Und dann kommt er, der Kuss der Muse. Los geht’s mit dem Schreiben. Material und Inspirationen sind dank der ausgiebigen Recherche ja genug vorhanden. Da kann man sich geradezu reinstürzen und sich an dem erfreuen, was man schon zusammengetragen hat und höchst faszinierend findet.
Oft klappt es wie am Schnürchen, man schreibt und schreibt ... Dann noch dieses Detail, das war doch so interessant, dann noch jene Kleinigkeit, die muss einfach vorkommen. Schließlich gehören alle Erkenntnisse dazu.
Irgendwann, mitten im Schreibfluss, merkt eine Autorin oder ein Autor dann: Seltsamerweise ist die Handlung nicht rund. Der Erzählbogen stimmt nicht, wirkt das nicht alles zu langatmig? Komisch. Woran mag das liegen? Man hat doch alles so ausführlich nachgelesen, erforscht und die Ergebnisse zusammengetragen ...
Des Rätsels Lösung: Oft ist es so, dass man im Eifer des Gefechts und vor allem vor lauter Begeisterung für das eigene Thema den Überblick darüber verloren hat, was denn nun eigentlich wirklich wichtig für die Story ist. Die vielen Eindrücke und Ideen sind ungefiltert durch die Tastatur geflossen und nicht sortiert – und vor allem: selektiert – worden. Das Ergebnis ist im besten Fall ein tipptopp recherchierter Text, im schlechtesten aber leider auch manchmal ein wildes Durcheinander. Irgendwo dazwischen liegen die Manuskripte, die zum großen Teil bereits in der Rohfassung sehr gelungen sind, in weiten Strecken aber auch ihre Längen aufweisen. Dort hat die Autorin oder der Autor sich vielleicht verzettelt und zu sehr in Details geschwelgt. Dann hilft nur eins, so sehr es der Autorenseele vielleicht schmerzt: kürzen.
Wie man sinnvoll kürzt, ohne das Gefühl haben zu müssen, das schöne Manuskript zu verstümmeln und Lesenswertes zu zerstören - ist eigentlich gar nicht so schwer:
Zu kürzen und damit gleichzeitig von persönlich wichtigen Ideen Abschied zu nehmen, ist schwer. Das gilt für alle Arten von Texten, Sachtexte, Belletristik, Kurzprosa ... Aber mit einem Text ist es wie mit einem Diamanten: Ein Rohdiamant entfaltet seine Schönheit erst, wenn man schleift und poliert, also Materie wegnimmt. So sollte man auch sein Manuskript behandeln: Wie einen ungeschliffenen Diamanten, der durch die richtige Bearbeitung seinen ganzen Zauber entwickeln kann.
- Überleg dir bei den fraglichen Passagen, ob sie wirklich wichtig sind für den roten Faden, für den Handlungsverlauf. Bringen die Textteile die Handlung voran? Ergibt die Handlung vielleicht ohne sie gar keinen Sinn? Wenn dem so ist, darf auf die Passagen nicht verzichtet werden. Bestimmt lassen sie sich umschreiben oder straffen, sodass sie besser, runder in den Handlungsverlauf passen.
- Funktioniert die Handlung auch ohne die fraglichen Textteile? Dann gilt es, so schade es um den schönen Text ist, die Schere anzusetzen und zu kürzen. Doch vielleicht gibt es ein paar Elemente, Bilder, Formulierungen etc., die an anderer Stelle besser passen und verwendet werden können? Dann sind die liebevoll gestalteten Textfragmente nicht verloren.
- Ein wichtiger Punkt im Schreibprozess: Distanz zum Text wahren oder wieder aufbauen. Das ist leichter gesagt als getan, schließlich ist das Manuskript schon fast das eigene Baby. Trotzdem: Distanz zum Text ist wichtig, um ein gewisses Maß an Objektivität zu wahren und den Blick für die eigenen Schwächen zu behalten. Oft reicht es schon enorm, den Text einfach mal einige Zeit, vielleicht sogar ein paar Wochen, beiseitezulegen, um mit einem neuen, unverbrauchten Blick noch mal heranzugehen. Auf diese Weise sieht man schneller die eigenen Fehler.
- Testleser sind nicht wegzudenken. Aber keiner Autorin und keinem Autor nützen Testleser, die aus falsch verstandener Nettigkeit nur loben. Du brauchst einen kritischen Blick, der Dir ehrlich die Schwächen des Textes aufzeigen kann.
Zu kürzen und damit gleichzeitig von persönlich wichtigen Ideen Abschied zu nehmen, ist schwer. Das gilt für alle Arten von Texten, Sachtexte, Belletristik, Kurzprosa ... Aber mit einem Text ist es wie mit einem Diamanten: Ein Rohdiamant entfaltet seine Schönheit erst, wenn man schleift und poliert, also Materie wegnimmt. So sollte man auch sein Manuskript behandeln: Wie einen ungeschliffenen Diamanten, der durch die richtige Bearbeitung seinen ganzen Zauber entwickeln kann.
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Zum Weiterlesen:
- Das Spiel mit den Satzzeichen
Katrin schreibt nicht, sie lässt schreiben und verleiht als Lektorin den Texten den letzten Schliff. Was sie liest, rezensiert sie gern auf https://nowheremansbuecherschrank.wordpress.com/
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