Samstag, 24. Juni 2017

Diversity – Das kleine Umdenken

In den letzten Wochen bin ich immer wieder darauf gestoßen, dass Leser sich über die Diversity in Büchern, also die Vielfalt, beschwert haben.

Doch was umfasst diese Vielfalt alles? Wie gehe ich als Autor/-in damit um? In meinem Kopf hat dieser Beitrag als Rant begonnen und nun hoffe ich, das Ganze etwas differenzierter betrachten zu können.


Definition

Der Duden sagt: Fülle von verschiedenen Arten, Formen o. Ä., in denen etwas Bestimmtes vorhanden ist, vorkommt, sich manifestiert; große Mannigfaltigkeit

Wikipedia sagt zu (kultureller) Vielfalt: Unter kultureller Vielfalt versteht man die Existenz von vielfältigen Identitäten und Kulturen innerhalb und zwischen menschlichen Gruppen und Gesellschaften.

Schnell wird klar: Das Wort „Viel“ ist Programm in der Bedeutung. Wo Vielfalt herrscht, gibt es unglaublich viele Dinge einer Kategorie/Art/Form.

Doch wo vermissen Leser das? Bei den Figuren nämlich.


Die Charaktere

Jeder kennt diese Stereotypischen weißen, jungen Mädchen, meist rothaarig, die in vielen Young Adult Büchern herumlaufen. Nur 1 – 2 Prozent der Menschen haben natürliches rotes Haar. Warum zur Hölle häuft sich das so überproportional? Es ist nichts Besonderes mehr, wenn diese Mädchen rote Haare haben.

Doch das ist nicht der springende Punkt, auf den ich hinaus wollte. Ich nenne euch ein weiteres Beispiel.
Der männliche Hauptcharakter ist groß, schlank, sportlich, weiß und vor allem sehr attraktiv. Entweder das, oder er ist ein sexy Nerd, der völlig aus der Masse verrückter Informatiker heraussticht.
Dann haben wir hier noch die Zicke: Ein sehr hübsches Mädchen. Meist langes Haar, eine große Oberweite, weiß und nicht besonders Intelligent.

Gehen wir in den Bereich Fantasy.

Von der Grundbeschreibung unterschiedet sich unser Heldenpärchen gar nicht von dem des Young Adult Buches. Sie ist zierlich, hübsch, stark, weiß und hat eine besondere Fähigkeit.
Er ist extrem attraktiv, kämpferisch begabt, weiß, groß und hat ebenfalls eine besondere Fähigkeit.
Der Bösewicht ist böse, weiß, sehr mächtig und darauf aus, die Welt zu beherrschen.

Das Spielchen kann ich jetzt noch sehr lange weiter spielen, aber ich denke ihr habt es alle verstanden. Alle diese Figuren sind weiß!
Das höchste der Gefühle, aus den Büchern, die ich gelesen habe sind Figuren die italienischer, lateinamerikanischer oder spanischer Abstammung sind, aber so richtig dunkelhäutige Figuren? Komplette Fehlanzeige. Mir fällt spontan ein Buch ein (Ich besitze ca. 1000 Bücher), dass ich gelesen habe, in dem es eine dunkelhäutige Hauptfigur gibt. Sie ist halb Japanerin und halb Afroamerikanerin.


ABER

Die Autorin ist selbst dunkelhäutig. Macht es das jetzt schlechter? Mit Sicherheit nicht! Es ist nur ein weiterer Punkt auf meiner Liste. Es sollte egal sein, welche Hautfarbe meine Figur hat. Es sollte mehr Figuren aus den unterschiedlichsten Völkern geben. Bücher über dunkelhäutige Teenager und Studenten sollten sich genauso gut verkaufen, wie die über weiße, denn das Gefühlsleben der Person bleibt doch bis zu einem gewissen Punkt gleich! Die Hautfarbe bringt sogar noch ein durchaus spannendes Konfliktpotential und damit meine ich nicht Rassismus, sondern die Bräuche der verschiedensten Kulturen. Schönheitsideale, Werte und Glaubenseinstellungen.

Ich finde es traurig, dass der Eindruck entsteht, wir könnten uns nur in weiße Figuren hineinversetzten.

Natürlich kann man jetzt auch sagen, das weiße Mädchen aus dem letzten Bauernkaff aus Franken kann gut reden! Ja klar kann ich das, doch ich hoffe, dass es nicht nur beim Reden bleibt. Die weibliche Hauptfigur in meinem Fantasyroman (ich wünschte es wäre ein Epos) ist dunkelhäutig und eine ausgesprochen starke Frau. Ich gebe zu, erst war sie weiß, doch das fand ich nicht gut. Ich möchte meine Geschichte in einer Welt spielen lassen, in der „Rassen“ keine Rolle spielen.



