten und wollt das Schreiben nun für immer aufgeben? Keine Panik. Erst einmal tief durchatmen, den Artikel meiner lieben Schreibmeer-Kollegin Sabi lesen und dann die Rezension als das sehen, was sie ist: eine Meinung.

Euer innerer Kritiker lässt euch in Selbstzweifeln ertrinken? Sperrt ihn aus. Zeigt ihm, dass er nichts in einem ersten Entwurf verloren hat und lässt ihn erst wieder hinein, wenn die Überarbeitung ansteht. Und wenn das alles noch nichts nützt, kannst du dir hier noch ein paar Tipps holen.

Mein persönlicher Favorit, mit dem ihr euer Selbstbewusstsein als Autoren stärken könnt, ist übrigens ein Schreibtagebuch. So seht ihr, was ihr geleistet und erreicht habt. Denn ganz egal, was ihr schreibt – ihr schreibt. Und darauf könnt ihr stolz sein.


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Zum Weiterlesen:

Dilemma Testleser: Wie sag ich dem Autor, dass ich seine Geschichte nicht mag?
Der Durchhänger oder Bäh-Moment
»Du kannst das sowieso nicht!« - Vom Umgang mit dem inneren Kritiker

 


Evelyne Aschwanden wurde bereits als Kind vom Schreibvirus erfasst und erschafft seitdem fantastische und verrückte Welten auf Papier. Als Meisterin der Prokrastination und hoffnungslose Träumerin zwitschert sie unter @EvelyneC_A über die Höhen und Tiefen des Autorenlebens.



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