„Schreiben ist leicht“, stellte Mark Twain einmal fest,“ man muss nur die falschen Wörter weglassen.“ Das klingt zunächst wie die Anleitung zur Herstellung eines Schoko-Nikolaus: Einen soliden Block Schokolade besorgen und dann alles entfernen, das nicht nach einem Nikolaus aussieht. Tatsächlich ist der Rat aber pures Gold, bei dessen Umsetzung sich die Spreu vom Weizen trennt.
Früher dachte ich, viel sei gut. Ich war Fan indischer Literatur, die hemmungslos in die stilistischen Vollen geht, mit Binnenreimen und Alliterationen nur so um sich schmeißt, mit Adverbien der Fülle an Adjektiven hinterherjagt und auf eine Metapher nur dann verzichtet, wenn sich stattdessen ein Bild verwenden lässt. Aber um damit den Lesefluss nicht völlig auszubremsen, muss man genau wissen, was man mit welcher Absicht tut. Wenn Autoren das nicht wissen, erschlagen sie ihre Leser.
Oft hat man beim Lesen gerade von Erstlingswerken den Eindruck, dass die Autoren der Kraft ihrer Worte nicht vertrauen. Also schicken sie ihnen immer Verstärkung mit: Hier noch ein munteres Adjektiv, dort eine Relativeinfügung, und im Satz darauf wird der identische Inhalt nochmals paraphrasiert, damit auch ja nicht irgendjemandem entgeht, was hier gemeint ist. Doch das richtige Wort erspart eine Fülle an anderen. Wenn man schreibt „Sie hetzte die Straße entlang“, braucht man nicht zu schreiben: „Sie lief schnell, aufgeregt und atemlos die Straße entlang.“
Mit Wörtern erschaffen wir beim Schreiben eine Atmosphäre, die im Idealfall später genau so vom Leser wahrgenommen wird. Dies lässt sich aber mit weniger Worten erreichen, als den meisten bewusst ist. Wer gezwungen ist, eine vorgegebene Zeichenanzahl einzuhalten, lernt schnell, auf Überflüssiges zu verzichten, ohne Inhalt, Wirkung und Atmosphäre zu schmälern. Es ist nicht immer nur eine Frage des Platzes, denn Papier ist ja geduldig. Aber die Leser sind es nicht immer, und zu viele Momente des Stillstands, die keinen anderen Zweck erfüllen, als dass der Autor sich an seinen eigenen Formulierungen berauscht, erschöpfen sie schnell (ich blicke hier vorwurfsvoll auf das Spätwerk Salman Rushdies).
Der britische Autor Arthur Quiller-Couch unterschied in seinem Buch über die Schreibkunst zwischen Ornamentik und Stil. Von ihm stammt das Zitat: "Wann immer du den Impuls verspürst, ein Stückchen außergewöhnlich guten Text zu verbrechen, gib ihm aus ganzem Herzen nach – und lösche es wieder, bevor du dein Manuskript zum Druck schickst. Ermorde deine Lieblinge." Aus "Murder your darlings" machte William Faulkner später: “In writing, you must kill all your darlings – beim Schreiben musst du alle deine Lieblinge töten.”
Die Lieblinge, das sind neben besonders ausgeschmückten und oft gestelzten Formulierungen auch philosophische Betrachtungen, die der Autor seinen Lesern gönnt, emotionale Ergüsse, die die Handlung der Geschichte weder vorantreiben noch vertiefen, und Lebenswahrheiten, die in dieser speziellen Story nichts verloren haben. Viele Schreiberlinge verwechseln „Prägnanz“ mit einem nüchternen, kantigen Schreibstil, der auf die Nachrichten beschränkt bleiben sollte. Dabei bedeutet es nichts weiteres, als dass der Bedeutungsgehalt konzentriert ist, die Wörter treffsicher sind und auf weitschweifige, umständliche Erläuterungen verzichtet wird. Auf Ornamentik eben.
Wenn du schreibst, was auch gelesen werden soll, solltest du daher auf einen „g'schmeidigen“ Lesefluss achten. Verwende keine exotischen Fremdwörter, es sei denn, du willst andere Nerds beeindrucken. Vermeide es, dich zu wiederholen, und hole auch nicht sämtliche Adjektive, die dir zu einem Stimmungsbild einfallen, auf der Tasche, um sie gleichzeitig auf den Leser abzufeuern. Im Allgemeinen und überhaupt sind Füllwörter grundsätzlich schlichtweg Klötze, die üblicherweise regelrecht den Lesefluss gewissermaßen blockieren. Einen Vergleich, der abgelutscht ist wie ein alter Zitronendrops, solltest du vermeiden wie der Teufel das Weihwasser. Und etwas zögernd, aber doch inbrünstig möchte ich behutsam hinzufügen, dass es nicht immer vollkommen überzeugend wirkt, wenn du beharrlich darauf bestehst, Adverbien ungehemmt zu verwenden. (Das sind die Lieblinge, die ich selbst täglich töten muss ...)
Wenn du Lust hast, probier doch Folgendes einmal aus: Zähle die Zeichen in einem kurzen Text von dir – und dann stell dich der Herausforderung, sie auf drei Viertel oder sogar zwei Drittel dieser Menge zu reduzieren. Sei ehrlich, wenn eine Formulierung, die du einfach genial findest, im Text nichts Entscheidendes bewirkt. Auf was könntest du verzichten, ohne dass Atmosphäre und Inhalt darunter leiden?
Das kann weh tun.
Doch der Vergleich beider Texte kann ein echter Augenöffner sein.
