Mittwoch, 27. Juli 2016

Eine kunstgeschichtliche Reise #3: Das Herrenhaus

Kommt mit mir auf eine kunstgeschichtlichen Reise. Nach einem Ausflug in andere Welten und deren Kunstgeschichte geht es mit der Artikelreihe weiter. Im heutigen Teil möchte ich euch mit in die herrschaftlichen Bauten nehmen: die Herrenhäuser. Hierbei handelt es sich um prachtvolle Wohnhäuser auf einem Gut oder großen Besitztum, die einem Schloss ähneln. Das Herrenhaus und das Schloss unterscheiden sich jedoch weniger durch ihre Bewohner als durch ihre Funktion. Das Herrenhaus ist immer der Mittelpunkt des Gutes. Sicher könnt ihr euch ein Rittergut, Weingut oder Adelsgut vorstellen. Es handelt sich gewissermaßen um einen historischen landwirtschaftlichen Betrieb einer Gutsherrschaft. Der Gutsherr (musste nicht dem Adel entstammen) war nicht nur Landbesitzer und Arbeitgeber, sondern konnte auf seinem Gut in der Regel auch Recht sprechen und Urteile fällen. Die Arbeiter waren meist Leibeigene, die dem Gutsherrn vollkommen unterstellt waren.



1. Begriff klären

Der Begriff des Herrenhauses wird eher in Norddeutschland verwendet und ist in Österreich, Bayern und Baden-Württemberg nicht verbreitet. Dort trefft ihr eher auf Wörter wie Schloss, Gutshof oder Hof, welche diese Art von Gebäude beschreiben. Im englischsprachigen Raum ist diese Art von Bauten als mansion oder manor bekannt. Als Synonym beider sprachlichen Varianten kann man die Villa sehen.
Die Unterschiede zwischen Herrenhaus und Schloss liegen daher nicht nur im begrifflichen, sondern auch im funktionellen Bereich. Ein kleines Gut eines nichtadligen Herrn besitzt nur ein Herrenhaus, dagegen kann das Herrenhaus eines adligen Gutsherrn auch als Schloss bezeichnet werden, jedoch nur dann, wenn es nicht nur rein repräsentativen Zwecken dient.
Ihr müsst euch also im Klaren sein, wo eure Geschichte spielt und welchen Begriff ihr als allgemeingültig empfindet. Wichtig ist, dass ihr bei einem Begriff bleibt.


2. Rolle des Herrenhauses

Ein Herrenhaus bietet eine Menge guten Stoff für eine Geschichte. Gesellschaftskritische Dramen fühlen sich dort genauso zuhause wie Liebesdramen oder Horrorgeschichten. Letzteres fand schon seit jeher einen Weg in die Literatur, wie zum Beispiel in einigen Romanen von Stephen King (Rose Red) oder Barbara Erskine (Der Fluch von Belheddon Hall). Im Bereich der Geistergeschichten und des Horrors siedelt sich auch mein Beispiel für euch an.

