Samstag, 17. Juni 2017

Protagonist vs. PoV

Wer an einer Geschichte schreibt und sich mit anderen Autoren austauscht, kommt früher oder später an den Punkt, an dem er gefragt wird, wer denn sein Protagonist ist. Und nicht selten besteht die Antwort aus mehreren Namen.



Etwas, das faktisch zwar nicht unmöglich ist, aber gerade für unerfahrene Autoren der beste Weg ist, sich in seiner Geschichte zu verzetteln.


Was ist denn eigentlich ein Protagonist?

Protagonist (πρωταγωνιστής → protagonistes), aus dem Griechischen stammend, setzt sich aus zwei Wortteilen zusammen, protos (der Erste) und ago (bewegen, führen, handeln).

Damit ist nicht ausschließlich gemeint, dass der Protagonist die aktivste Figur ist, auch wenn das wünschenswert ist, denn ein aktiver Protagonist ist einfach interessanter. Hauptsächlich bedeutet es aber, dass der führende Plot der Geschichte gleichzeitig die Geschichte dieser Figur ist. Der Protagonist macht eine bedeutende Entwicklung in der Geschichte durch.´


Was unterscheidet den Protagonisten nun vom PoV?

Der PoV, die Perspektivfigur, muss nicht unbedingt derjenige sein, dessen Geschichte erzählt wird. Es ist sogar möglich, dass gar nicht aus der Perspektive des Protagonisten erzählt wird, sondern nur aus der einer oder mehrerer Figuren um den Protagonisten herum. Ebenso kann der Protagonist eine Perspektive haben, doch zusätzlich die Geschichte aus weiteren Perspektiven beleuchtet werden.


Doch warum sollte man nicht die Geschichten mehrerer Figuren in einer Geschichte erzählen?

Das darf man, gar keine Frage. Doch eine sollte dabei immer im Vordergrund stehen, gerade für unerfahrene Autoren.

Den Plotstrang für eine Figur aufzubauen, ist oft schon eine große Aufgabe. Wenn man nun weitere Plots mit derselben Gewichtung hinzufügt, entwickelt man irgendwann ein so komplexes Konstrukt, in dem man selbst das Ziel aus den Augen verliert. Oder jeder einzelne Strang wird durch die anderen in den Hintergrund gedrängt und keiner erfährt die Aufmerksamkeit, die er eigentlich verdient. Ebenso kann das für den Leser schnell unübersichtlich werden, denn er ist es gewöhnt, einer Haupthandlung zu folgen, um die sich weitere kleinere Handlungen ranken.

An diesem Punkt ist es sinnvoller zu trennen und gegebenenfalls zwei oder auch noch mehr Geschichten daraus zu machen.


Aber was ist denn mit den Figuren, die ständig diese eine Figur umgeben und genauso im Vordergrund stehen? Sind das nicht eigentlich auch irgendwie Protagonisten?

Jein.

Sie sind nahe dran, aber eben doch nicht ganz so im Vordergrund. Und es ist nicht ihre Geschichte, die erzählt wird, nicht ihre Entwicklung.

Gibt es in Geschichten eine Figur, die knapp nach dem Protagonisten steht und fast genauso viel Raum einnimmt, ist das der Deuteragonist. Hinter ihm folgt der Tritagonist.

Eine häufige Rolle des Deuteragonisten ist der sogenannte Sidekick. Gern ist das der beste Freund des Protagonisten.

Also, fangt klein an. Nehmt euch eine Figur, deren Geschichte ihr erzählen wollt. Sie ist euer Protagonist

Gebt diesem tolle weitere Figuren hinzu, die auch eine eigene, aber weniger schwer gewichtete Geschichte mitbringen können, die Nebenplots. Die sich im Finale oder durchaus auch schon mal mitten in der Geschichte mit dem Hauptplot verbinden.

Und wenn ihr dann wollt, erzählt die Geschichten aus verschiedenen Perspektiven. Damit baut ihr eine solide Geschichte auf, die trotzdem durch die Sicht mehrerer Figuren erzählt wird. Die Geschichte eines Protagonisten, erzählt von mehreren PoVs.

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Zum Weiterlesen:



Mel lebt als bislang unveröffentlichte Autorin in Berlin und arbeitet seit ein paar Jahren regelmäßig an Romanprojekten, in denen sie mit jedem neuen ihre Fähigkeiten des Schreibhandwerks zu verbessern lernt. Wer sich mit ihr austauschen möchte, kann sie hier finden.



2 Kommentare:

  1. Mein Beispiel dafür, dass der Protagonist und der Erzähler oder Focaliser (= PoV Charakter) nicht dieselbe Person sein müssen, ist immer Sherlock Holmes.

    Da ist nämlich Sherlock eindeutig der Protagonist (er ermittelt und klärt die Fälle auf), aber der Erzähler/Focaliser ist Dr. Watson.

    Unter anderem deshalb, weil wir uns mit dem normalen, bodenständigen Doktor besser identifizieren können als mit dem oft recht abgehobenen Sherlock, und weil dadurch die Spannung länger erhalten bleibt (Sherlock weiss ja oft die Lösung, bevor Watson überhaupt nur anfängt, die Hinweise zu verstehen).

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    1. Da hast du Recht. Ich kenne Sherlock Holmes aber nur aus Erzählungen, deswegen habe ich mich auf dieses Terrain nicht gewagt.

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