Mittwoch, 15. November 2017

Die 7 miesesten Mythen, die dich am Schreiben hindern

Vielleicht schreibst du nur für dich und die Schreibtischschublade, was absolut in Ordnung ist. Aber vielleicht willst du auch mehr: ein Buch vollenden und veröffentlichen, deine Texte - ob Artikel, Gedichte oder Geschichten - in Magazinen abgedruckt sehen... und traust dich nicht, die nötigen Schritte dafür zu unternehmen. Denn damit, so fürchtest du, könntest du dich zu weit aus dem Fenster lehnen, könntest Ablehnung, Angriffe oder, fast noch schlimmer, Gleichgültigkeit riskieren. Wer schreibt, macht sich verletzlich - wie jeder, der einen Traum verfolgt. Wir sind so vertraut mit unserem inneren Kritiker, dass wir die Zahnbürste mit ihm teilen. „Das ist eh nicht zu schaffen!“, raunt er uns zu und nennt uns einen ganzen Schwung guter Gründe, warum das so ist.

Diese „Gründe“ sind meist Erfahrungswerte oder Glaubenssätze anderer Leute, die wir übernehmen, ohne sie zu hinterfragen, um unsere eigenen Ängste dahinter zu verstecken. Ich habe es lange genug selbst so gehalten. Während meines Studiums hatte ich mich nie um ein Praktikum bei der Zeitung beworben, weil „man dort ohne Kontakte nicht unterkommt“, wie mir alle versichert haben. Als ich es ganz zuletzt doch noch gewagt habe, hat sich dieser Spruch als haltloses Gerücht herausgestellt. Damals habe ich gelernt, dass ich nur den Erfahrungen trauen kann, die ich selbst mache, und die Geschichten anderer Leute, mit denen ich nur meine eigene Zögerlichkeit kaschieren möchte, getrost ignorieren kann.

Diese sieben Behauptungen, die man häufig hört, entpuppen sich bei näherer Betrachtung als pure Mythen. Gib ihnen keine Macht, indem du ihnen Glauben schenkst! 

Mythos #1: Ich habe eh nichts zu sagen.

Es kommt wirklich nicht auf das WAS an, sondern immer auf das WIE. Selbst die spektakulärste Heldentat ist an einen schlechten Erzähler verschwendet. Für gute Erzähler kann dagegen das alltäglichste Ereignis wie ein Wassertropfen sein, der einen ganzen Ozean enthält, wenn man ihn aufmerksam betrachtet und in die eigenen Worte kleidet. Das meiste von dem, was wir Menschen erleben, ist universal: Liebe brauchen wir immer, Verlust tut jedes Mal weh, Angst vor Prüfungen erfahren wir nicht nur in der Schule. Überlege, was dir am Herzen liegt, was du wirklich sagen WILLST, statt darüber zu grübeln, was eine gedachte Zielgruppe möglicherweise eventuell unter Umständen gern lesen würden.

Mythos #2: Auf Inspiration kann man sich nicht verlassen.

Inspiration ist so wenig zuverlässig wie die deutsche Bahn. Aber dieser Glaubenssatz impliziert, dass sie den wesentlichen Teil der Schreiberei ausmacht – und das ist reiner Humbug. Wie schon Einstein sagte, besteht Genie nur zu 1 % aus Talent. Satte 99 % sind harte Arbeit, die NIEMANDEM erspart bleibt. Sommerset Maugham meinte, er schreibe nur, wenn ihn die Muse küsse – was sie glücklicherweise jeden Morgen um 9 Uhr mache, wenn er sich an den Schreibtisch setze. Schaff der Inspiration also einen Rahmen, in dem sie willkommen ist: Schreibe zu regelmäßigen Zeiten, halte jede Idee unterwegs fest, lass dich von allem und jedem anregen oder schreibe auch mal ins Blaue hinein. Dann findet die Muse genügend Gelegenheiten, zu dir zu kommen, wenn sie denn mag.


Mythos #3: Es schreiben schon viel zu viele.

... und es blühen auch viel zu viele Blumen im Frühling und fallen viel zu viele Blätter im Herbst. Einzigartigkeit stellt sich anders dar: Du willst eine Blume sein, die den Betrachter erfreut, die so ist, wie keine andere, die ihren eigenen Duft verströmt. Da braucht es dich nicht zu kümmern, wenn du auf einer Wiese mit unzähligen anderen stehst. Du wirst, das kann ich dir garantieren, nicht jeden erreichen und auch nicht jedem gefallen. Aber niemand schreibt wie du, und deshalb wirst du Leser finden, die du berührst, wie es kein anderer kann. Eine Freundin von mir, die 45 Bücher veröffentlicht hat und in ihrem Heimatland sehr verehrt wird, sagt immer: „Ich schreibe nur für einen Leser. Wenn ich von diesem einen gelesen werde, hat sich die ganze Arbeit gelohnt.“ 


Mythos #4: Einen Text kriegt man nicht unter.

