Dienstag, 1. August 2017

Camp NaNoWriMo und Selbstzweifel

Die Schreibmeer-Kolumne. Einmal im Monat dürfen unsere Autoren unter diesem Deckmantel aus den Tiefen des Schreibmeers blubbern.


Und wieder ist er vorbei, der Event, der die Autorenwelt spaltet: (Camp) NaNoWriMo liegt hinter uns. Gratulation an dieser Stelle allen Gewinnern des Camps!

Dreimal im Jahr findet der National Novel Writing Month inzwischen statt – das Hauptevent im November und die beiden „Soft-Ableger“ im April und Juli, liebevoll „Camp“ genannt. Dreimal im Jahr also der volle Wordcount-Wahnsinn für alle Teilnehmer und Nichtteilnehmer, wie ein anderer Autor im Schreibmeer schon einmal bemerkt hat.

Auch heute geht es nicht zwingend um die positiven Aspekte des NaNoWriMos, sondern um ein zentrales Problem: Zweifel.




Selbstzweifel im Angesicht der Wortberge

Immer wieder kann man – sowohl als Außenstehender, als auch als Teilnehmer – beim Camp beobachten, wie sich Autorinnen und Autoren immer noch größere Wortzahlen als Monatsziel setzen. 50.000? 60.000? 80.000? Gar 100.000? Während es Otto Normalschreiber hier völlig die Sprache verschlägt, wird signalisiert: Alles kein Problem.
Und tatsächlich rocken viele dieser „Wahnsinnigen“ ihren Schreibmonat und durchbrechen mühelos schon zwei Wochen vor Schluss ihre Obergrenze. Dass Außenstehende, für die bereits 10.000 Wörter (oder noch weniger) im Monat ein Erfolg sondergleichen wäre, angesichts solcher Ergebnisse an ihrer Arbeit, ihrem Tempo und ihrem Output zu zweifeln beginnen, liegt zwar auf der Hand, soll hier aber gar nicht das Thema sein.

Ebenfalls im Strudel der Selbstzweifel mögen andere Teilnehmer des Events versinken. Wer schon daran verzweifelt, seine bescheiden vorgenommenen 25.000 zu erreichen, hat sicherlich ein innerliches Hühnchen mit sich selbst zu rupfen, wenn er sieht, was andere hinklotzen.
Und wer sich selbst eine Unsumme von 80.000 vorgenommen hat und sie nicht erreicht, den zerfrisst womöglich auch der Neid?

Das ist Quatsch, liebe Mit-Teilnehmer-mit-weniger-Worten: Jeder arbeitet in seinem Tempo. Jeder lebt sein eigenes Leben, jeder arbeitet auf seine Weise. Die einen haben vielleicht mehr Zeit als andere, weil sie Ferien haben – andere werden neben der Arbeit noch von der Familie eingespannt. So etwas ist niemals vergleichbar. Mancher brütet vielleicht Stunden über einem einzigen Satz, dafür ist er perfekt und wird nie mehr geändert, andere schreiben drauf los und schreiben beim Überarbeiten den halben Roman noch einmal neu.
Messt euch nicht aneinander! Freut euch über jeden Erfolg – sei er noch so klein. Es geht nicht ums Gewinnen, es geht ums Schreiben! Nabelt euch im Extremfall für diesen Monat von euch bekannten Vielschreibern ab – sucht euch eine Cabin mit niedrigeren Wordcounts, meidet Twitter für den Monat, „entfolgt“ die üblichen Verdächtigen temporär. Es tut euch gut, wenn ihr nicht vergleicht. Zieht lieber euer eigenes Ding durch und freut euch, was ihr alles schaffen könnt!


Zweifel bezüglich der Qualität

Aber auch bei den berüchtigten Vielschreibern und Wortberggipfelstürmern beobachte ich immer wieder Zweifel: Zweifel an der Qualität des Geschriebenen. Zwar schüttelt man wie der Wind 80.000 Wörter in 14 Tagen aus dem Ärmel, ist im Nachhinein aber unglücklich mit dem, was man geschrieben hat. Es ist zu schlecht, die Überarbeitung wird Jahre dauern, man würde am liebsten alles löschen, der Plot gefällt nicht, die Charaktere sind hölzern …

Ohne jetzt böse sein zu wollen, aber hier müsst ihr euch entscheiden, liebe Autorinnen und Autoren. Was wollt ihr denn? Viele Wörter? Oder einen fehlerfreien, perfekten Roman? Beides geht in der Kürze der Zeit einfach nicht.

Wenn ihr nur eine Rohfassung wollt, mit der ihr danach arbeiten könnt, dann bitte: Schreibt um euer Leben, so viel wie möglich! Aber dann stellt euch von vornherein auf einen langen und anstrengenden Überarbeitungsprozess ein. Ihr werdet viel überarbeiten müssen, denn in der Hektik des Wordwars habt ihr keine Zeit, an jeder Szene lange herumzudoktern.
Aber dafür habt ihr am Ende des Monats eine Grundlage, mit der ihr arbeiten könnt. Auf die ihr stolz sein könnt. Denn viele Autorinnen und Autoren stellen ihre Romanprojekte nie fertig! Seid stolz auf das, was ihr geleistet habt – und zaudert nicht, die Überarbeitung zu wagen. Kein Roman ist perfekt vom Himmel gefallen. Goethe hat an seinem „Faust“ ein halbes Leben lang gearbeitet!

Wenn ihr lieber einen perfekten Roman schreiben wollt, dann setzt euch realistischere Ziele. Schreibt lieber 20.000 gute Wörter, für die ihr euch Zeit lasst. Durchdenkt die Szenen, bevor ihr sie schreibt, überarbeitet noch während des Schreibens, stellt Sätze um, wenn sie euch nicht passen, anstatt sofort zum nächsten Kapitel zu eilen. Eile mit Weile! Zweifelt nicht an eurer Geschwindigkeit, ihr braucht so lange, wie ihr eben braucht. Was ihr euch jetzt an Zeit nehmt, spart ihr vielleicht bei der Überarbeitung wieder ein.



Und am Ende des Monats …

… ist es völlig egal, wie viel ihr geschrieben habt und in welcher Qualität. Wichtig ist, dass ihr geschrieben habt. Jedes Wort in eurem Manuskript, das da vorher nicht stand, ist ein Gewinn. Und wenn es nur zwölf sind – es sind zwölf mehr als vorher. Ihr wart dabei. Es ist egal, ob ihr den Event gewonnen und eure Erwartungen erfüllt habt. Ihr habt gearbeitet. Seid stolz drauf, reißt euch zusammen und macht weiter.

Ich persönlich bin mit meinem Camp-Ergebnis jedenfalls zufrieden.





Die Schreibmeer-Kolumne. Einmal im Monat dürfen unsere Autoren unter diesem Deckmantel aus den Tiefen des Schreibmeers blubbern.

2 Kommentare:

  1. Genau meine Meinung! Ich gehöre zu denen, die selbst hier in diesem kurzen Posting jeden Buchstaben 3 x überdenken. Wordcounts machen mich wahnsinnig.

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  2. Danke dir. Ich habe wieder mal gestern mit mir gehadert, weil ich mein moderates Überarbeitungsziel nicht geschafft habe. Ich darf nicht nur auf die anderen schielen. Der Kopf weiß es, das Herz ist trotzdem verzweifelt.
    Übrigens habe ich Nicht-Gewinner gestern von Camp NaNoWriMo eine supernette E-Mail erhalten, die mir half, auch die kleinen Erfolge wieder ins rechte Licht zu rücken.

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