Mittwoch, 16. August 2017

Der Sommer der Selbstzweifel

Was klingt wie ein Buchtitel, ist ein „Trend“, der mir in den letzten Wochen unter Autoren vermehrt aufgefallen ist. Das betrifft nicht nur mich selbst, auch das Camp NaNo hat so einige Zweifler aufgedeckt, selbst Autoren, die vom Schreiben leben können, sind nicht davor gefeit und schließlich haben sich sogar die Schreibdilettanten der Frage gestellt, was eigentlich einen guten Autor ausmacht – die Antwort darauf ist nicht weniger ernüchternd: Man selbst wird nie wissen, ob man ein guter Autor ist. Damit sind die Zweifel auch schon vorprogrammiert.




Schauen wir uns das Wort „Selbstzweifel“ mal genauer an. Einmal haben wir „selbst“, also das Ego betreffend und dann das Wort „Zwei-fel“. Der Duden umschreibt die Bedeutung des Wortes mit einer schwankenden Unsicherheit; noch interessanter ist die Herkunft des Wortes aus dem Mittelhochdeutschen „zwīvel“ zum Althochdeutschen „ zwīfal“ zu „zwei“ und „falten“ was eine „Ungewissheit bei zweifacher Möglichkeit“ bedeutet. Wenn wir zweifeln, dann schwanken wir also zwischen den zwei Möglichkeiten: wir sind gut oder schlecht. Schattierungen dazwischen gibt es nicht und ironischerweise malen wir uns immer die negativste Möglichkeit aus.

Warum schenken wir der schlechten Möglichkeit mehr Glauben?

In meinem letzten Artikel darüber, was du tun kannst, wenn dir das Schreiben keinen Spaß mehr macht, bin ich schon ein bisschen darauf eingegangen. Durch Social Media und Co werden wir Autoren dazu animiert, unseren Schreiballtag zu teilen, von unseren Projekten zu berichten und frühzeitig Interesse an ihnen zu wecken. Aus marketingtechnischer Sicht ist das auch sehr sinnvoll – nur sind wir keine Maschinen, bei denen man sagen kann, wenn ich schreibe, kommt nach einer gewissen Zeit am Ende ein Buch heraus. Wenn wir über einen Zeitraum schreiben, kann am Ende auch etwas ganz anderes herauskommen – eine Kurzgeschichte oder ein Sachbuch –, wenn wir bereits von einem Buch gesprochen haben. Oder es dauert länger als geplant, das Buch zu schreiben, weil irgendwas dazwischen kommt. Wir sind Menschen und geben in den sozialen Netzwerken unsere größte Verletzlichkeit preis. Das Einzige, was wir im besten Fall sagen können ist, dass am Ende viele Wörter dabei herauskommen, weil sich im kreativen Prozess noch so viel verändern kann. Wir sind versucht, Dinge zu versprechen, die wir möglicherweise nicht halten können, darum sagen wir manchmal lieber gar nichts, weil wir nicht scheitern wollen – nicht schon wieder ein Projekt in den Sand setzen, nicht schon wieder den ganzen Plot umstellen oder sogar das Genre ändern.

Natürlich ist der Großteil unserer Followerschaft uns gegenüber positiv eingestellt. Doch gerade die Unsicherheit, ob das nächste Projekt, die neue Idee wirklich so toll ist oder wird, wie wir sie gerade in diesem Moment empfinden, stellt uns vor ein Problem: Wir sind nicht überzeugt davon, dass wir gerade eine großartige Idee hatten und stellen unser eigenes Urteilsvermögen in den Schatten. Wir lassen lieber irgendjemanden anderen urteilen – und glauben ihm.

Wir (ver)trauen uns selbst nicht. Haben kein Vertrauen in unsere eigenen Ideen und unser Urteilsvermögen. Darin, dass das, was wir tun wirklich cool* ist. Das, was wir feiern wollen, ist nur dann cool*, wenn es auch andere cool* finden – im besten Fall unser größtes Idol.

