Mittwoch, 19. Juli 2017

Studium und Autorendasein

Ich höre immer wieder von Menschen, die ein Studium aufnehmen und kurz darauf zumindest temporär das Schreiben einschränken oder ganz damit aufhören. Das ist immer sehr schade und ich frage mich, ob das wirklich daran liegt, dass das Studium so fordernd ist – je nach Fach durchaus möglich - oder daran, dass diese Menschen Studieren und Schreiben zwar gerne unter einen Hut bringen würden, aber an ihrer eigenen Zeiteinteilung scheitern.




Für beide Gruppen möchte ich mit meinem Artikel eine Hilfestellung geben. Dabei ist mir bewusst, dass jeder Mensch andere Möglichkeiten und Einschränkungen hat, sodass meine Tipps nicht immer 1:1 auf jede Situation übertragbar sind. Daher spreche ich in erster Linie darüber, was ich getan habe und wie mir das geholfen hat, viel zu schreiben.


Zu viel Uni, um zu schreiben

Gerade wer ein Fach mit vielen Praktika, vielen Hausarbeiten, Tutorien oder Laborzeiten studiert, dürfte das kennen: Man hat schlicht keine Zeit zum Schreiben und bis man nach Hause kommt, ist man so kaputt, dass man überhaupt keine Lust mehr hat, noch das Dokument zu öffnen und irgendetwas zu tüfteln.

Meine Lösung: Schreiben, während man an der Uni ist. Ich habe vor meinen digitalen Zeiten ohnehin immer einen oder mehrere Collegeblöcke bei mir gehabt, um den Stoff mitzuschreiben. Schon in der Schulzeit hatte ich dabei oft die Angewohnheit, Leerlaufzeiten (ich bin schon fertig mit einer Aufgabe, aber die Gruppe noch nicht oder ähnliche Gelegenheiten) zu nutzen, um den Block umzudrehen und von hinten eine Geschichte reinzuschreiben. Eine Gewohnheit, die ich an der Universität weitergeführt habe, indem ich entweder an meinem aktuellen Projekt geschrieben, geplottet oder Weltenbaudetails ausgearbeitet habe.

Selbst an einem noch so vollgepackten Unitag lassen sich immer irgendwo fünf bis zehn Minuten abzwacken, um sich hinzusetzen und einige Zeilen zu schreiben. Oder eine KG. Oder ein Gedicht.

Ich kenne Menschen, die bei Schreibtipps wie zum Beispiel „Stell dir eine Eieruhr und schreibe fünf Minuten“ sich dafür rechtfertigen, dass es sich für sie nicht lohnt, dass sie gar nicht so schnell in ihr Buch reinkommen, dass sie sich unter einer halben oder einer ganzen Stunde gar nicht erst hinsetzen brauchen. Aber mal ehrlich – wenn man überhaupt keine Zeit hat, aber das Schreibteufelchen so sehr zwickt, dass man Entzugserscheinungen bekommt und nur noch in Geschichten denken, träumen, leben kann, hat man vor allem für eins keine Zeit mehr: für Ausreden.

Flash Fiction – also Kurzgeschichten mit unter 2.000 Wörtern -, ein Haiku oder die Rohfassung eines Romanbeginns bekommt man auch in fünf Minuten hin, wenn der Leidensdruck so groß ist, dass man ohne das Schreiben nicht mehr leben kann.

Dann wird geschrieben, wo man kann und wann man kann.

Wem es zu verwirrend ist, den Collegeblock umzudrehen, kann stattdessen auch einfach ein kleines Notizbuch mitnehmen (habe ich später auch gemacht) oder gleich ganz zu den digitalen Varianten übergehen. Ich habe auf dem Netbook beispielsweise meine Unimitschriften in Wordpad und meine Romannotizen in Evernote geschrieben. Oder auf dem
Smartphone die Mitschriften in OneNote gespeichert, die Geschichten aber direkt in Word. Wichtig ist hierbei der Medienwechsel, der deutlich signalisiert, wo die Mitschriften hingehören und wo die eigenen Geschichten – dadurch kann auch das Gehirn „umswitchen“ und kommt nicht durcheinander.

Zu Hause kann man sich dann entscheiden, ob das Geschriebene (sofern es analog vorliegt) direkt abgetippt wird oder ob man das auf einen weniger stressigen Tag verlegt und dann die Ausbeute der letzten Tage am Stück abtippen möchte. Hat man es digital, kann man es aufrufen und in das eigentliche Textverarbeitungsprogramm übertragen.