Rassismus in Büchern

Wie schnell ein Buch den Rassismus-Stempel bekommt, hat man bei dem neuen Buch von Veronica Roth gesehen. In „Der Rat der Neun“ gibt es ein sehr kriegerisches Volk, das eine der Hauptfiguren entführt. Dieses Volk ist plump, brutal, grausam und vor allem schwarz.

Ich selbst habe mich, auf Grund von verschiedenen Rezensionen, dazu entschieden das Buch nicht zu lesen. Es gibt mittlerweile zwei Lager, die sich da mehr oder weniger friedlich Gegenüber stehen und eine komplett gegensätzliche Meinung vertreten. Ich will hier an dieser Stelle auch gar nicht großartig in eine Debatte einsteigen, denn das Thema ist so komplex, das ich es in diesem Beitrag gar nicht ganz erfassen kann. Trotzdem wollte ich es nicht unerwähnt lassen.

Man kann natürlich sein „böses“ Volk so gestalten und man kann auch sein weißes Volk als besser, klüger und was weiß ich was, beschreiben. Allerdings sollte man sich dann im Klaren sein, dass dies nicht bei allen positiv ankommt. Alles wäre meiner Meinung nach nur halb so schlimm gewesen, wenn beide Völker Schwächen und Stärken gehabt hätten und sie nicht so lieblos gezeichnet worden wären. Etwas mehr Vielfalt und differenziertes Verhalten hätte beiden Völkern gut getan. Sie wirken für mich nicht komplett ausgearbeitet und das wird der Autorin an dieser Stelle zum Verhängnis. Selbst wenn sie ganz ausgearbeitet wurden, frage ich mich, welcher Lektor das so unreflektiert durchgewunken hat.

Überlegt euch gut, wie ihr eure Völker/Figuren gestaltet. Baut euch eine fundierte Hintergrundgeschichte dazu auf und lasst ihnen Raum, um mehrdimensional zu werden. Eine eindimensionale Figur kann euch nur das Genick brechen! Ist es denn so wichtig, dass die böse Rasse dunkelhäutig ist, oder dient es nur, um die beiden Völker zu unterschieden? Wenn ja, dann streicht es sofort und denkt euch was Besseres aus. Setzt euch mit euren Lesern auseinander, was ist eure Zielgruppe. Solche Texte können nämlich ganz schön verletzend sein und gerade Menschen mit dunkler Hautfarbe werden jeden Tag mit dem Alltagsrassismus vieler Menschen konfrontiert, da müssen wir doch nicht auch noch in diese Kerbe schlagen. Als Künstler, die mit Worten umgehen wollen, müssen wir einen besseren Weg finden, als weiß und schwarz.



Sexualität

Die Vielfalt streckt sich aber noch viel weiter, als nur die Hautfarbe oder ethnische Herkunft. Sexualität spielt ja gerade in Young Adult Büchern eine große Rolle, immerhin ist die weibliche Hauptfigur nicht selten noch Jungfrau. Auch so ein Stereotyp, aber für jetzt eher unwichtig.

Es gibt vielleicht noch den schwulen, besten Freund oder die lesbische beste Freundin. Meistens sind die aber leider so seltsam und klischeehaft, dass es mir in den Augen weh tut.

Wer jetzt sagt: „Dann lies doch Gay-Bücher und heul hier nicht rum!“ Ihr könnt gehen, danke! Klar könnte ich mich diesem Bereich zu wenden, habe ich auch. Das ändert aber an den Tatsachen nichts. Sexualität spielt zum Beispiel bei Fantasy keine große Rolle, warum also nicht mal eine wichtige Figur nicht heterosexuell machen?

Es gibt so viele Möglichkeiten, so viel ungenutztes Konfliktpotential und schon so viel Mist zu lesen. Ich habe mich an Büchern versucht, die alle möglichen Formen der Liebe vertreten haben und ich muss ehrlich sagen: Ja es gibt viel Schlechtes dabei, aber auch einiges sehr schönes. Doch ganz selten wird das von einem großen „Mainstream“-Verlag dann auch verlegt. Klar, ich will auch kein schlechtes Buch mit einem heterosexuellen Pärchen lesen, aber warum gibt es so wenig wirklich gute Bücher mit anderen Formen der Liebe?

