Mittwoch, 10. Mai 2017

Täglich - aber wie?

Immer wieder ist die Rede davon, dass man als Autor möglichst täglich schreiben sollte, dass man eine Routine braucht.

Aber dem stehen so viele andere Dinge im Weg.

Und am allermeisten jeder Autor sich selbst.




In diesem Artikel geht es nicht um die Wichtigkeit der Routine, sondern um einen Erfahrungsbericht zum Aufbau von Routine. Er zeigt nicht den einen richtigen Weg, um sich das tägliche Schreiben zu erleichtern, sondern nur eine Möglichkeit dies zu erreichen.

Der Auslöser für mich lag in einem Monatsevent eines Forums. Darin ging es darum täglich eine Stunde zu schreiben (ich beziehe mich hier im Verlauf auch weiterhin auf Zeiten, selbstverständlich gehen aber auch feste Wortziele). Es heißt, es braucht wenigstens sechzig Tage, um eine feste Routine aufzubauen, wobei sich bei den Zahlen bereits die Geister scheiden. Meine Erfahrung ist, nach sechzig Tagen ist es etwas leichter, aber für eine feste Routine habe ich mindestens ein Vierteljahr gebraucht.

Auf dieser Aussage aufbauend, bot das Forum mit dem Event einunddreißig Tage lang Unterstützung in Form gegenseitiger Motivation ähnlich wie in Schreibmonaten wie dem NaNoWriMo.

Ich wollte zu dem Zeitpunkt mehr als nur regelmäßig schreiben (was ich auch schon tat, für mich galt es eher, Weiteres mit in meinen Alltag zu integrieren, deswegen lässt es sich auch vergleichen). Ich habe daher die vorgegebene Stunde auf vier Aktivitäten gesplittet: Schreiben, plotten, lesen und das Erlernen japanischer Schriftzeichen. Mir mangelte es nämlich am täglichen Lesen und ebenfalls wollte ich unbedingt ein zweites Projekt in einem anderen Bearbeitungsstatus einbauen.

An dieser Stelle kommt der Punkt, an dem wir Autoren uns gern selbst im Weg stehen, in dem wir viele Gründe finden und erfinden, warum uns die Zeit fehlt. Hier hat mir geholfen, es mir zur täglichen Pflicht zu machen. Jeder von uns schafft es Zeit zu finden, um auf FB vorbeizuschauen, mit einer Freundin zu telefonieren, einen Freund zu treffen und darüber hinaus auch Dinge wie den Haushalt zu erledigen. Für all diese Dinge finden wir Zeit, teilweise weil wir es wollen, teilweise weil sie nötig sind. Und für mich zählte, diese vier Dinge täglich mindestens fünfzehn Minuten als nötige Dinge zu integrieren. Es fällt uns nicht schwer täglich gewissen Routinen im Bad nachzugehen, weil sie uns wichtig sind und wir sie als nötig empfinden. Warum dem Schreiben (oder allgemein der Projektarbeit) nicht denselben Stellenwert geben?

Das habe ich mir als wichtigen Ausgangspunkt genommen. Ich musste diese Dinge tun. Punkt. Ein Versagen kam für mich nicht infrage. Hier kommt die Eigenmotivation ins Spiel, wenn kein solches Event im Raum steht, und eben auch die Selbstkontrolle. Jeder von uns muss es wollen, sonst wird es nicht funktionieren.

 

Tipp 1:

Setze dir ein wirklich kleines Ziel. Du kannst es immer überschreiten, wenn die Zeit da ist, aber du gerätst nicht unter Druck, wenn dem nicht so ist. Und nicht zu vergessen, Kleinvieh macht auch Mist.

Bei mir waren es eben fünfzehn Minuten. Die lassen sich immer irgendwie finden. Ich habe sie genutzt, als ich zu einem Konzert gefahren bin (als Beifahrer selbstverständlich). Selbst am Tag der Einschulung meiner Nichte habe ich bei der Rückkehr in die Pension noch eine Viertelstunde geschrieben, denn die Zeit vergeht schnell. Ich habe damit innerhalb eines Jahres fast 283.000 Wörter geschrieben. Natürlich hängt das auch vom Schreibtempo ab, meines ist etwas höher. Dennoch komme ich in diesem Jahr auf eine durchschnittliche Schreibzeit von nur zwanzig Minuten am Tag.

