Samstag, 3. März 2018

On the Road: Schreiberlinge unterwegs

Die Möglichkeit, flexibel und ortsunabhängig zu arbeiten, zählt für viele Schreibende zu den absoluten Pluspunkten des Autorenlebens. Und natürlich bringen die neuen Eindrücke und Erlebnisse, die man in der Großen Weiten Welt (GWW – nicht zu verwechseln mit www (-;) aufsammelt, auch ein Mehr an Erfahrung, Anregung und Inspiration. Das Schreiben in anderen Ländern bietet eine Reihe an Herausforderungen - und auch ein paar gute Impulse für das Schreiben in heimischen Breiten.

 

Zugegeben: Woanders ist nicht automatisch alles besser. Aber woanders scheint für mich die Sonne – wortwörtlich. Seit ich mich selbständig gemacht habe, kann ich dem Winter in Münchens kältester Wohnung dorthin entfliehen, wo das Wetter schöner und das Essen besser ist (dieses Jahr buchstäblich dahin, wo der Pfeffer wächst: Vietnam).

Wenn ich davon erzähle, glauben viele, ich könne mir als Freiberuflerin sage und schreibe zwei Monate Urlaub im Jahr leisten (inzwischen korrigiere ich diesen Irrtum nicht mehr (-;). Tatsächlich tue ich unterwegs dasselbe wie daheim: nämlich schreiben. Da sitze ich dann vor exotischer Kulisse und hacke in die Tastatur, wie es viele „digitale Nomaden“ machen.

Ich dagegen bin als Schreiberling unterwegs, und das ist dann doch eine andere Nummer, als Software zu entwickeln oder Webseiten zu basteln. Ich brauche nicht ständig und auch keinen schnellen Internetzugang, was die Dinge für mich einfacher gestaltet. Theoretisch könnte ich mich an den Strand setzen und mich vom Ambiente inspirieren lassen.

Praktisch funktioniert es aber so nicht für mich (mal ganz abgesehen vom Sand auf der Tastatur, der mangelnden Stromversorgung und den schnellen Wellen, die eine in die Arbeit vertiefte Schreibende unversehens fluten können). Am Strand kann ich einfach nicht wirklich gut und konzentriert arbeiten.

 

Herausforderungen:

Ganz klar: Ablenkungen sind die größte Herausforderung an fremden Orten. Man will ja so viel erkunden, sehen, essen … dabei vergisst man schnell, dass man ja zu arbeiten hat. Wenn man zudem häufig die Aufenthaltsorte wechselt, geht das auf Kosten der Zeit. Idealerweise bleibe ich deshalb immer mindestens zwei Wochen am Stück am selben Ort – wenn ich viel zu tun habe, auch länger. (Wenn es mir besonders gut gefällt, wie in Hoi An gerade, dann noch länger.)

Ohne eine klare, regelmäßige Struktur läuft gar nichts. Die ist sogar noch wichtiger als daheim, wo man nicht mit so vielen fremden Variablen zu tun hat. Zeiten des Schreibens und Zeiten des Erkundens und Genießens sollten klar voneinander getrennt sein. Ich arbeite am besten vormittags – da ist es aber auch am Strand am schönsten. Also muss ich meine Prioritäten gewichten: Lieber braun werden (in meinem Fall: hummerrot) – oder lieber produktiv sein?

Der richtige Ort ist für mich zum Schreiben unabdingbar. Gerade sitze ich im Coworking Space unter einem Sonnendach im Freien, eine Leiste mit Steckdosen und wunderschöne Helikonien im Rücken. Ich brauche einen soliden Tisch in der richtigen Höhe, um in meiner optimalen „Arbeitshaltung“ sitzen zu können. (Das hätte ich auch im „Dingo Deli“, aber der bietet leider viel zu leckere Pastries an, was ihn als Arbeitsplatz disqualifiziert.)