Natürlich kann man jetzt anmerken, das sich über Geschmack sehr gut streiten lässt, aber die Quoten-Homosexuellen aus dem Young Adult-Genre können auch gestrichen werden, denn diese spiegeln ein sehr einseitig verzerrtes Weltbild wieder. Es versteht sich von selbst, dass man in einem Buch nicht alle Facetten einfangen kann, aber ein bisschen Mühe sollte man sich trotzdem geben.

Es wäre schön, wenn diese Figuren nicht so sehr in ihre Rolle gepresst werden, sondern einfach normale, lustige junge Menschen sein dürfen, die halt zufälligerweise auf das gleiche Geschlecht stehen. Was ist denn schon dabei?



Was erwarte ich von Autoren und Schreiberlingen?

Macht euch Gedanken! Schaut über den Tellerrand und versucht, anders zu sein. Wirklich niemand verlangt, dass nun auf Biegen und Brechen alle Bücher verändert werden müssen, aber gebt euch selbst die Chance etwas Neues auszuprobieren. Geht eure Ideen vielleicht etwas differenzierter an. Überlegt euch, ob ihr euch vielleicht vorstellen könnt, einfach mal eine Kleinigkeit etwas anders zu schreiben. Ändert den Blickwinkel auf eure Ideen. Vielleicht fördert es eure Kreativität, wenn nicht, dann habt ihr es wenigstens versucht.

Ich möchte nicht, dass sich Autoren dazu zwingen, Bücher zu schreiben, die den Standards von anderen Menschen entsprechen. Ich bin der Meinung, als Autor schreibt man in erster Linie für sich selbst, zumindest ist das meine Devise. Ihr müsst keinen dunkelhäutigen Protagonisten haben der sich seiner Sexualität noch nicht so sicher ist, aber ihr solltet euch auch nicht in verkappte und alte Rollenbilder quetschen, die schon vor 70 Jahren ausgelutscht und nicht mehr tragbar waren.

Eigentlich erwarte ich nur, dass ihr es versucht und zumindest einmal darüber nachdenkt. Vielleicht, wer weiß, ergibt sich am Ende ja etwas ganz tolles und ihr habt DIE Idee überhaupt. Ich würde es mir wünschen.

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Zum Weiterlesen:



Valarauco bloggt außerdem auf: Valaraucos Buchstabenmeer



7 Kommentare:

  1. Ein sehr guter Artikel, und auch ein sehr wichtiger!

    Viele Autoren vermeiden ja verschiedene Hautfarben ganz (oder fast ganz, eine Nebenfigur darf natürlich dabei sein, die nicht weiss ist), oft auch weil sie Angst haben, einen Fehler zu machen und sich den Vorwurf von Rassismus gefallen lassen zu müssen.

    Ein Webcomic, den ich lange verfolgt habe und dessen Setting von Europa um 1800 inspiriert war, hatte mit einem echten Shitstorm zu kämpfen, als die Autorinnen sich spontan entschieden, eine farbige Figur auftauchen zu lassen - ein Dienstmädchen. (Alle anderen Figuren bis dahin waren weiss. Das Problem war nicht, dass es eine Nebenfigur war, sondern eben eine Dienerin.)

    Und auch was du zum Thema Sexualität sagst, kann ich sehr gut nachvollziehen. Meine männlichen Protas verlieben sich oft in andere Männer oder Figuren, deren Geschlecht nicht so ganz klar ist (also Gay/Queer Romance) - allerdings ist das so gut wie nie der Fokus der Geschichte, sondern immer eine Nebenhandlung bzw. der Subplot.

    Leider höre ich dann oft von Verlagen, die Fantasy oder Spannungsliteratur führen und bei denen mein Mainplot perfekt passen würde, dass ich mich doch auf Grund dieser Tatsache an einen "spezialisierten" Verlag wenden soll und nicht in ihr Verlagsprogramm passe. Und "spezialisierte" Verlage erwarten dann meist einen stärkeren Fokus auf der Beziehung und mehr bzw. explizitere erotische Szenen.

    Ich falle da also irgendwie zwischen die Stühle und würde mir wünschen, dass es mehr Verlage gäbe, die die sexuelle Orientierung einfach als Tatsache sehen - wie die Augenfarbe oder bestimmte Charaktereigenschaften - und nicht als Fokus oder No-Go.

