Samstag, 6. Februar 2016

Realistische Träume als Illustration der seelischen Vorgänge in eurem Protagonisten

A. ritt auf einer Wolke über das Land. Es war Nacht, der Mond leuchtete und die Sterne tanzten einen gravitätischen Tanz in der Luft über ihm ... Menschen wie er saßen auf anderen Wolken, sie hatten den Tag verschlafen und waren nun hellwach, ihre Augen leuchteten …




Oft werden Träume in Romanen verwendet, um Vorausschau zu betreiben. Da träumt der Charakter etwas, was ihn - oder den Leser - in irgendeiner Weise auf das vorbereitet, was im Laufe der Romanhandlung geschehen wird. Oft begegnen mir prophetische (Alp-)Träume, Vorahnungen und luzide Träume, die Teile der Romanhandlung vorwegnehmen und vorbereiten.

Das ist an und für sich kein Problem
Träume sind ein sehr vielfältiges und faszinierendes Stilmittel und man kann sie zu sehr vielen Zwecken verwenden, darunter auch für die oben genannten.
Wenn Träume allerdings größtenteils oder ausschließlich als Vorbereitung verwendet werden, erwartet der Leser irgendwann genau das. Er wird jeden Traum im Roman darauf lesen, ob er in irgendeiner Weise prophetisch oder zukunftsweisend ist - oder eine Episode aus der geheimen Vergangenheit des Charakters offenbart.
Erwartungen sind aber dazu da, um mit ihnen zu spielen.
Warum also nicht auch Träume schreiben, die nichts anderes sind als … eben Träume?

Wieso sollte das jemand lesen?
Wenn wir träumen, braut unser Gehirn eine - noch nicht vollständig erforschte - Suppe aus diversen Zutaten zusammen. Man nehme die Ereignisse des jeweiligen Tages und mische sie mit Sorgen, Nöten, Ängsten, Hoffnungen und Gedanken, die den Träumer unbewusst herumtreiben, die er sich aber aus irgendeinem Grunde nicht eingestehen will. Dann verquirle man das Ganze und gebe einen gehörigen Schuss Verfremdung dazu.
Unterhaltsam geschrieben, kann ein solcher Traum sehr viel über das Seelenleben eines Charakters verraten. Möglicherweise sogar Dinge, die der Charakter selbst weder sich noch anderen gegenüber offen in der Romanhandlung aussprechen kann. Im obigen Beispiel aus meinem eigenen Roman sehen wir, dass der Charakter sich nach Freiheit sehnt und sich einer Gruppe nachtaktiver Menschen mit leuchtenden Augen zugehörig fühlt. Nach außen hin jedoch würde er das nie zugeben, aus den diversesten Gründen.
Der Leser bekommt ein Gefühl der Überlegenheit - er weiß etwas über den Charakter, das dieser selbst noch nicht begriffen hat.

Wie schreibt man sowas realistisch?
Es gibt im Grunde genommen zwei Ansätze.
Ansatz Nummer eins: Man orientiere sich an den eigenen Träumen. Jeder Mensch träumt anders und so ist zumindest die Unverwechselbarkeit der Traumszenen gesichert. Allerdings gibt es hier die nicht geringe Gefahr, zu viel über sich selbst zu offenbaren, statt über den Charakter zu schreiben. Oder dass die Leser den Traum für unrealistisch halten - weil sie selbst sowas Merkwürdiges niemals zusammenträumen würden.

Ansatz Nummer zwei: Man orientiere sich an der psychoanalytischen Traumdeutung. Dafür gibt es zahlreiche Ressourcen im Web abseits der esoterischen Traumdeutung, so beispielsweise am Werk von Sigmund Freud, das über Projekt Gutenberg frei zugänglich ist. Hier sollte man allerdings aufpassen. Gerade Freud gilt zwar einerseits als wegweisend, in manchen Punkten jedoch gleichzeitig als veraltet oder kritikwürdig.
Wer trotzdem mit Freud arbeiten will, sollte sich auf lange Sicht besser eine kritische Ausgabe der "Traumdeutung" zulegen oder nach moderneren Büchern zum Thema Ausschau halten.

Einflüsse auf unsere Träume - und der Nutzen für Geschichten
Es gibt Faktoren, die beeinflussen, was wir träumen - und wir können sie in unseren Geschichten nutzen.
So ist beispielsweise inzwischen bewiesen, dass in zu heißen Räumen zu schlafen, das Risiko eines Alptraums erhöht. Was aber zu heiß ist, hängt natürlich davon ab, was der Charakter gewöhnt ist. Wer normalerweise aus einer Gegend kommt, in der es nachts eher kalt ist und dann auf einmal in einem wärmeren Klima schlafen muss, wird sich unwohl fühlen.
Andere Einflüsse rein körperlicher Natur wären beispielsweise zu schweres Essen - oder das Gegenteil davon, nämlich nagender Hunger.
Natürlich wird das Traumsujet dennoch in irgendeiner Weise mit den persönlichen Erlebnissen des Träumenden verbunden sein - die Ursache liegt jedoch nicht in einem quälenden Trauma, sondern in einem trivialen Faktor in der Umwelt.

Schreibe doch selbst mal eine Traumszene!
Stell dir deinen Protagonisten oder einen weiteren passenden Charakter in einer fremden Umgebung vor. Zum ersten Mal schläft er oder sie an einem völlig fremden Ort, hat vielleicht etwas Fremdartiges gegessen oder fühlt sich einsam. Vielleicht ist er/sie auch mit einer Gefährtengruppe an einem Lagerfeuer eingeschlafen.
Was träumt der Protagonist?
Schreibe die Szene auf - und schreibe für dich in ein Extradokument, wieso dein Protagonist genau diesen Traum hatte. Benutze dafür die Erkenntnisse aus dem Artikel.
Viel Erfolg!




Katherina - Alphaleserin, Forumsadministratorin, Entdeckerin, Trilogie-in-X-Bänden-Autorin, Chara-Dichterin, Neologistin, Polyglotin... und ein Fan kurioser Worte. Sie bloggt über das Autorendasein, Bücher und den Weltenbau.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wie hat dir dieser Artikel gefallen?