Übrigens erhöht tägliches Schreiben auch das Tempo. In den ersten sechs Monaten steigerte sich meine durchschnittliche Wortzahl pro Minute, ab da schwankte es. Um mal in Zahlen zu sprechen, im ersten Monat waren es 14,22 Wörter/Minute, im sechsten Monat lag ich bei 38,25 Wörtern/Minute, ich hatte davor aber lange Zeit gar nicht geschrieben, was die sehr geringe Anzahl zu Beginn erklärt.

 

Tipp 2:

Halte dich wirklich täglich daran.

Ich habe immer eine Liste vor mir liegen (auch heute noch), in die ich die Zeiten eintrage und ebenfalls für den Tag zusammen addiere. Gerade in den ersten Monaten ist die Kontinuität wichtig, wie oben schon erwähnt. Pausen setzen dich auf den Anfang zurück, zumindest solange, bis dir die tägliche Arbeit am Projekt in Fleisch und Blut übergegangen ist und dir etwas fehlt, wenn du es nicht tust. Eine solche Liste hilft dir zu sehen, ob du dein tägliches Soll erfüllt hast und zeigt dir auch deine Erfolge auf.

 

Tipp 3:

Warte nicht auf irgendwelche Musen.

Die kommen nicht. Und vor allem lernt man mit so einer Routine, auch ohne sie zu arbeiten. Das klingt unglaublich? Ich habe das früher auch gedacht und eine andere Erfahrung gemacht. Das tägliche Arbeiten sorgt dafür, dass du nie richtig aus deinem Projekt rauskommst, wodurch der Einstieg auch leichter fällt.

 

Tipp 4:

Lese nicht jedes Mal alles, was du geschrieben hast.

Zum einen lenkt es ab und klaut dir einen Teil deiner kostbaren Zeit. Zum anderen finden sich darüber nur Fehler. Unser innerer Lektor ist ohnehin schon schwer im Zaum zu halten. Ich habe bei meinen kleinen Häppchen immer nur den Text des Vortages gelesen. Das waren je nach Schreibdauer zwischen rund 500 und 1.000 Wörtern. Das dauert also selten mehr als fünf Minuten. Damit war ich im Flow meiner Geschichte drin und konnte sofort wieder ansetzen.

 

Tipp 5:

Ignoriere Fehler.

Dies ist ganz wichtig. Du hast bestimmt am vorigen Tag Tippfehler im Manuskript hinterlassen. Dir fällt vielleicht eine Stelle auf, die aus reinem Tell besteht und doch eigentlich Show braucht. Das ist egal. Dafür ist die Überarbeitung da. Den Buchstabendreher kannst du später korrigieren, der Text bleibt auch mit ihm verständlich. Du befürchtest, du erkennst das Tell später in der großen Textflut nicht mehr? Setze dir einen Hinweis dahinter, dann findest du das später auch wieder.

 

Tipp 6:

Ignoriere dein Umfeld, egal ob real oder virtuell.

Sage deinem Partner/deiner Familie, dass du für dein gesetztes Zeitfenster Ruhe brauchst. Je nachdem wie du gestrickt bist, ignoriere all die blinkenden und piepsenden Fenster (FB, Skype und was es noch so gibt) oder trenne ganz einfach die Internetverbindung. Es geht hier nur um ein paar Minuten. Die wird die Welt auch ohne dich überstehen, aber du kommst in deinem Text voran. Während du unter der Dusche stehst, geht das doch auch.


Einige der Tipps sind nicht neu, sie werden häufig genannt oder sogar genutzt. Vor allem das Ignorieren der Fehler und die Ruhe für dich liegen dabei ganz vorn.

