Samstag, 1. September 2018

Die Einsamkeit beim Schreiben

Die Schreibmeer-Kolumne. Einmal im Monat dürfen unsere Autoren unter diesem Deckmantel aus den Tiefen des Schreibmeers blubbern.




Ich schreibe, und das war schon immer mein Traum. Ich sitze hier am Tisch, während die Sonne auf mich fällt, und hacke in die Tastatur meines treuen Laptops. Der VHS-Kurs „Maschineschreiben“ hat sich letztendlich neben dem Autofahren tatsächlich als das einzig Nützliche erwiesen, was ich als Teenager gelernt habe. Hätte ich dieses Argument nur schon in der Schule gehabt, denke ich, während ich immer noch in die Tastatur hacke. Die Sonne ist längst ums Haus herumgewandert, und dennoch sitze und schreibe ich unverdrossen in meiner eigenen kleinen Welt: Immerhin werde ich dafür bezahlt, weshalb ich vermute, dass ich auch gelesen werde, von irgendjemandem.




Von irgendjemandem, der keine Leserbriefe schreibt – oder doch nur sehr gelegentlich einmal. Bei weitem nicht oft genug, um mich die schreibende Einsamkeit vergessen zu lassen. Ja glauben denn die Leute, dass sie aus dem Schneider sind, wenn sie für ein Magazin bezahlt haben? Ist ihnen nicht klar, welche Verpflichtung sie mit dem Lesen eines Artikels oder einer Geschichte (mal ganz abgesehen von einem Roman!!) deren Autor*innen gegenüber eingehen und welche Verantwortung sie damit tragen? Wo seid ihr, und warum rührt ihr euch nicht?, denke ich, während der Abend graut. Ich erwarte ja keine Pralinen oder flüssigen Aufmerksamkeiten, keine Gedichte oder Ständchen unter dem Fenster - aber ist es denn zu viel verlangt, dass du mich auch einmal mit einem Feedback bedenkst – mich, die ich allein hier sitze und schreibe, während sich die Sonne um mich dreht?

Dieses Gefühl teilen wohl alle Schreiberlinge. Wir wollen nicht nur gelesen werden - wir wollen auch WISSEN, dass wir gelesen werden! Wir wollen wissen, wie unsere fantastischen Formulierungen, virtuosen Wortneuschöpfungen und bizarren Bilder bei der Leserschaft ankommen (ganz abgesehen von den abenteuerlich-abwegigen Alliterationen). Doch woher bekommt man das so bitter benötigte Feedback? Irgendwann kann man die eigenen Freunde nicht länger dazu zwingen, die Texte zu lesen, während man sie dabei mit Argusaugen beobachtet – auf Dauer erträgt das die beste Freundschaft nicht.


Um dem entgegenzuwirken, gibt es mehrere Möglichkeiten. Ich suchte in meiner Not die Poetry-Slam-Szene heim - wo die anderen in der Regel halb so alt sind wie ich. Das erfordert gesundes Selbstvertrauen – oder doch wenigstens die Fähigkeit zur Selbstironie, steht doch ein Kommentar dieser Art zu befürchten: „Kommen die zum Sterben jetzt schon vors Mikro?“. Also suchte ich mir ein gebildeteres, kultivierteres, sprich faltigeres, Publikum, wie es oft bei den Lesebühnen zu finden ist. Wer braucht da noch Leserbriefe, wenn es Freigetränke für die Vortragenden gibt?


Wieder andere schließen sich einem Literaturtreff, einem Autorenstammtisch oder einer Schreibwerkstatt im realen Leben an. Da lesen sie dann einander vor, was sie zwischen den Treffs fabriziert haben. Der Vorteil: Man hat ein verlässliches Publikum, das wohlwollend kommentiert, weil es bei den eigenen Texten ebenfalls auf die Gunst der Zuhörer*innen angewiesen ist. Der Nachteil: Man muss sich halt auch immer anhören, was die anderen geschrieben haben. Das kann gut sein, muss es aber nicht.

Und die Schlausten untern den Schreibenden schließen sich einer virtuellen Autorengruppe an – wie etwa dem Schreibmeer. Da gibt es Lektor*innen, die aufrichtige und kompetente Rückmeldung geben. Da liest man dann von dem, was die Kolleg*innen des Wortes so beschäftigt – und stellt fest: Einsam vor dem Schreibgerät sitzen wir alle. Wenn wir uns aber darüber austauschen, fühlen wir uns nicht ganz so allein. 







Die Schreibmeer-Kolumne. Einmal im Monat dürfen unsere Autoren unter diesem Deckmantel aus den Tiefen des Schreibmeers blubbern.
 

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