Überall wird suggeriert, man kann ganz einfach ein Buch schreiben. Man braucht nur eine gute Idee und muss sich jeden Tag hinsetzen. Aber kaum einer sagt einem, dass es mehr ist als das. Schreiben können, ist die eine Sache, das, was hinter dieser einfach klingenden Sache steht, etwas komplett anderes. Über einige Punkte habe ich schon im Schreibmeer gesprochen, zum Beispiel „Warum Schreiben als Hobby scheiße ist“ und „Warum Schreiben als Beruf scheiße ist“.
Wie bei vielen Autoren wurde auch bei mir der Wunsch, Geschichten niederzuschreiben, in der Kindheit bereits geweckt. Zunächst hat meine Mutter mir vorgelesen, dann begann ich selbst zu lesen, dachte mir Geschichten aus und schreib sie schließlich auf. Dieses Geschichten ausdenken war kinderleicht. Ich brachte sie einfach zu Papier, wie sie mir in den Sinn kamen. Niemals habe ich auch nur über Spannungsbögen oder Charakterentwicklung nachgedacht. Freunde, denen ich eine meiner Geschichten zeigte, waren begeistert und wollten wissen, wie es weiter geht. In den meisten Fällen steht man mit diesem schrägen Hobby aber ziemlich allein da, verheimlicht es sogar vor Freunden oder der Familie. Es ist eben ein eigenes Ding, das man eben tut. Und weil man es tut, wächst bei vielen der Wunsch heran, irgendwann ein Buch zu schreiben. Und ich glaube, dort fängt das Problem auch schon an.
Grund eins: Man schreibt nicht einfach nur ein Buch
In einem Buch steckt mehr Arbeit, als auf den ersten Blick zu vermuten ist. Ja, es muss geschrieben werden, doch das ist nur eine von vielen Aufgaben. Im Grunde genommen ein winzig kleiner Teil. Und wenn man es genau nimmt, und ich nehme es manchmal gerne sehr genau (zu genau) schreibt man gar kein Buch. Man schreibt einen Text. Im besten Fall eben über mehrere dutzend Seiten, diese vielleicht sogar in Kapitel unterteilt, damit es zumindest den Anschein eines Buches macht. So hat es jedenfalls auch bei mir angefangen. Klar spielte ich mit verschiedenen Satzarten, änderte die Schriftart, begann ein neues Kapitel auf einer neuen Seite, fügte Seitenzahlen ein, aber auch als Ausdruck ist dieser Text noch lange kein Buch.
Filme und Bücher über Schriftsteller verstärken diese Vorstellung. In der Serie „Californication“ leidet der Schriftsteller Hank Moody zwar an einigen Schreibblockaden, wenn er dann aber schreibt, ist es bereits die Rohfassung, die er an seinen Agenten weiterreicht. In der Serie „Gossip Girl“ ist Dan Humphrey der Autor, der seit fünf Jahren an einem Buch schreibt, welches letztlich von einem Verlag veröffentlicht wird. Auch im Film „Das geheime Fenster“ leidet der Protagonist Mort Rainey lediglich an einer Schreibblockade. Selten gibt es Hinweise darauf, dass zum Schreiben mehr dazu gehört.
Das Vorhaben, ein Buch zu schreiben, suggeriert, dass man das Buch schreibt und dann fertig ist. Besser wäre vielleicht zu sagen, ich schreibe einen Text, eine Geschichte, aus der dann irgendwann mal ein Buch werden kann. Dieses Ziel kann also gar nicht nicht durch das reine Schreiben erreicht werden. Ein Text muss geschrieben werden, aber damit aus diesem Text ein Buch wird, gehört noch viel Arbeit hineingesteckt. Im besten Fall durchläuft ein Text mehrere Überarbeitungsschritte, wird testgelesen, geht dann ins Lektorat und Korrektorat. Anschließend will der Text auch in eine Buchform gebracht werden, bekommt einen ansprechenden Satz und ein umwerfendes Cover.
Grund zwei: Schreiben muss man lernen
Schreiben lernen wir in der Schule. Dort wird uns beigebracht, wie Buchstaben zu formen sind, vielleicht üben wir gar das Kalligrafieschreiben oder Tippen mit 10-Fingern. Wir schreiben Aufsätze, Hausarbeiten und Klausuren, in der Uni später sogar unsere Abschlussarbeit. Uns ist bewusst, dass wir das wissenschaftliche Schreiben lernen müssen, denn, wenn man schon Schwierigkeiten hat, solche Texte zu verstehen, muss einiges dabei sein, sie auch zu schreiben. Klingt vollkommen logisch.