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    1. Vielen Dank für dein Lob! Ich freu mich, dass dir der Artikel gefallen hat.
      Hautfarbe scheint in Büchern ein recht großes Problem zu sein und gerade das nicht damit auseinandersetzen finde ich sehr schwierig. Die Hautfarbe sollte einfach keine große Rolle spielen :)
      Was den Webcomic betrifft kann ich den Shitstorm einerseits verstehen, aber andererseits war es vielleicht gar nicht so unwahrscheinlich, das die Dienerin eine dunkle Hautfarbe hatte. Trotzdem denke ich sollte man da nicht aufgeben.

      Sexualität ist in großen Verlagen ganz wichtig. In einer Geschichte von mir sollten sich auch zwei Frauen verlieben, fand ich irgendwie cooler, als den Male-Main-Charakter. Letzten Endes habe ich diesen Handlungsstrang dann gestrichen, weil ich am Ende bemerkt habe, dass ich ihn total vernachlässigt hatte und auch, weil einfach viele gesagt haben, dass es schwer werden könnte, das dann an einen Verlag zu verkaufen. Ich finde es sehr schade.
      Trotzdem muss ich sagen, dass ich auch ehrlicherweise einfach viele "Gay-Bücher" furchtbar schlecht finde und diese auch vor Klischees nur so triefen. Ich wünsche mir einfach, dass es da ein bisschen mehr guten Content gibt ^^
      Liebe Grüße,
      Valarauco

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  3. Ich finde deinen Beitrag zum Thema Diversity wirklich klasse!

    Man merkt, dass es immer wichtiger wird und die Stimmen von Lesern lauter werden, die sich kaum in Geschichten wiederfinden. Ich bin selbst Afro-Deutsche und kenne dieses Problem allzu gut. Gleichzeitig scheint es aber auch ein richtiges Minenfeld zu sein, was einige Autoren (meiner Meinung nach nicht alle zu recht) leider schon zu spüren bekommen haben. Gerade der englischsprachige Raum und Goodreads steckt ja in einer ordentlichen und hitzigen Debatte.

    Ich bin sehr gespannt, wie sich das noch hier bei uns entwickeln wird. Auf Anhieb fallen mir aber kaum Charaktere deutscher AutorInnen ein, die nicht weiß sind.
    Und ich finde es auch sehr schade, dass man als AutorIn eigentlich schon davon ausgehen kann, dass man bei keinem größeren Verlag landet, gibt es ein gleichgeschlechtliches Paar in der Story. Ich schreibe selbst und habe für eine Geschichte, in der sich meine zwei männlichen Protas ineinander verlieben, ehrlich gesagt wenig Hoffnung einen Platz zu finden.

    Das Thema ist nicht einfach, man kann vieles falsch machen, ABER das ändert nichts daran, dass es wichtig ist. Ich wünsche mir wirklich, dass deutsche Verlage stärker darauf aufmerksam werden, und in dem Bereich dann nicht nur auf erprobte Lizenzeinkäufe wie "The Hate U Give" zurückgreifen, sondern auch auf einheimische AutorInnen eingehen, die ebenfalls etwas zum Thema Diversity beitragen wollen.

    Liebe Grüße
    Effi

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    1. Danke für deinen tollen Beitrag. Ich stimme dir komplett zu. Gerade auf "unserem" Buchmarkt sieht es noch etwas Mau aus, allerdings finde ich es schon mal gut, dass Bücher wie "The Hate U Give" gekauft und veröffentlicht werden. Es ist ein erster Schritt, wenn auch ein kleiner :)
      Liebe Grüße,
      Valarauco

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  4. Prinzipiell finde ich den Artikel gut, zudem gebe ich dir recht, man sollte drüber nachdenken, etwas anders zu machen.
    Anderseits denke ich mir, wenn ich keine Ahnung von Homosexualität habe, sollte ich auch die Finger von lassen. Das gilt natürlich auch für andere Themen. Denn dann kommt halt nur Klischees bei raus. Ich kann schließlich keine gute Krimi-Serie schreiben, wenn ich das Genre/Thema selbst nicht mag/auskenne.

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    1. Vielen Dank für deinen Kommentar. Du hast vollkommen recht, ich glaube das habe ich in meinem Artikel nicht so gut zur Geltung gebracht. Natürlich erwartet niemand, dass jetzt jeder Autor super differenziert über alles schreibt. Es ist wie du sagst, wenn man keine Ahnung hat, sollte man vielleicht die Finger davon lassen. Andererseits kann man allerdings auch sagen, mit guter Recherche kann man sich zu beinahe jedem Thema wissen anlesen.

      Ich wollte mit dem Artikel nicht ausdrücken, dass jeder jetzt so schreiben muss/sollte, sondern einfach einen kleinen Denkanstoß bieten.
      Liebe Grüße,
      Valarauco

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