Besonders viele junge Mädchen scheinen hier jedoch ein Bild vor Augen bzw. einen Traum zu haben, bei dem man einfach mal in ein paar Stunden, geleitet vom Genius und der Muse, schreibt, das Ding einem Verlag schickt, der sofort die Genialität des Werkes erkennt, und dann das Überraschungsnachwuchstalent des Jahrhunderts wird. Diese Gruppe fällt dann dadurch auf, dass sie in diversen Schreibgruppen und -foren nach Motivation suchen. Und weil das vielen dort so geht, nimmt da niemand Anstoß dran oder hinterfragt das. Aber man sollte es dringend hinterfragen, denn übereinstimmend sagen alle mir bekannten Autoren, dass das Wichtigste der Spaß beim Schreiben ist. Nun frage ich mich, warum man Motivation braucht, wenn einem eine Sache Spaß macht? Viele scheinen hier das Ziel mit dem Antrieb zu verwechseln. Ein Traum ist ein Ziel, das in weiter Ferne ist. Aber um dorthin zu kommen, muss man viel arbeiten - und es ist eine Arbeit, für die man nicht unmittelbar entlohnt wird. Also kann nur noch der Spaß am Schreiben selbst als Brennstoff für den Schreibmotor herhalten. Bei vielen scheint mir jedoch eher der SWAG und der gesellschaftliche Ruhm im Vordergrund zu stehen. Und so suchen sie nach Motivation, am besten mit anderen, um die eigentlich ungeliebte Schreibaufgabe abzuarbeiten und damit dem Traum hinterherzuhecheln.
Dass es so ein Bild überhaupt gibt, scheint mir ein gesellschaftliches Problem zu sein. Wenn es um Künstler geht, so scheint es in der Bevölkerung kein Zwischending zwischen erfolgreichem Playboy und verkrachter Existenz zu geben. Den Wunsch nach einem erfolgreichen Leben hat wohl so ziemlich jeder und anscheinend wirkt es auf viele so, dass es sich gerade durch das Schreiben einfach einrichten lässt. Ein Instrument muss man jahrelang spielen, um es wirklich beherrschen zu können, und zeichnerische Fähigkeiten werden einem wohl eher in die Wiege gelegt, also scheint das Schreiben der einfachste Weg zu sein - denn schreiben lernt man ja schon in der Schule. Wenn einem dann noch die Eltern erzählen, was man doch immer für ein kreatives Kind gewesen sei, und die Freunde und Freundinnen ganz aus dem Häuschen von den ersten kreativen Ergüssen sind, dann fühlt man sich natürlich gleich zu einer erfolgreichen Karriere als Schriftsteller berufen. Schnell merken sie dann aber, dass das Schreiben eine harte und auch teilweise undankbare Kunst ist, die einfach schon quantitativ viel Zeit frisst. Ich hätte als Teenager niemals so viel Zeit und innere Ruhe gehabt und besaß auch ganz andere Interessen, um mich einem Romanprojekt zu widmen. Und ich bin so frei, zu behaupten, dass es wohl 99% aller Teenager auch so geht - und auch denen, die schon mit dreizehn den Traum haben, vom Schreiben leben zu können.
Ich will damit nicht sagen, dass Teenager keine Träume haben sollen, aber sie sollen auch leben, sich ausprobieren, Erfahrungen sammeln. Vielleicht auch mal links und rechts schauen, ob es nicht vielleicht auch noch andere Lebensentwürfe für sie gibt. Denn es ist ein Unterschied, einen Traum zu haben und ihn zu leben. Und mir persönlich ist es schleierhaft, wie man die innere Reife und Disziplin haben kann, um ein Buch zu schreiben, ohne wirklich gelebt zu haben. Es mag vielleicht ein Abgrenzungsmechanismus gegenüber gleichaltrigen sein, wenn man sich Partys, Drogen und Sex verweigert, aber das sind Themen, denen sich eigentlich jeder Autor stellen muss, weil das für die meisten Leser dazugehört davon zu lesen.
Am Ende sollte man sich die Frage stellen, ob man wirklich seinen Traum lebt oder einem Traumbild hinterherjagt, dass einem die Gesellschaft und eine verschobene Wahrnehmung vorgaukeln. Es ist gut, Träume zu haben, aber man darf auch nicht den Bezug zur Realität verlieren und die Augen vor den anderen schönen Dingen des Lebens verschließen.
EDIT: Der Text soll nicht aussagen, dass man Party gemacht, Sex gehabt oder Drogen genommen haben muss, um ein guter Schriftsteller zu werden. Ich meine damit, dass ein Schriftsteller sich mit diesen Themen auseinandergesetzt haben sollte, wenn er auch darüber schreiben will. Man muss z.B. auch kein Junkie gewesen sein, um über Junkies schreiben zu können - es reicht beispielsweise auch aus, mit Junkies oder Sozialarbeitern zu reden.
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