„Wenn etwas leicht zu lesen ist, dann war es, schwer zu schreiben.“ – Enrique Jardiel Poncela
Anders als in verschiedenen Filmen und Serien dargestellt, wird wohl kaum die erste Fassung der ersten beendeten Geschichte so gut sein, dass sie direkt veröffentlicht werden kann. Ja, auch ich habe viel lobendes und positives Feedback von Freunden zu meinen Geschichten bekommen, aber wenn ich mir jetzt anschaue, was ich vor mehr als zehn Jahren geschrieben habe, dann ... gibt es doch einiges zu verbessern.
Doch wo lernt man es, so zu schreiben, wie es für einen Roman angemessen ist? Sicherlich gibt es haufenweise Schreibratgeber oder -kurse, aber auch hier lauert schon der dritte Grund auf uns.
Grund drei: die Ratgeberfalle
So manch einer wird wohl ein Lied davon singen können und auch ich stimme mit ein. Man kennt jede Regel, jeden Anfängerfehler, den es zu vermeiden gilt, jede Struktur, nach der eine Geschichte aufgebaut sein kann, aber davon, ein Buch fertig zu schreiben, einen Roman zu veröffentlichen, ist man noch meilenweit entfernt. Warum?
Ich kann nur für mich sprechen. Sicherlich war es hilfreich, dass ich mich mit der Theorie über das Schreiben und verschiedenen Methoden beschäftigt habe, aber irgendwann komme ich um das unvermeidbare nicht herum, wenn ich ein Buch „schreiben“ möchte. Ich muss sich hinsetzen und schreiben.
Doch auch wenn man alle Schreibratgeber der Welt inhaliert hat, wird das Schreiben nicht leichter. Im Gegenteil: Mich hat es sogar blockiert und hat meine Kreativität ausgeschaltet. Ich war zu sehr in der Materie gefangen und bin immer noch dabei, mich mühsam da hinaus zu kämpfen.
Der vermutlich beste Tipp, den man jemanden geben kann, ist einfach machen. Schreiben, schreiben, schreiben. Das meint aber nicht einfach nur gedankenloses Herunterschreiben, sondern bewusstes Schreiben. Was uns auch schon zu Grund Nummer vier führt.
Grund vier: Wie schreibt man eigentlich ein Buch?
Fakt ist: Niemand kann dir sagen, wie du dein Buch zu schreiben hast. Vor Kurzem habe ich ein schönes Zitat von Gene Wolfe (auf Twitter von @AuthorWing geteilt) gesehen:
„Du wirst niemals lernen, wie man einen Roman schreibt. Du lernst immer nur, den Roman zu schreiben, an dem du gerade arbeitest.“
Dem ist nicht mehr viel hinzuzufügen.
Zwar gibt es auch dutzende Schreibkurse, doch auch diese können einem das eigentliche Schreiben nicht abnehmen. Und, dass das Schreiben eines Romans tatsächlich nicht so einfach sein kann, zeigt ja schon die Fülle an Kursen, Zeitschriften und Blogs, die sich damit beschäftigen – nicht zuletzt auch das Schreibmeer.
Letztendlich muss jeder selbst herausfinden, wie er am besten arbeiten kann. Ob es leichter ist, seine Geschichte zu planen oder einfach drauflos zu schreiben, kann niemand pauschal beantworten. Das ist eine höchst individuelle Vorgehensweise, die sich sogar von Projekt zu Projekt unterscheiden kann. Daraus ergibt sich:
Grund fünf: Es gibt kein Rezept
Frustrierend und erleichternd zugleich ist diese Erkenntnis für mich. Mehr kreative Freiheit geht doch nicht und — ich zitiere einen Tweet unserer Autorin Nadine:
„Denk daran: Egal, was du dir ausdenkst, irgendwo saßen Leute an einem Tisch und jemand hat Haie in einem Tornado vorgeschlagen und das Ding kriegt bald einen 6. Teil!“
Aber andererseits ist es umso schwerer, wenn man gar nicht genau sagen kann, was richtig und was falsch ist. Genau dieser Punkt ist es, der mich zum Beispiel verunsichert. Man muss eben rausgehen und die Geschichte erzählen, um zu wissen, ob sie ankommt oder eben nicht. Die Gefahr zu scheitern, ist zum Greifen nah und zu allem Unglück noch in der Öffentlichkeit. Allerdings kann man damit auch genau ins schwarze Treffen.
Grund sechs: Andere sind schneller als man selbst
Gerade, wenn man durch Grund fünf verunsichert ist, versucht man sich in irgendeiner Art und Weise, an anderen zu orientieren. In Zeiten von Social Media ist das extrem einfach. Das ist nur natürlich, aber birgt gleichzeitig auch die Gefahr, enorm frustriert zu werden. Gerade heute (als ich diesen Beitrag tippe), habe ich in meiner Facebook-Timeline einen Post von Isabell Schmitt-Egner gesehen, der diesen Grund thematisiert. Wer sich ein Netzwerk von Autoren aufbaut, wird zwangsläufig mit Posts zu Büchern und Neuerscheinungen bombardiert, Fotos von Verlagsverträgen und super tollen Rezensionen. Wenn ich mir überlege, wer in den letzten fünf Jahren, in denen ich aktiv netzwerke, schon alles vor mir veröffentlicht hat, mir könnte schlecht werden, wie wenig ich doch gebacken bekommen habe. Aber so arrogant es klingen mag: Neiden ist nicht mein Stil.
