Mittwoch, 4. Juli 2018

Gibt es einen Bestseller-Code?

In letzter Zeit hat das Sachbuch „Der Bestseller-Code“ von Jodie Archer und MatthewJockers für Wirbel in der Autorenszene gesorgt. Wir hatten es heimlich ja schon immer geahnt – und die Lektüre diverser Schreibratgeber hat es uns gelehrt: Es gibt einen Masterplan guter Bücher. Als Mediennutzer brauchst du dir ja bloß ein paar Hollywood-Blockbuster anzuschauen und dann weißt du, es gibt dieses Schema, das immer passt. Aber ist es wirklich so einfach, einen Bestseller zu landen? Und was haben die Autoren des Werkes „Der Bestseller-Code“ denn nun konkret herausgefunden?

 

 

Eine neue Wissenschaft

Zunächst mal, für mich hat sich das Buch schon gelohnt, weil ich mit einer neuen Wissenschaft konfrontiert wurde, der „empirischen Literaturwissenschaft“ sozusagen. Es wurde versucht, auf maschinellem Wege zu ergründen, wann Bücher erfolgreich sind. Dazu wurde ein Computerprogramm entwickelt, mit dem im Folgenden alle relevanten Bestseller und viele normale Werke analysiert wurden. Die Eigenschaften der literarischen Werke werden in vier Kategorien betrachtet: Thema, Plot, Stil, Figuren.

 

Themen und Handlung

Ein Buch hat dann das Zeug zum Bestseller, wenn es drei große und ein halbes Dutzend kleinere Schwerpunkt-Themen gibt. Beliebteste Themen sind Nähe zwischen Menschen, Liebe, Arbeit, und – man glaubt es kaum – moderne Technik. Für den Plot, egal welche Richtung er im Lauf der Geschichte nimmt, ist es wichtig, dass es immer ein Auf und Ab der Stimmung gibt. Diese emotionale Welle sollte möglichst regelmäßig und symmetrisch auftreten. Damit zieht man den Leser hinein und lässt ihn nicht mehr los. Das Konzept der Heldenreise wird immer gerne genommen, aber auch andere typische Handlungsverläufe sind möglich. Überhaupt ist Reise ist ein beliebtes Motiv, das auch im Themenmix gut passt.

 

Der richtige Stil

Guter Stil enthält verschiedene Elemente: einen guten Titel (z. B. unbestimmter Artikel plus Objekt), einen ersten Satz, der hängen bleibt (z.B. jemand empfindet ein Gefühl, das mit dem zusammenhängt, was gerade um ihn herum ist), mit dem man den Leser neugierig macht. Kurzer, journalistischer Stil ist von Vorteil, aber es darf auch gerne literarisch werden, wenn die Sätze kurz bleiben und nicht zu viele Adjektive und Adverbien enthalten. Verben sind wichtig, besonders deswegen, weil der Leser aktive Figuren mag. Das gilt nicht nur für den Protagonisten: Figuren in erfolgreichen Romanen wollen etwas. Sie kämpfen dafür und zögern nicht. Und sie murmelten auch nicht oder fügten an, sondern sie „sagten“. Mit Ausnahme von „fragten“ lenken alle Synonyme von „sagte er/sie/es“ ab.

 

Ross und Reiter

Zum Glück haben die Autoren des Bestseller-Codes Ross und Reiter genannt. Am Ende des Buches gibt es eine Top 100 der perfektesten Bücher. Perfekt heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bestseller-Status erreicht wird, wurde von der Maschine am höchsten gewertet. Der Gewinnertitel hat eine Wahrscheinlichkeit von 100%, hat also alles richtig gemacht. Wen es interessiert, um welches Buch es geht, lese bitte die Rezensionen bei Amazon, dort wird die Information von einem sehr prominenten Mitglied der Autorenblase gespoilert. Alle Bücher der Top 100 waren tatsächlich Bestseller geworden, wie vom Computerprogramm vorhergesagt.

 

Der Praxis-Test

Von der Top-100-Liste hatte ich vier Bücher gelesen. Alle vier Bücher hatten mich nicht wirklich überzeugt. Bei dreien kann ich sagen, dass sie nicht einmal die besten Romane ihrer Autoren sind. Aber: Die Autoren hatten vorher bereits mit weitaus originelleren Werken von sich reden gemacht. Diese Leute, wissen, wie man schreibt, weil sie seit Jahren nichts anderes machen. Ich rede von Autoren wie Stephen King, Jonathan Franzen, Dan Brown, E. L. James oder Stig Larsson. Die wissen, wie man Bestseller produziert, intuitiv und schreiben sie runter – auch wenn das Feuer ihrer Anfangsjahre vielleicht nur noch flackert.

 

Mein subjektives Fazit

Es ist wie beim Grand Prix Eurovision de la Chanson, neudeutsch ESC: Das Lied, auf das sich alle Europäer (inklusive Australien) einigen können, hat mir in den seltensten Fällen gefallen. Wer das perfekte Buch zum Geldverdienen schreiben will, sollte bitte den „Bestseller-Code“ lesen, mir aber vorher Bescheid geben, damit ich mir das Buch nicht kaufe.

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Zum Weiterlesen:

 Jens van der Kreet ist 42 Jahre alt und lebt in Offenbach am Main. Seit 2010 versucht er, die Welt mit seinen Romanen zu bereichern, zuvor übte er sich an Kurzgeschichten, Songtexten, Pressemitteilungen und vielem mehr. Derzeit arbeitet er an einer Thriller-Reihe. Hauptberuflich ist er Soziologe und werkelt im öffentlichen Dienst. 

 

 

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