3. Grundaufbau und Bestandteile

Die bauliche Entwicklung der Herrenhäuser setzte mit der Entstehung der landwirtschaftlichen Güter um 1500 n. Chr. ein. Ursprünglich handelte es sich um schlichte aber massive Wohnhäuser, die den Mittelpunkt der Gutsanlagen bildeten. Oft hatten sie jedoch auch nur einen Feldsteinsockel und darüber einen Fachwerkaufbau, zudem teilweise einen Gewölbekeller und als Anbau einen Treppenturm. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts setzte sich der Ziegelstein für die Außenmauern durch. Über zweiflügelige Anlagen entwickelte sich das Herrenhaus zum Dreiflügelhaus weiter, welches die umgebende Landschaft beherrschte und schon von weitem sichtbar war. Im Wiederaufbau nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde das Herrenhaus zum Zentralbau größerer Hofanlagen. Ihm vorangestellt war häufig ein Torhaus, das den Eingang zur Anlage bildete. Des Weiteren ist die Ausstattung reicher und hochwertiger als auf normalen Bauernhöfen. Sicher erinnert ihr euch an schicke Möbel, große Gemälde an den Wänden und schwere Vorhänge. Ihr macht nichts verkehrt, wenn ihr euch für die Beschreibung Fotos sucht und anhand dieser euren Text verfasst. Entweder ihr wählt einen Fachwerkbau mit seinen typischen Holzbalken, schiefen Wänden und rechteckigen Fenstern, oder ihr schaut euch nach einem klassizistischen Gebäude aus Stein um, mit vorwiegend geradlinigen Formen und großen rechteckigen Fenstern. Ich werde euch im Rahmen diesen Artikels leider nicht alle möglichen Merkmale und Bestandteile beschreiben können, aber mein Beispiel wird euch sicher etwas Anregung geben. Werdet zu Bauforschern!


4. Am Rande des Geschehens

In diesem Artikel wird es ein wenig gruselig, denn wer kann schon erahnen, was sich hinter alten Mauern alles verbirgt? So wie der Journalist Manuel in meinen kleinen Beispielen.



Seufzend stellte Manuel die Kaffeetasse neben sich auf dem Tisch ab, um sich die Schlagzeile in der Tageszeitung genauer anzusehen. „Mädchen im Haus der Großeltern verschwunden“. Manuel betrachtete mit gerunzelter Stirn das Foto, welches mit dem Artikel abgedruckt war. Auf diesem war das neunjährige Mädchen mit ihren Großeltern noch glücklich vereint. Sie standen vor einem alten herrschaftlichen Haus und lächelten ihm aufgeschlossen entgegen. Das steinerne Gebäude war sehr gut in Schuss. Wahrscheinlich hatte man es kürzlich saniert. Aber hätte eine solche Aktion an einem historischen Anwesen nicht auch die Aufmerksamkeit der Presse auf sich gezogen? Manuel war vor einem halben Jahr erst dort vorbeigefahren und da hatte er nicht den Eindruck gehabt, als sei das Haus in einem besonders guten Zustand gewesen. „Das wird sicher noch interessant werden“, dachte Manuel laut vor sich hin. Morgen war er bei dem Ehepaar für ein Interview verabredet. Bisher waren beide nicht besonders gesprächig gewesen und lehnten jedwede Zusammenarbeit ab. Warum waren sie dann bereit mit ihm zu reden? Auch wenn Manuel eine Menge Fragen durch den Kopf gingen, war sein Forschergeist geweckt. Er würde schon herausfinden, was für eine Geschichte wirklich hinter dem Verschwinden steckte.

...


Wie ihr an dieser Szene seht, ist es nicht nötig, das Herrenhaus auf dem Foto genauer zu beschreiben. Es ist nicht wichtig, wie viele Fenster es besaß oder ob man Vorhänge sah. Für den Fortgang des Geschehens ist es wichtig, zu wissen, dass das alte Haus recht neu und unversehrt ausschaut, denn normalerweise nagt der Zahn der Zeit auch an solchen steinernen Gebäuden. Es steht vor allem im Kontrast zu dem alten Ehepaar und dem Mädchen. Diese passen zu der Altersangabe im Zeitungsartikel. Deswegen meldet sich Manuels journalistisches Bauchgefühl. Das Foto entspricht nicht den Beschreibungen im Text.


5. Aufbau und Bestandteile

Bleiben wir bei Manuel und seinem Interview. Wenn er zum Ehepaar ins Haus fährt, wird es natürlich notwendig werden, etwas mehr zu beschreiben, gerade wenn das Haus eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Geschichte spielt.

6. Einordnung in die Geschichte

Ich habe mich dazu entschlossen, den Großeltern und dem Haus die Hauptrollen zu geben (neben Manuel natürlich). Er wird nicht nur Probleme mit den Großeltern bekommen, die ihr Geheimnis wahren wollen, sondern auch mit dem Haus selbst. Das bedeutet für mich als Autor: Beschreiben, Beschreiben, Beschreiben.