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Früher dachte ich, viel sei gut. Ich war Fan indischer Literatur, die hemmungslos in die stilistischen Vollen geht, mit Binnenreimen und Alliterationen nur so um sich schmeißt, mit Adverbien der Fülle an Adjektiven hinterherjagt und auf eine Metapher nur dann verzichtet, wenn sich stattdessen ein Bild verwenden lässt. Aber um damit den Lesefluss nicht völlig auszubremsen, muss man genau wissen, was man mit welcher Absicht tut. Wenn Autoren das nicht wissen, erschlagen sie ihre Leser.
Oft hat man beim Lesen gerade von Erstlingswerken den Eindruck, dass die Autoren der Kraft ihrer Worte nicht vertrauen. Also schicken sie ihnen immer Verstärkung mit: Hier noch ein munteres Adjektiv, dort eine Relativeinfügung, und im Satz darauf wird der identische Inhalt nochmals paraphrasiert, damit auch ja nicht irgendjemandem entgeht, was hier gemeint ist. Doch das richtige Wort erspart eine Fülle an anderen. Wenn man schreibt „Sie hetzte die Straße entlang“, braucht man nicht zu schreiben: „Sie lief schnell, aufgeregt und atemlos die Straße entlang.“
Mit Wörtern erschaffen wir beim Schreiben eine Atmosphäre, die im Idealfall später genau so vom Leser wahrgenommen wird. Dies lässt sich aber mit weniger Worten erreichen, als den meisten bewusst ist. Wer gezwungen ist, eine vorgegebene Zeichenanzahl einzuhalten, lernt schnell, auf Überflüssiges zu verzichten, ohne Inhalt, Wirkung und Atmosphäre zu schmälern. Es ist nicht immer nur eine Frage des Platzes, denn Papier ist ja geduldig. Aber die Leser sind es nicht immer, und zu viele Momente des Stillstands, die keinen anderen Zweck erfüllen, als dass der Autor sich an seinen eigenen Formulierungen berauscht, erschöpfen sie schnell (ich blicke hier vorwurfsvoll auf das Spätwerk Salman Rushdies).
Der britische Autor Arthur Quiller-Couch unterschied in seinem Buch über die Schreibkunst zwischen Ornamentik und Stil. Von ihm stammt das Zitat: "Wann immer du den Impuls verspürst, ein Stückchen außergewöhnlich guten Text zu verbrechen, gib ihm aus ganzem Herzen nach – und lösche es wieder, bevor du dein Manuskript zum Druck schickst. Ermorde deine Lieblinge." Aus "Murder your darlings" machte William Faulkner später: “In writing, you must kill all your darlings – beim Schreiben musst du alle deine Lieblinge töten.”
Die Lieblinge, das sind neben besonders ausgeschmückten und oft gestelzten Formulierungen auch philosophische Betrachtungen, die der Autor seinen Lesern gönnt, emotionale Ergüsse, die die Handlung der Geschichte weder vorantreiben noch vertiefen, und Lebenswahrheiten, die in dieser speziellen Story nichts verloren haben. Viele Schreiberlinge verwechseln „Prägnanz“ mit einem nüchternen, kantigen Schreibstil, der auf die Nachrichten beschränkt bleiben sollte. Dabei bedeutet es nichts weiteres, als dass der Bedeutungsgehalt konzentriert ist, die Wörter treffsicher sind und auf weitschweifige, umständliche Erläuterungen verzichtet wird. Auf Ornamentik eben.
Wenn du schreibst, was auch gelesen werden soll, solltest du daher auf einen „g'schmeidigen“ Lesefluss achten. Verwende keine exotischen Fremdwörter, es sei denn, du willst andere Nerds beeindrucken. Vermeide es, dich zu wiederholen, und hole auch nicht sämtliche Adjektive, die dir zu einem Stimmungsbild einfallen, auf der Tasche, um sie gleichzeitig auf den Leser abzufeuern. Im Allgemeinen und überhaupt sind Füllwörter grundsätzlich schlichtweg Klötze, die üblicherweise regelrecht den Lesefluss gewissermaßen blockieren. Einen Vergleich, der abgelutscht ist wie ein alter Zitronendrops, solltest du vermeiden wie der Teufel das Weihwasser. Und etwas zögernd, aber doch inbrünstig möchte ich behutsam hinzufügen, dass es nicht immer vollkommen überzeugend wirkt, wenn du beharrlich darauf bestehst, Adverbien ungehemmt zu verwenden. (Das sind die Lieblinge, die ich selbst täglich töten muss ...)
Wenn du Lust hast, probier doch Folgendes einmal aus: Zähle die Zeichen in einem kurzen Text von dir – und dann stell dich der Herausforderung, sie auf drei Viertel oder sogar zwei Drittel dieser Menge zu reduzieren. Sei ehrlich, wenn eine Formulierung, die du einfach genial findest, im Text nichts Entscheidendes bewirkt. Auf was könntest du verzichten, ohne dass Atmosphäre und Inhalt darunter leiden?
Das kann weh tun.
Doch der Vergleich beider Texte kann ein echter Augenöffner sein.
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Zum Weiterlesen:
- Wege aus der Überarbeitungsspirale
- Bernsteinfarbene Flüssigkeit am lauen Sommerabend - Über Attribute, Metaphern und Originalität
- Der rote Faden – oder: Was sich zu kürzen lohnt
Martina lebt in München und seit 2013 vom Schreiben und zwar beides sehr gern.www.martinapahr.de
www.besterblogderwelt.de
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