Ich weiß, dass es Gründe gibt, weswegen ich immer noch keinen Roman veröffentlicht habe. Und für jeden einzelnen könnte ich jemandem die Schuld in die Schuhe schieben. Das tue ich aber nicht, denn ich möchte weiter an meinem Ziel arbeiten. Wenn nämlich irgendwer anderes als ich die Ursache für mein „Versagen“ ist, dann kann ich so viel ranklotzen, wie ich will, ich kann es nicht ändern. Durch dieses Denken nehme ich mein Schicksal, meinen Erfolg selbst in die Hand und kann mit der anderen Hand meinen erfolgreichen Kollegen gratulieren.
Zu verstehen, dass es Zeit braucht, ein Buch zu „schreiben“ und zu lernen, wie man überhaupt schreibt, hat mich entspannter gemacht. Ich vergleiche es gern mit einer Ausbildung, denn wie oben schon geschrieben muss man erst mal lernen, wie man schreibt. Das bringt einem keiner einfach so bei. Wenn man keine Kurse besucht, dann bleibt einem nur übrig, es sich selbst beizubringen. Dabei können Fehler passieren, aus denen man lernen kann, wie man sie vermeidet. Außerdem kann immer etwas dazwischen kommen, was man nicht wirklich beeinflussen kann. Ein neuer Job, Familienzuwachs, ein sehr persönlicher Verlust. All das können Gründe sein, warum du nicht so schnell vorankommst, wie alle anderen. Ich merke auch gerne an, dass jeder andere Voraussetzungen hat. Wo der eine den ganzen Tag für seine Geschichten nutzen kann, während das Kleinkind 20 Stunden am Tag schläft, rennt der andere von Job zu Job, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und der nächste hat gar keine Verpflichtungen und muss nur für ein paar Stunden die Woche zur Uni. Vielleicht muss man sich auch erst in verschiedenen Genres ausprobieren, um seinen Weg zu finden. Dabei meine ich nicht nur Krimis, Liebesroman oder Fantasy, sondern auch Untergenre oder andere Gattungen wie Gedichte oder Kurzgeschichten.
Ich glaube, Selbstreflexion ist eine wichtige Fähigkeit, die man sich über die Jahre aneignen sollte, um sein Schreiben zu verbessern. Aber auch aufmerksames Lesen ist hilfreich. Wie machen andere Autoren das? Warum gefällt mir diese Szene/dieser Charakter so gut? Oder warum überhaupt nicht?
Grund sieben: Je mehr du schreibst, desto besser wirst du
Es gibt einen Punkt, an dem du merkst, dass das, was du bisher geschrieben hast, einfach schlecht ist. Es gefällt dir nicht, du findest alles scheiße, entdeckst an jeder Ecke Fehler und möchtest deine gesamten Texte am liebsten verbrennen, tief in der Erde verscharren und darauf eine Atombombe anzünden. Es ist deprimierend, das an seinen vergangenen Kreationen zu entdecken. Aber versuche es mal von der anderen Seite zu sehen: Wenn du diese Fehler jetzt erkennst, bist du besser geworden und wirst sie beim nächsten Mal nicht machen. Die schlechte Nachricht ist jedoch, du wirst immer besser werden, wenn du weiter schreibst und deswegen immer Fehler in dem finden, was du geschaffen hast. Versuche, dich davon abzugrenzen, einen Schlussstrich unter vergangene Texte zu ziehen, indem du dir sagst, dass du zu diesem Zeitpunkt dein Bestes gegeben hast. Mehr war einfach nicht möglich, weil du noch nicht gelernt hast, diese Fehler nicht zu machen.
Das sind meine sieben, ernst zu nehmenden Gründe, warum das „Schreiben“ eines Buches gar nicht so einfach, wenn überhaupt möglich, ist. Das Gute daran ist, wenn du sie kennst, dann kannst du dafür sorgen, dass sie nicht mehr die Ursache sind, um dich davon abzuhalten, dein Buch zu schreiben.
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Zum Weiterlesen:
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Tinka Beere liebt es, in andere Welten einzutauchen, und schreibt Geschichten mit einem fantastischen Touch. Darüber hinaus begeistert sie der Austausch mit anderen Autoren, denen sie mit hilfreichen Tipps gerne zur Seite steht. Auf Instagram nimmt sie uns als @tinkabeere mit durch ihren Alltag als Autorin.
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