Damit sind wir beim nächsten Punkt. Wir brauchen eine Lehre. Am besten eine, die gar nichts neues birgt, nur schön und verschwurbelt formuliert vorgaukelt, der Weg zu sein.
Mit dieser Lehre wenden wir uns nun an all die Verlorenen, die Sucher, die Einsamen und Unglücklichen. Wir versprechen ihnen Glück, Sinn, Seelenfrieden, Befreiung und Gemeinschaft (wenn sie sich an die Regeln halten).
Die Regeln müssen klar formuliert sein und keinen Raum zum Nachdenken lassen. Am besten lassen wir unsere neuen Anhänger 13 Stunden am Tag hart körperlich arbeiten (13 ist eine heile Stundenzahl, die den Geist in einen Zustand des sich Öffnens zur Heiligkeit bringt), es gibt die ganze Zeit über kein Essen und Trinken, nach der Arbeit wird noch lange und ausgiebig gebetet, meditiert oder wie auch immer das Bewusstsein betäubt.
Natürlich hat unserer Heilbringer seine Lehren mittlerweile verschriftlicht. Diese Schriften muss ein jeder Anhänger kaufen (es soll dem Guru ja gut gehen, wozu sonst der ganze Aufwand?) und auswendig lernen.
Bei Sonnenuntergang gibt es eine karge Mahlzeit (die natürlich streng reglementiert ist, da sehr viele Speisen unrein sind und den Geist vernebeln. Am besten darf man nur selbst angebautes und geerntetes zu sich nehmen, damit wäre ein Großteil der Arbeit gedeckt).
Nun wirkt das alles sehr anstrengend und gar nicht schön, deshalb lassen wir 24 Stunden am Tag sphärische Klänge und hypnotisch gemurmelte Worte des Gurus über Lautsprecher auf alle herabregnen.
Ganz wichtig ist auch, dass alle anderen, also all jene, die nicht an die Lehre des Heiligen glauben, böse sind. Sie wollen das Heil zerstören, die Welt, den Weg zu Gott. Deshalb wenden wir uns kollektiv von ihnen ab, sie beschmutzen und vergiften unsere Seelen, neiden und verwehren uns die Glückseligkeit. Was sie uns sagen, sind vergiftete Worte, Lügen und aus ihnen spricht die Stimme des Teufels, der sehr geschickt formulieren kann, so geschickt, dass ein einfacher Jünger die Lüge nicht erkennt, zum Glück aber vom Guru und dessen Wahrheit beschützt wird.
Ebenso verhält es sich mit den eigenen Gedanken, sie sind durchsetzt und verwirrt von den Lügen und Täuschungen der Welt, sie flüstern ununterbrochen Versuchungen, ins Unglück zurück zu kehren, das Böse hat sie zu seiner Waffe gemacht.
Natürlich wird es immer den ein oder anderen Zweifler geben, jemanden, der Fragen stellt, der das Gefühl hat, es stimme etwas nicht. Hier muss unser Erretter sofort eingreifen. Das kann er auf verschiedene Weise tun. Er ruft z.B. den Zweifler zu sich, begegnet ihm auf die vertrauteste Art, die ihm möglich ist, und macht ihm klar, dass der Zweifel das letzte Aufbäumen ist, bevor die nächste Stufe der Erlösung erreicht wird, dass es ganz normal ist, dass gerade jetzt die Stimmen des Bösen besonders laut und eindringlich sprechen. Aber auch, dass er sehr stolz auf seinen Jünger ist, da er so schnell an diesen Punkt gelangt ist, er dürfe nur jetzt nicht aufgeben, bald werde er sich befreit sehen, ein Schleier werde sich heben und ihm ganz neue Herrlichkeiten zeigen, inneren Reichtum, auf einem Gipfel werde er stehen und den Weg ganz klar sehen.
Ist der Zweifler hartnäckig, gibt es noch die Möglichkeit ihn mit einer ganz besonderen Aufgabe zu betrauen, ihm Wichtigkeit zu verleihen, da er etwas Besonderes ist (das ist eine gute Gelegenheit, um ein Spitzelsystem zu installieren, in dem sich die Mitglieder der Sekte gegenseitig überwachen, sich immer wieder auf den rechten Weg schubsen und im Notfall den Guru informieren).
Um das alles zu unterstützen, ist Angst ein sehr gutes Werkzeug. Der Messias verbreitet Angst, Angst vor den Konsequenzen eines Ausstiegs, vor der Welt da draußen, vor dem unzähligen Bösen, das überall lauert und vor dem man nur in der Gemeinschaft sicher ist, vor der Familie, die schon längst verabschiedet ist und einen nie wieder aufnehmen wird, weil sie Teil des Bösen ist, vor der Verlorenheit in der Welt.
Wenn sich das gefestigt hat, kann unser aller Führer nachschieben, indem er glaubhaft macht, man werde die abtrünnigen Schafe finden und zurück holen (natürlich nur zu ihrem und der Gemeinschaft Besten).
Nun braucht er nur noch zu sehen, wer schon ganz verstrickt und gefangen ist in seiner Lehre, dabei ein dümmliches Grinsen im Gesicht trägt und ausschließlich den Weisheiten folgt. Diese Jünger werden auserwählt in die böse Welt zu ziehen um anderen die Rettung zu bringen, überall sind sie, die Suchenden, die in den Schoß des Heiligen gehören, man muss sie nur ansprechen, ihnen vom Glück erzählen, es ihnen anbieten und sie mitbringen, damit auch sie erfolgreich in die Gemeinschaft integriert werden.
An diesem Punkt läuft unsere Sekte quasi von allein, der Guru braucht sich nur noch ab und zu zu zeigen und wichtige heilbringende Dinge zu verkünden, ansonsten kann er sich zurücklehnen und seine Macht genießen und das Geld, dass er durch den Verkauf seiner Lehre und die Spenden und Gaben der Anhänger einstreicht (es will sich ja jeder lösen vom Bösen in der Welt und begeht einen enormen Befreiungsakt, indem er all sein Hab und Gut der Gemeinschaft, also dem Guru übergibt).
Er selbst ist nämlich befreit von allen Regeln, denn er hat schon längst alles überwunden und zur Heiligkeit gefunden, also können ihm alle Reichtümer der Welt nicht mehr anhaben und er kann sie gefahrlos für sich nutzen (was sich ausbauen lässt, er kann das Geld anlegen, Firmen gründen, an der Börse spekulieren usw. und dadurch vielleicht irgendwann die Weltherrschaft an sich reißen).
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