Aber gerade die tägliche Arbeit am Projekt ist das, was meiner Ansicht nach am Wichtigsten ist. Gönne dir keine freien Tage. Stephen King lebt nach diesem Motto und er fährt damit gut. Sein tägliches Ziel liegt weit höher, zumal sein Schreibtempo wiederum niedriger ist. Zum Aufbau der Routine und mit einem Brotjob/dem Studium und dazu vielleicht noch einer Familie mit kleinen Kindern finde ich diese Hürden aber einfach als zu hoch angesetzt. Die Ziele müssen klar realistisch bleiben, ansonsten geht der Spaß an der ganzen Sache verloren.

Apropos Spaß. Nicht jeder Tag wird sich danach anfühlen. Im Gegenteil. Für mich waren es oft gefühlte sechs von sieben Tagen, an denen ich keine Lust hatte, mich aber trotzdem hingesetzt habe. So, als wäre ich zu meinem Arbeitsplatz gefahren, hätte den PC hochgefahren und wäre meinen Tätigkeiten im Job nachgegangen. Bei ihnen fragt man sich auch nicht, ob man Lust dazu hat, man tut es einfach. Sicher, dafür wird man bezahlt, aber werden wir Autoren das nicht auch, wenn wir irgendwann unsere fertige Geschichte in den Händen halten? Dies wird aber nur geschehen, wenn wir kontinuierlich an ihr arbeiten.

In dem Sinne ... setz dich täglich hin und schreib.

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Zum Weiterlesen:


Mel lebt als bislang unveröffentlichte Autorin in Berlin und arbeitet seit ein paar Jahren regelmäßig an Romanprojekten, in denen sie mit jedem neuen ihre Fähigkeiten des Schreibhandwerks zu verbessern lernt. Wer sich mit ihr austauschen möchte, kann sie hier finden.



3 Kommentare:

  1. Ein lesenswerter Artikel, danke.

    Vor allem die Tipps, Fehler zu ignorieren und Geschriebenes nicht immer wieder durchlesen, finde ich sehr wichtig.

    Dein Schreibtempo finde ich phänomenal. 500 bis 1.000 Worte in nur zwanzig Minuten? Das ist für mich unvorstellbar. Respekt.

    Kleiner Hinweis: Es heißt "Lies", nicht "Lese". ;-)

    Was mich außerdem zum Schmunzeln gebracht hat: Dieser Beitrag handelt davon, wie wichtig das tägliche Schreiben ist. Der erste Link führt zu einem Beitrag mit der Überschrift: "Warum es keine Schande ist, einfach mal nicht zu schreiben." :-D

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    1. Oje, meine erste Antwort auf einen Kommentar und ich setze sie natürlich als neuen Kommentar. Sie findet sich unter deinem Kommentar. :-)

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  2. Vielen Dank für deinen lieben Kommentar. :-)

    Das Tempo ist ein bisschen Übungssache, zusätzlich schreibe ich blind, was auch eine Erhöhung fördert. 1.000 Wörter in zwanzig Minuten sind es nicht ganz, aber in dreißig Minuten schaffe ich sie locker, wenn ich regelmäßig schreibe. Ich habe mal die oben genannten Zahlen umgerechnet und komme damit auf ungefähr 39 Wörter pro Minute. Das ist auch der Schnitt, den ich zum Einschätzen für mich zugrunde lege.
    Aber da ist jeder anders. Wer 200 Wörter in einer Viertelstunde schafft oder auch 100 Wörter, der schreibt ja trotzdem. Tempo ist bei Weitem nicht alles.

    Danke für den Hinweis, das ist mir durchgerutscht. :-)

    Stimmt, das ist leicht zum Schmunzeln, dazu passt ebenfalls der Beitrag, der am Wochenende noch online gekommen ist, dass es manchmal auch einfach wichtig ist, nicht zu schreiben. Und ich teile diese Ansicht sogar. Es gibt Zeiten im Leben, da muss man auch Abstand nehmen können. Nämlich dann, wenn die Routine beginnt einem zu schaden. Ich habe diese Zeiten auch hinter mir und auch daraus für mich Erkenntnisse gewonnen, wie ich damit umgehen kann. Im Grunde ist eine gesunde Mischung aus beidem gut. Nur muss man eben erstmal eine Routine haben, bis man sie aufgeben kann, wenn es nötig wird.

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