Beides führte bei mir immer dazu, dass ich direkt wieder im Text drin war – und mit einer halbvollen Seite und bereits warmgeschriebenen Fingern legt es sich auch nach einem langen und stressigen Unitag doch viel besser los, als mit einer leeren Seite, nicht wahr?

Generell habe ich in meiner Studienzeit gerne die Macht der Cloud genutzt – wohnt man zu weit von der Universität entfernt, um für eine Freistunde heimzufahren, gibt es immer irgendwo einen freien Computer mit Internetzugang. Manchmal muss man nur etwas länger suchen oder sich anstellen. Und hat man Internet, hat man eine Cloud, von denen die meisten heute mit einer eigenen Textverarbeitung kommen. So habe ich Freistunden immer genutzt, um fast so komfortabel wie zu Hause über OneDrive in die Tasten zu hauen.

Aber nur fast.


Die Macht der Deadlines

Meine Bachelorarbeit in Philosophie schrieb ich ausgerechnet im November 2014 und es tat mir in der Seele weh, dass gefühlt alle Menschen um mich herum den NaNoWriMo mitgeschrieben haben. Nur ich nicht.

Allerdings hatte ich damals eine Deadline – ich habe einem kleinen Verlag versprochen, mein Manuskript spätestens im Dezember 2014 einzureichen. Eine Chance, die ich nicht verstreichen lassen durfte, denn immerhin fiel mein Buch so nicht unter „unverlangt eingesandt“ und würde garantiert geprüft werden. Allerdings erwies sich meine Schätzung, im November längst damit fertig zu sein, als zu optimistisch – es wurden dann doch mehr Fehler gefunden als ich erwartet habe und meine Überarbeitungszeit schwand dahin.

Meine Lösung bestand darin, „nur“ bis 23 Uhr an meiner Bachelorarbeit zu arbeiten und in der Zeit danach – also zwischen 23 Uhr und unter Umständen auch mal 1:30 am Morgen – an meinem Erstling zu werkeln.

Am Ende hatte ich beides: Einen Bachelorabschluss in Philosophie und einen Verlagsvertrag.


Gruppenzwang

Ich habe bereits den NaNoWriMo erwähnt und ich finde, jede*r schreibende Student*in muss den mindestens einmal im Leben mitgemacht haben. Wenn man nicht gerade eine Abschlussarbeit schreibt, fällt der auch noch vergleichsweise günstig:
An deutschen Universitäten gehen die Vorlesungen meist Mitte Oktober (für Erstsemestrige eine Woche früher) los. Das bedeutet für eine Teilnahme am NaNoWriMo:
  • Man kann die Referate und andere Studienleistungen so legen, dass sie entweder vor, kurz nach Beginn oder erst ein gutes Stück nach dem NaNoWriMo fällig sind
  • Es ist noch relativ nah am Semesterbeginn und je nachdem, wie groß das Studienordnungschaos ist, kann es auch im November noch vorkommen, dass die Dozent*innen Zeit mit dem Erklären von Formalia vergeuden, die euch nichts angehen – das ist geschenkte Schreibzeit
  • Nirgends lernt man als Autor*in so gut, selbst das kleinste Fitzelchen Freizeit in Schreibzeit umzuwandeln, wie im NaNoWriMo, wenn der Wordcount brennt 

Vor allem lernt man in dieser Zeit, wie es – zumindest für einen Monat – so ist, wenn man das eigene Leben komplett dem Schreiben unterordnet. Und man lernt auch, wie viel man unter Zeitdruck schaffen kann. Für Prokrastionation bleibt schlicht keine Zeit übrig und Universitätsaufgaben können nur in einem begrenzten Umfang geschoben werden: Hingehen, mitschreiben und aufpassen muss man schließlich trotzdem und je nach Fach sind auch schon mal wöchentliche Hausaufgaben fällig.

Selbst wenn es den einen oder anderen Durchhänger gibt – dadurch, dass gefühlt alle Autor*innen im November damit beschäftigt sind, einen Roman zu schreiben, entsteht ein großartiger Gruppensog und man kann gar nicht anders, als motiviert zu sein.