Wenn wir uns aber immer nur danach richten, was andere cool* finden, wo bleiben dann wir? Wenn jeder so denkt, führt das nicht dazu, dass wir nur das machen, was uns als cool* suggeriert wird? Im schlimmsten Fall von der Werbung durch Marketingstrategien anderer, die dafür sorgen, dass Dinge, die uns nicht gefallen gehypt werden und wir geächtet sind, wenn wir sie nicht mögen?

Ich finde Harry Potter nicht cool – Badabum! Aber es ist okay, wenn andere die Bücher/Filme/den Merch vergöttern. Es ist nur nicht meins.

Wenn wir an uns selbst zweifeln, lähmen wir die kreative Kraft in uns

Irgendjemand findet diesen wunden Punkt – und wenn es wir selbst sind. Wir denken vielleicht daran, wie gut andere Autoren sind, was für tolle Geschichten schon geschrieben wurden und uns wird klar, dass wir da gar nicht heran reichen können. Die Konkurrenz ist groß. Der Druck, durch geschickte Marketingstrategien sichtbar zu sein, riesig. Wir sehen, wie unsere Kollegen ein Buch nach dem anderen veröffentlichen und fragen uns, wie sie das machen, während uns der Haushalt über dem Kopf zusammenbricht … Das ist doch nicht normal!

Dabei vergessen wir, dass wir immer noch wir sind. Wir sind Individuen, die das gleiche Hobby, die gleiche Leidenschaft teilen. Das ist es, was wir gemeinsam haben. Aber diese Gemeinsamkeit bedeutet nicht, dass wir auch sonst gleich sind. Jeder hat andere Voraussetzungen zum Schreiben, jemand ohne Kinder wird seinen Alltag ganz anders takten können, als jemand mit einer Großfamilie. Manche brauchen mehr Schlaf andere mehr Zeit für sich … Und genau diese Vergleiche sind es, die die Zweifel auslösen. Wir sind hin und her gerissen zwischen dem, was wir bei anderen sehen und dem, was wir selbst bei uns sehen.

Aber auch der Vergleich mit sich selbst ist nicht zwingend hilfreich. Ich wünsche mir zum Beispiel, dass meine erste Romanveröffentlichung nur einige (hoffentlich) hundert Leser begeistert. Würde ich direkt einen Bestseller landen, dann könnte ich mit dem Druck sicher gar nicht umgehen. Vermutlich könnte ich keinen weiteren Roman mehr zustande bringen, weil ich meine und die Erwartungen meiner Leser erfüllen wollte.

Was macht für dich einen guten Autor aus?

Im Moment arbeite ich sehr intensiv an meiner eigenen Entwicklung. Nicht nur als Autorin, sondern als Mensch. Ich frage mich oft, wie ich Dinge sehe, warum ich sie anders sehe als andere und wie ich mein Leben so leben kann, wie ich es möchte. Der wichtigste Schritt auf diesem Weg, ist herauszufinden, wie bzw. wer ich sein möchte. Klar, ich möchte eine gute Autorin sein. Aber dafür muss ich erst einmal herausfinden, was es für mich heißt, eine gute Autorin zu sein. Dieses Bild versuche ich so konkret wie möglich zu definieren.

Wenn ich mir mein Bücherregal so ansehe und Revue passieren lasse, welche Bücher ich wirklich gut fand, sind es selten die, die mega gehypt wurden. Es sind die Bücher, die mich gefunden haben, vielleicht irgendwelche Randerscheinungen, die teilweise erst Jahre später (als das Taschenbuch oder der Film erschien) durch die Bücherblogs rauschen wurden. Es sind Bücher, die mich verändern und zum Nachdenken anregen. Gute Autoren sind also nicht unbedingt die bekanntesten Autoren. Es sind Autoren, die Geschichten erzählen, die etwas in mir bewegen. Gute Autoren sind für mich nicht diejenigen, die Millionen scheffeln, sondern die, die ihre Worte so aneinanderreihen, dass sie wie eine Welle mein Herz zum Schwingen bringen.

Genau so eine Autorin möchte ich sein. Dieser Gedanke nimmt mir den Druck, eine bestimmte Anzahl an Büchern im Jahr „produzieren“ zu müssen. Ich möchte Geschichten schreiben, die etwas bewirken, und das geht nur, wenn ich ihnen ihre Zeit zum Reifen gebe.

