Willkommen zurück zu den Writing Excuses Nummer sechs. Die letzte Master Class in diesem Jahr. Bevor ich euch zum Jahresende im nächsten Artikel über ein Schreibseminar berichten werde, kümmern wir uns heute wieder ein wenig um die Gestaltung unserer Protagonisten. Mit den Autoren des Podcast werfen wir einen Blick über den Tellerrand des Weltenbaus und den daran beteiligten Charakteren.
Dabei ist es nicht einfach nur damit getan, eine kleine Gruppe von privilegierten Menschen in das Zentrum eurer Welt zu stellen. Achtet auf die Möglichkeiten und Geschichten, die Menschen außerhalb dieser Gruppe liefern können.
Was ist damit gemeint? Gastautor Max Gladstone erklärt es wie folgt:
In Fantsy und Science Fiction Universen ist die Welt zumeist um eine kleine Gruppe von Charakteren gebaut. Diese steht im Mittelpunkt, auf ihnen liegt das Hauptaugenmerk. Als Beispiel nennt Max Star Wars. Hier bilden die Jedi-Ritter diese kleine magische Gruppe. Sie sind im Grunde das Zentrum von Allem, was um sie herum passiert. Wenn man kein Jedi ist, befindet man sich in einer Art Randgebiet, ist ein Außenseiter, denn es dreht sich alles primär nur um sie, Luke, den Imperator und Darth Vader. Dies sind alles Hauptcharaktere, die ein vorgegebenes Schicksal binnen der Story haben. Die sogenannten „Magical 1 %“.
Aber das kann sehr schnell langweilig und vorhersehbar werden. Ihr müsst bedenken, dass alle dramatischen und interessanten Gegebenheiten außerhalb dieses Zentrum zu finden sind. Der Fokus auf einen Charakter, der nicht im Zentrum des Universums steht, ermöglicht viele neue Perspektiven. Im Star Wars Universum übernimmt Han Solo diese Rolle. Er ist kein Bestandteil der epischen Vorsehung. Trotzdem kann ein Blick auf seine Herkunft und seine Geschichte etwas mehr Pepp in die Story bringen. Ein Blick auf die „Un-Magical 99 %“ lohnt immer. Oft erfährt man Dinge, die während des Hauptplotts stattfinden und ihn indirekt sogar beeinflussen können. Meistens sind diese sogar in menschlicher Hinsicht viel interessanter, als die Charaktere mit den magischen Fähigkeiten.
Ihr könnt in diesen 99 % auch amüsante Themen beleuchten. Der Autor Brandon Sanderson erzählt von einem Webcomic, in dem es um den Friseur der Klingonen (aus Star Trek) geht. Fakt sei, dass es auch bei den Klingonen all diese Leute mit den 0815 Berufen wie ein Friseur geben muss. Aber wer ist er und wie ist er so? Während wir dem Hauptplot folgen, denken wir zumeist gar nicht darüber nach. Ich persönlich auch nicht.
Sagen wir uns nicht die ganze Zeit, dass wir, wenn wir eine eigene Welt kreieren, wir automatisch auch Charaktere darin erschaffen? Jeder Charakter ist der Held seiner eigenen Story in eben dieser Welt. Jedoch gibt es zwei unterschiedliche Wege, wie diese Helden fungieren.
1) Sie sind so lange der Held, bis sie, zum Beispiel, auf einen Jedi-Ritter treffen und dann realisieren, dass sie vielleicht doch nicht der Held sind.
2) Sie treffen auf einen Jedi-Ritter und denken: „Yeah, du bist ganz schön cool, aber ich bleibe der Held meiner Story.“
Vor allem Punkt zwei gibt euch die Möglichkeit, einem „Helden des Alltags“ die Chance zu geben, diese Story zu seiner Geschichte zu machen. Der Podcast gibt dafür ein wunderbares Beispiel. Darin geht es um ein Bauteam, das in Manhatten lebt und alle Gebäude wieder aufbaut, welche die Superhelden während ihres Kampfes zerstört haben. Diese Gruppe von Menschen sind andere Helden, als Captain America und Iron Man, aber sie sind für die Bevölkerung die eigentlichen Helden hinter der Civil War Storyline.
Meine Welt ist wie ein Charakter
Um eure erschaffene Welt so facettenreich wie möglich zu gestalten, könnt ihr sie euch wie einen Charakter vorstellen. Jeder eurer Charaktere hat unterschiedliche Wesenszüge. Diese machen ihn zu dem Individuum, welches er ist. Natürlich kann es gewollt sein, dass ein Charakter eher eindimensional rüber kommt, aber für ein Fantasy- oder SiFi-Epos würde das nur bedingt funktionieren, da dieser ansonsten sehr melodramatisch wirken würde. Einen solchen Epos solltet ihr durch die Augen eines der Charaktere sehen, ansonsten lauft ihr Gefahr, euch eventuell selbst zu parodieren.
Hierbei kann euch der sogenannte „Everyman“ behilflich sein. Dieser ist ein Charakter, der immer der Quest folgt und ein Teil der heroischen Action ist, ohne zu den „Magical 1%“ zu gehören. Ein solcher Everyman ist Sam aus Herr der Ringe. Für viele von euch vielleicht sogar der Lieblingscharakter. Aber warum? Er ist einfach nur der Gärtner. Er ist wie wir: auf den ersten Blick nichts Besonderes, eigentlich nicht zum Held gemacht. Jedoch ist er immer an Frodos Seite und vertritt die „Un-Magical 99%“. Er wird vielmehr von der Handlung mitgerissen, als dass er „der Auserwählte“ ist. Es ist durch den Plot einfach nicht vorgesehen, dass er den Ring erhält.
Ähnlich verhält es sich mit John McClane aus den „Stirb Langsam“ Filmen. Der Polizist stolpert jedes Mal eher unfreiwillig in einen Terroristen-und-Irre-bedrohen-die-Menschen-Plot. Herr der Ringe und Stirb Langsam sind zwei vollkommen unterschiedliche Filmarten, letzterer hat sogar recht wenig mit Fantasy zu tun. Zudem ist Herr der Ringe in erster Linie als Buch entstanden, womit wir zusätzlich auch zwei unterschiedliche Medien haben. Dennoch ist das Prinzip immer gleich. Es gibt einfach einen Charakter, der uns von Anfang an sympatisch ist, weil wir uns eher mit ihm identifizieren können, als mit den Helden. Der „Everyman“ wird auf seine Art zum Held.
An dieser Stelle können wir festhalten, dass es zu den auserwählten Helden, welche natürlich nur einen Bruchteil unserer Welt darstellen, auch einen Gegenpol geben muss. Mindestens ein Charakter, der nicht zu dem 1% gehört, sollte einen wesentlicher Bestandteil eures Plots sein. Schließlich besteht keine Welt nur aus Helden oder magisch veranlagten Wesen.
Im Rahmen eurer Schreibaufgabe könnt ihr nun eure Lieblingsfilme oder -bücher auf die magischen 1% und den „Everyman“ untersuchen. Anschließend kontrolliert ihr eure eigene Geschichte auf Helden und ihre Begleiter. Ihr könnt mir in den Kommentaren gerne Filme und Bücher nennen, in denen ihr diese Bestandteile gefunden habt.
Ich bin gespannt.
Eure Anki
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