Ich brauche zum Schreiben nur ein Getränk neben mir, damit der Wohlfühlfaktor stimmt. Andere brauchen Tassen, Snacks, Notizbücher, Federmäppchen … ein ganzes Arsenal an Zubehör. Manche stört Geräusche und Gespräche in ihrer Umgebung nicht, andere wieder stöpseln sich mit Kopfhörern ab. Alles, um den Ablenkungen entgegenzuwirken. Die nenne ich nochmals, denn es gibt so viele davon: die Schreibkollegin mit dem Editor-Problem, der Tischnachbarn mit den witzigen Stories, der Mann, der die Wäsche abholt, die Frau mit der Lieferung aus „La Petite Pâtisserie“ … Schwierig, immer am Ball zu bleiben. Aber wenn ich einmal im Flow bin, dann läuft es einfach. Deshalb lohnt es sich für mich, überall mittels „try & error“ die optimale Arbeitsumgebung zu finden bzw. zu schaffen.

 

Anregungen für daheim: 

Als Anregung für zu Hause bringe ich von meinen Winterfluchten immer die Flexibilität mit, auch einmal etwas anderes als den heimischen Schreibtisch auszuprobieren. Woanders muss ich immer erst ausprobieren, um zu wissen, welche Struktur und welcher Ort für den Moment gerade richtig sind. Warum sich also daheim immer nur mit dem Bewährten, Vertrauten begnügen? Vielleicht bringt eine gewisse Abwechslung ja frischen Wind in Herangehensweise, Konzentrationsvermögen, Schreibimpuls – und damit letztendlich das, was wir gern „Inspiration“ nennen?

Deshalb einfach mal ausprobieren: Wo kannst du jetzt gerade am besten schreiben? Wirklich daheim in den eigenen vier Wänden? Oder vielleicht doch in einem Café, wo um dich herum viel Trubel ist? Wenn du dich in einem unpersönlichen Büro am wohlsten fühlst, könntest du dir einmal einen Coworking Space gönnen. Oder wie wäre es mit der Stadtbibliothek oder bei (idealerweise abwesenden) Freunden im Wintergarten?

Auch mit den Schreibzeiten kannst du spielen. Warum nicht mal eine Stunde früher aufstehen, um einen guten Schreibstart in den Tag hinzulegen? Falls du in Festanstellung an feste Zeiten gebunden bist: Vielleicht erlaubt dir deine Arbeit ja eine längere Mittagspause, die sich dafür nutzen lässt? Vielleicht kannst du Überstunden aufbauen, um einen Extratag in der Woche als Schreibtag freizubekommen? Viele Vorgesetzte sind flexibler als erwartet, wenn sie begreifen, dass sie damit gute Leute zusätzlich motivieren können. Auch Home-Office, wenigstens an ein, zwei Wochentagen, wäre eine Überlegung wert. Leute im Home-Office arbeiten in der Regel produktiver als die Kollegen im Büro - und die ersparte Anfahrtszeit könntest du dem Schreiben widmen.

Manche lieben ihre feste Struktur, andere finden Abwechslung stimulierend. Überlege, was du gerade brauchst – und dann schaue, wie und wo du den Alltag auflockern kannst, um durch neue Dinge frischen Input zu bekommen. Zum Plotten auf den Wochenmarkt mit dem Notizbuch in der Hand? Im botanischen Garten alle Gedanken dem Smartphone diktieren? Nach Feierabend noch zwei Stunden länger im Büro bleiben, um dort ungestört zu schreiben? Oder ein Schreibwochenende in einer Nachbarstadt? Alles mögliche Ansätze, um die besondere Energie des „unterwegs“ auch daheim anzuzapfen.


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Zum Weiterlesen:





Martina lebt (meistens) in München und seit 2013 vom Schreiben - und zwar beides sehr gern. Im Winter ist sie meistens in Asien, in Sommer oft in Schottland.






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