Ich sage damit nicht, dass ich Autoren, die viel und schnell veröffentlichen, verurteile – es ist ihr Weg und ich achte, respektiere und bewundere, mit welchem Elan und welcher Ausdauer sie ihn gehen. Aber es ist nicht meiner.


Was für ein Autor möchtest du sein? Welchen Weg möchtest du gehen?

*hier nach belieben ein anderes fancy Wort einsetzen

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Zum Weiterlesen:


Tinka Beere liebt es, in andere Welten einzutauchen, und schreibt Geschichten mit einem fantastischen Touch. Darüber hinaus begeistert sie der Austausch mit anderen Autoren, denen sie mit hilfreichen Tipps gerne zur Seite steht.


6 Kommentare:

  1. Danke für diesen Artikel. Ich halte es, wie du, für tödlich im kreativen Prozess zu vergleichen. Gerade weil jeder anders ist. Wie sollte man eine Autorin, die über jeden Satz brütet, löscht, wieder brütet mit einer Autorin vergleichen,die einfach drauflos schreibt? Jeder sollte seinen eigenen Weg finden und ihn für richtig halten. Denn das ist er ja. Was jemand anderes macht, ist belanglos.
    Einzige Ergänzung: Ich halte es nicht für notwendig, sich zu fragen, ob man ein guter Autor ist. Ich denke, jeder, der sich ernsthaft und ausdauernd mit dem Schreiben beschäftigt, wird seine ganz individuellen Qualitäten haben. Gut ist viel zu wertend für einen Beruf, der sowieso auf mögen und nicht mögen basiert. Vielleicht ist es schöner, sich einfach zu fragen, wie man selbst sein möchte. Ohne das Schwarz-Weiß, was es eh nicht gibt.

    Grüße
    +Mika+

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    1. Hallo Mika,

      vielen Dank für deinen Kommentar.

      Stimmt. Das wäre auf jeden Fall viel "gesünder", vermutlich aber leider eine Utopie, denn die Frage kommt ja nicht sehr selten auf. Man muss als Autor eben lernen, wo man hinhören und was man lieber überhaupt nicht an sich ranlassen sollte. Gar nicht so einfach für einen Beruf, den man nicht gelehrt bekommt, sondern nur durchs Ausüben selbst lernt.

      Liebe Grüße
      Tinka

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  2. Selbstzweifel gehören dazu, wie das Amen in der Kirche. Das ist leider so. Und weil die Kunst - oder die Literatur - so vielfältig ist, gibt es keine klare Definition von gut oder schlecht.

    Am ehsten halt von erfolgreich oder unerfolgreich. Bei NaNo geht´s um "viel Schreiben / wenig Schreiben". Jeder muss da seine eigenen Mitte finden.

    Autoren leiden häufig unter dem Impostor (Hochstapler) Syndrom. Das tun viele Experten. Sie können ihre Fähigkeiten nicht internalisieren und haben ständig das Gefühl, Lob für gute Leistungen eigentlich gar nicht verdient zu haben.

    Es ist nicht einfach damit umzugehen. Man muss einfach irgendwann den Punkt finden, wo es "genug" ist. Genug überarbeitet, genug Zeit reingesteckt. Und dann loslassen und weitermachen. Es gibt immer etwas zu lernen und besser zu machen, deswegen wird man nie den Punkt erreichen, wo man voll mit sich zufrieden ist. Aber das ist auch eine Möglichkeit zu wachsen und sich weiterzuentwickeln.

    Lieben Gruß

    Bruno

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    1. Hallo Bruno,

      vielen Dank für deinen Kommentar :-)

      Oh ja, das Hochstaplersyndrom kenne ich leider auch viel zu gut xD


      Liebe Grüße

      Tinka

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  3. Ich wollte immer ein Autor sein, der zum Spaß schreibt und nicht, um damit Geld zu verdienen. Klar wäre es schön, eines Tages davon leben zu können, aber bis dahin fahre ich zweigleisig, um nicht unter Drück zu geraten.

    Grüße
    Carl Wilckens

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    1. Hallo Carl,

      vielen Dank für deinen Kommentar :-)


      Liebe Grüße
      Tinka

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