Die meisten Zeitschriften haben tatsächlich ihren festen Pool an freien Autoren. Aber nichts verändert sich so schnell wie die Medienlandschaft. Vielleicht ist dein Artikel, deine Story ja genau das, was gerade gesucht wird? Vielleicht wird intern umstrukturiert? Ein Artikelangebot von mir, das monatelang ohne Antwort blieb, wurde zum Türöffner für ein Magazin, als ein neuer Chefredakteur ans Ruder kam und eben dieses eine Thema behandeln wollte. Wenn du einen Artikel hast, dann kläre ab, in welche Magazine er passen würde. Schau dir an, wie die Artikel dieser Magazine aufgebaut sind – nichts ist peinlicher, als zu behaupten, einen Text speziell für XY geschrieben zu haben, wenn er eine völlig andere Struktur als alle XY-Texte aufweist. Scheue dich nicht, nachzufragen, wenn keine Rückmeldung kommt, bis du eine Antwort hast! Und versuche es ruhig auch wieder ein andermal, wenn es das eine Mal nicht geklappt hat. 


Mythos #5: Die Verlage lesen keine Manuskripte von No-Names.

Nicht meine Erfahrung. Ich habe auf eine Einsendung drei Rückmeldungen bekommen (aus denen dann allesamt aus verschiedenen Gründen nichts geworden ist ;-)). Die großen Verlage, die mit Manuskripten überflutet werden oder mit ihren Veröffentlichungen eh nur auf Nummer sicher gehen, lesen unverlangt eingesandte Artikel wahrscheinlich wirklich nicht. Aber weißt du, wie viele Verlage es gibt, die sich auf frische Autoren freuen? Deshalb: dranbleiben! Kleiner Tipp: vorab deren Webseite gründlich durchlesen, wie die Zusendung auszusehen hat, das variiert nämlich stark. Und wirklich ehrlich evaluieren, ob dein Werk überhaupt in deren Programm passt. Eventuell magst du dir ja eine Agentur suchen, wofür dann dasselbe gilt. Oder du veröffentlichst gleich im Eigenverlag – für viele gute Autoren inzwischen der Königsweg.


Mythos #6: Ohne Beziehungen geht gar nichts.

Die Tatsache, dass es mit Beziehungen leichter fällt, sich ins Gespräch zu bringen, ist eine der beliebtesten Ausreden dafür, es gar nicht erst zu versuchen. Es stimmt natürlich: Viele Leute schaffen es durch Vitamin B, einen Fuß in die gewünschte Tür zu bekommen, sei es durch die direkte Emailadresse eines Verlagslektors oder einen Telefontermin mit einer Chefredakteurin. Na und? Ein guter Kontakt kann dir den Steigbügel halten, aber reiten musst du selbst. Deshalb gibt es auch genügend Leute, die es allein mit Können und – enorm wichtig! - Beharrlichkeit und Ausdauer geschafft haben. Beziehungen können ersetzt werden, etwa durch Originalität und Durchhaltevermögen. Eine Möglichkeit wäre auch, sich Beziehungen selbst aufzubauen; online bieten sich zahlreiche Möglichkeiten dafür. Einer Redakteurin habe ich tatsächlich einmal ein Weihnachtsgeschenk geschickt – eine Kleinigkeit nur, aber ich wollte, dass mein Name so aus dem Meer der anderen Autorennamen positiv hervorsticht. Inzwischen sind wir per Du.


Mythos #7: Wenn es XY nicht geschafft hat, wie soll dann ich es schaffen?

Genau solche Fragen sind Schokoladentorte für unseren inneren Feigling. Natürlich kannst DU es nicht schaffen, wenn es A, B und C nicht geschafft haben, die doch so viel besser sind als du. Wenn du so denkst, kannst du deinen Traum vom Schreiben gleich knicken. Ich möchte hier nicht den Begriff des „Mindsets“ bemühen, sondern nur darauf hinweisen, dass ganz schön viele Faktoren zusammenspielen müssen, damit etwas, das gut ist, sich auch durchsetzt. Sehr oft ist es nur eine Frage dessen, ob dein Text zur richtigen Zeit auf dem richtigen Schreibtisch landet. Kennst du „Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten“? Autor R. M. Pirsig hat damit fette 121 Absagen kassiert, bevor es veröffentlicht und zum Bestseller wurde. Obendrauf bekam er dafür noch einen Eintrag im Guinessbuch der Rekorde. Hätte er nach Absage Nummer 120 die Segel gestrichen, hättest du gesagt: „Wie soll ich es schaffen, wenn es nicht mal Pirsig schafft?“ Bzw. eben nicht, denn du hättest nie von ihm gehört!

Das sind meine Erfahrungen. Deine können ganz anders ausfallen – aber machen solltest du auf jeden Fall selbst eigene, um sicher zu wissen, was für dich gilt. Deshalb wage es, alle Behauptungen, die dir um die Ohren geschlagen werden, selbst zu überprüfen: jedes einzelne Mal, in jedem individuellen Fall und so oft, bis du abgetragene, „gebrauchte“ Erfahrungen durch eigene, blitzblanke und nagelneue ersetzen kannst.

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Zum Weiterlesen:


Martina lebt in München und seit 2013 vom Schreiben und zwar beides sehr gern.
www.martinapahr.de
www.besterblogderwelt.de



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