Aber auch kleinere Challenges können helfen – ich habe mit einer Freundin ausgemacht, dass wir trotz akuter Zeitnot mindestens 200 Wörter am Tag (ca. eine Normseite) schreiben. Wir haben uns gegenseitig motiviert und angetrieben, es zu schaffen. Mit Erfolg.

Man kann auch gerne mit 100 Wörtern am Tag als Mindestsoll anfangen. Hauptsache, es gibt einen Grund, sich hinzusetzen und wenigstens ein bisschen zu schreiben. Auch 100 Wörter am Tag ergeben irgendwann ein Buch, es dauert nur etwas länger.


Alles nur leeres Gewäsch, oder …

Tipps sind nur so viel wert, wie die Menschen, von denen diese Tipps stammen. Das ist mir bewusst. Daher eine kleine Auflistung, was ich während meines Studiums geschafft habe, obwohl ich zwischendurch auch mal ein Semester mit 17 Präsenzfächern pro Woche gewuppt habe und in meinem Bachelorstudium für Praktika mehrere Wochen an verschiedenen Schulen war.
  • Überarbeitung meines Debütromans, inklusive „verlagsfertig machen“ und mit Exposé bewerben (2012-2014)
  • Die Rohfassung einer neunbändigen Vampirreihe (2015 – ich habe alle neun Bücher abzüglich einer Pause im August zwischen Februar und November geschrieben)
  • Die Rohfassung einer dystopischen Novelle (November 2015)
  • Die Rohfassung (Oktober 2016) und subsequente Überarbeitungen eines für das Selfpublishing vorgesehenen Titels (2017)
  • Die Überarbeitung meiner neunbändigen Vampirreihe (2016-2017)
  • Die Rohfassung von Band 1 einer neuen Vampirreihe (November 2016)
  • Etliche Kurzgeschichten, darunter einige veröffentlicht 

Aber das habe ich nur geschafft, weil ich in jeder freien Minute, die sich mir im Studium bot, immerzu gearbeitet und an meinen Texten gewerkelt habe. Dabei lernte ich sehr viel über Arbeitstechniken, die für mich beste Zeiteinteilung, Durchhaltevermögen und wie viel Kaffee ich trinken muss, um auch mal ein paar Tage mit nur fünf Stunden Schlaf auszukommen.

Aber das war es wert.

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Zum Weiterlesen:



Alphaleserin, Forumsadministratorin, Entdeckerin, Trilogie-in-X-Bänden-Autorin, Chara-Dichterin, Neologistin, Polyglotin... und ein Fan kurioser Worte. Sie bloggt über das Autorendasein, Bücher und den Weltenbau.


2 Kommentare:

  1. Immer dranbleiben. Das ist das Erfolgsgeheimnis :-)

    Noch ein Tipp: Weniger Social Media ;-)

    Auch Morgens schreiben klappt gut - halbe Stunde, eine Seite, egal. Dann erst zur Uni.

    Lg

    Bruno

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    1. Social Media lässt sich nicht immer vermeiden. Ich habe mir beispielsweise Facebook eigentlich nur wegen des Studiums zugelegt, da ich als Verweigerin immer die war, wegen der alle stöhnend gesagt haben "Okay, wegen DER machen wir halt altmodisch eine Mailingliste..." und ich mir das irgendwann nicht mehr länger anhören wollte.
      Davor war ich bis 2012 facebooklos glücklich.
      Aber wenn man es schon hat, kann man ja auch gleich eine Seite für die eigene Schreibtätigkeit anlegen und mal ein wenig netzwerken, wenn man ohnehin dort sein muss...

      Wobei ich überhaupt keine Morgenschreiberin bin (ich bin eigentlich eher eine Eule und sitze dann lieber bis 1:30 dran als um 7:00), aber wenn man am nächsten Tag Uni um 8:15 hatte und dafür als Pendlerin schon um sechs Uhr irgendwas vor dem Haus stehen muss, ist nichts mit bis spät in die Nacht schreiben, aber morgens will man dann auch nicht, dann will man im Bus eigentlich lieber den Schlaf nachholen...
      (Habe ich nicht getan. Ich habe dann stattdessen doch geschrieben, weil ich in Nahverkehrsbussen schlicht nicht schreiben kann :D )
      Für andere klappt das wunderbar, dass sie eine Stunde eher aufstehen und vor der Uni schreiben - aber die gehen dann nicht um 1 ins Bett, sondern um 21 Uhr. (Und ja, es gibt wirklich Student*innen, die das tun...)

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