7. Objekt ausführlich beschreiben und in die Szene einbauen



Am nächsten Tag ist das Interview. Als Manuel vor dem Haus steht, denkt er, dass es unnatürlich neuwertig aussieht. Manuel spricht mit den Großeltern Herr und Frau van Villen. Doch so wirklich wollen sie auch seine Fragen nicht beantworten. Alles, was sie sagen, wirkt komisch, als wären sie nicht ganz bei sich. Manuel hat ein mulmiges Gefühl im Bauch und versucht, das Interview zu beenden, doch muss er sich immer weiter Geschichten über das Mädchen anhören. Als das Ehepaar den Raum verlässt, um Tee zu holen, sieht Manuel die Chance den Rückzug anzutreten.

Manuel hielt die Luft an, bis die Stimmen der beiden Alten verstummt waren. Dann erhob er sich aus dem gepolsterten Sessel und schlich zu der Tür, durch die er den Wohnraum betreten hatte. Bei jedem Knarzen des Parketts zuckte er leicht zusammen. Es war unmöglich für ihn, sich lautlos zu bewegen. Als er endlich an der großen hölzernen Flügeltür angekommen war, warf er noch einmal einen nervösen Blick über die Schulter. Da war niemand, obwohl ihm das Gefühl nicht los ließ, dass er beobachtet wurde. Langsam drückte er die goldene Klinke herunter, doch die Tür schwang nicht auf. Er versuchte es noch einmal. Solch alte Türen hatten schon so ihre Macken. Doch auch beim zweiten und dritten Mal blieb er erfolglos. Das mulmige Gefühl in seiner Magengegend wurde stärker. Man sperrte seine Gäste doch nicht ein.
Ein Kinderlachen ertönte aus der Ferne. „Hier bin ich!“, ertönte eine Mädchenstimme. Manuel drehte sich erschrocken um. „Annabell? Bist du das?“ Seine Frage blieb unbeantwortet. Immer wieder war das Kinderlachen zu hören. Es schien sich immer weiter zu entfernen. Er versuchte der Stimme zu folgen, legte das Ohr an einen der Wandteppiche an und ging die Wände ab, bis er an dem offenen Kamin ankam. Ein kühler Windhauch ließ ihn frösteln, doch die Stimme war verschwunden. „Hallo? Ist da wer?“, fragte er in den Kamin hinein und kam sich dabei schon ein wenig komisch vor. Nur sein Echo hallte den Schornsteinschacht nach oben. Das wird alles eine Erklärung haben. Er trat schließlich ans Fenster. Die Sonne war hinter dicken schwarzen Wolken verschwunden und tauchte den Raum in ein dämmriges Licht, obwohl es noch nicht einmal Mittag war. Im Sonnenlicht hatten die Wandteppiche, auf denen Jagdszenen abgebildet waren, und der Stuck an der Decke sehr herrschaftlich und ansehnlich ausgesehen. Jetzt verschwammen die Konturen und ließen den Raum weniger freundlich wirken. Auch die Fenster waren verschlossen. Die Holzfenster waren undicht. Er spürte, wie sich der Wind einen Weg durch die Ritzen suchte. So gut in Schuss schien das Haus doch nicht zu sein.
„Genießen Sie die Aussicht?“
Seine Gastgeber waren mit einem Tablett zurückgekehrt. Er hatte sie nicht kommen hören. Ihr Lächeln wirkte irgendwie falsch.
„Ja...“ Er trat vom Fenster zurück und setzte sich wieder auf seinen Platz. „Ich hatte eine Stimme gehört und wollte nachsehen, woher sie kam“, erklärte er und hoffte, eine Erklärung von dem alten Ehepaar zu erhalten.
„Eine Stimme?“, fragte die bereits ergraute Dame mit einer Unschuld in der Stimme, die Manuel sofort das Gefühl gab, verrückt geworden zu sein.Sie stellte das Tablett so fahrig auf dem edel glänzenden Holztisch ab, dass das Service klirrte.
„Es war eine Mädchenstimme.“
„Das glaube ich kaum.“ Ihr Mann schien sich besser im Griff zu haben. Aber was verschwiegen ihm die beiden denn?
„Ist iIre Enkelin noch hier?“, fragte Manuel und beobachtete, wie man ihm eine Menge Zucker in den Tee gab.
„Wir haben doch gesagt, dass wir sie schon länger nicht mehr gesehen haben“, sagte Van Villen nachdrücklich.
„Ich glaube, Sie müssen sich einfach etwas ausruhen. Sie sind sicher überarbeitet!“ Seine Frau reichte ihm eine Tasse Tee. Eigentlich hatte er sich fest vorgenommen, nichts in diesem Haus zu sich zu nehmen. Da ihn das Ehepaar aber nun dermaßen eindringlich ansah, entschloss er sich doch einen kleinen Schluck zu riskieren. Sie würden ihn schon nicht vergiften. „Na sehen Sie. So ein Tee tut doch gut.“
„Hm.“ Tatsächlich fühlte sich Manuel sofort entspannt. Aus Gewohnheit nahm er einfach noch einen Schluck. Der Tee war sehr aromatisch und entspannte seinen Körper und Geist. „Was ist das für ein Tee?“ Er fühlte sich irgendwie komisch. Seine Gliedmaßen wurden erst schwer und dann taub. Sein Geist glitt ihm davon, und noch bevor er eine Antwort hören konnte, umgab ihn vollkommene Dunkelheit.



Die Beschreibungen in dieser Szene sind schon etwas genauer als die in der vorigen. Trotzdem empfinde ich es als nicht nötig, jeden Kerzenständer oder das Teeservice genau zu beschreiben. Der Leser wird sich schon vorstellen können, dass Manuel sich nicht in einem normalen Wohnzimmer befindet. Es ist wie immer eine Frage des Geschmackes. Wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr doch etwas mehr beschreiben wollt, dann tut dies einfach. Es gibt keine Regel dafür. Aber denkt immer daran, dass man Dinge auch totbeschreiben kann.


8. Einbau in die Geschichte und Vorlage bei Betalesern

Was sagen eure Freunde und Betaleser dazu? Empfinden sie die Beschreibungen für ausreichend? Wenn sie sich nicht sicher sind, könnt ihr ihnen noch eine weitere Version vorlegen, in der ihr mehr (oder weniger) beschreibt. Es wird sich sicherlich ein Mittelweg finden lassen.

ANMERKUNG:
Was mit dem Mädchen Annabell wirklich passiert ist und was Manuel noch alles durchmachen muss, werde ich euch nicht verraten. Die Storyidee gefällt mir so gut, dass ich sie vielleicht richtig in einer Geschichte ausschreiben werde. Daher kann ich euch noch einen Tipp mit auf den Weg geben. Wenn ihr Beschreibungen übt, dann denkt euch doch immer etwas Neues aus. Sucht euch ein neues Thema und schaut, was euch dazu einfällt. Vielleicht geht es euch wie mir und ihr habt tatsächlich wieder eine spannende Storyidee.
 

Schreibaufgabe:
Sucht euch ein Herrenhaus und ein Thema aus und übt das Beschreiben in einer Szene ein wenig. Versucht euch in euren Beschreibungen immer etwas mehr ins Detail zu steigern. Viel Spaß!


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Zum Weiterlesen:


Fasziniert von der Welt, mit zu vielen Hobbys im Gepäck, versucht Anki ihren Gedanken Ausdruck zu verleihen. Mit Worten, aber auch mit Foto und Design greift sie auch anderen gerne unter die Arme. Willkommen beim Zeitfänger!



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