Mittwoch, 11. Januar 2017

Sind wir mal ehrlich – Realistisch sein in fantastischen Welten

„… Es ist auf jeden Fall total realistisch. Ich meine es wäre seltsam, wenn die Wasserwesen plötzlich Flügel bekämen, aber so ist das sehr realistisch.“ 

Meine Mutter wirft mir einen Blick zu der deutlich sagt, dass ich jetzt wohl von allen guten Geistern verlassen bin.

„Wir reden hier immer noch von Menschen mit Robbenschwänzen.“ Sie runzelt die Stirn und ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen.

„Mama, es ist realistisch in der Buchwelt!“ Vielleicht etwas überheblich schüttele ich den Kopf. 

Dieses Gespräch habe ich, so ähnlich, vor ungefähr einer Woche mit meiner Mutter geführt. Kurz davor haben wir noch darüber gesprochen, wie lange es wohl dauert, bis eine Wasserleiche verwest. Sie nimmt, zu meinem Glück, regen Anteil an dem, was ich schreibe, und liest meine Geschichten auch sehr gerne. Mit ihr kann ich gut über so etwas reden, bis wir an diesen Punkt kommen.

 

Was ist realistisch?

Uns allen ist klar, dass man als Autor prinzipiell alles tun und lassen kann. Du bist Gott, sage ich mir immer vor, was dann doch wieder etwas abgehoben klingt, aber es stimmt. In dieser Welt, die ich mit meinen Worten und Sätzen gebaut habe, bin ich Gott.

Trotzdem, und hier kommt das große aber, müssen auch wir uns an Regeln halten. Wenn wir einmal ein Gesetz für eine Welt bestimmt haben, dürfen wir das nicht im nächsten oder übernächsten Kapitel einfach über den Haufen werfen, nur weil es uns gerade passt.

Bei einem gemeinsamen Schreibwochenende hat sich eine Freundin gerade darum bemüht, in eines der sichersten Gebäude einzubrechen, die es in ihrer Welt gibt. Es ist ihr gelungen, aber es hat sie einige Stunden gekostet, denn sie konnte all ihre Regeln nicht über den Haufen werfen. Diese Szene ist auch besonders spannend und ich finde, sie ist ihr sehr gut gelungen. Allein daran merkt man oft schon, wie viel Mühe der Autor sich damit gegeben hat. Es wäre unrealistisch gewesen, wenn es plötzlich ein Blitzlicht gegeben hätte und alles wäre erstarrt. Dann hätte niemand die Geschichte mehr ernst genommen.

Genauso realistisch ist es, dass meine Wasserwesen keine Flügel bekommen. Das steht ihnen einfach nicht zu, wäre vielleicht einfacher, aber tja … den Zug hab ich wohl verpasst, als ich am Anfang bestimmt habe, dass sie nicht fliegen können.

 

Warum über diesen Realismus diskutieren?

Meine Mutter hinterfragt oft Dinge, die für mich logisch sind. Sie hat es nicht so mit Fantasy, deswegen kennt sie sich da nicht so aus und stellt vieles infrage, was ich als selbstverständlich annehme. Das bringt mir eine ganz neue Perspektive. Ein Blickwinkel, den ich hin und wieder so überhaupt nicht nachvollziehen kann.

Wenn ich davon spreche, dass in meiner Welt etwas realistisch ist, halte ich mich tatsächlich in den meisten Fällen auch an gegebene Naturgesetze der realen Welt. Das liegt aber daran, dass ich mir bis jetzt noch keine eigenständige Fantasywelt gebastelt habe. In den meisten davon, sind die Naturgesetze natürlich auch gleich, doch wie definiere ich dann Magie und jede Art von Zauberei. Wie erkläre ich, dass meine Drachen, ähnlich wie Hummeln, zu dick zu fliegen sind und es trotzdem können. Es muss in jeder Welt gewisse Regeln dafür geben. Gerade bei Übernatürlichem können wir unsere eigenen Gesetze einführen, doch an die muss sich gehalten werden. Mit einem einfachen „Es ist jetzt halt so“ können wir uns da nicht immer aus der Affäre ziehen.

Warum also über diesen Realismus diskutieren? Für uns mag das, was wir als Regeln festgelegt haben, sehr logisch erscheinen, aber wir müssen das auch nachvollziehbar gestalten. Dem Leser muss das erst erklärt werden. Wenn man ständig von einem unzerstörbaren Amulett spricht und es dann aus Versehen kaputt geht, weil ein Drache sich drauf gesetzt hat, dann sollte man sich da besser ein paar Gedanken mehr darüber machen. Natürlich ist das jetzt etwas überspitzt dargestellt.

Vergesst eure Regeln nicht und haltet euch auch daran. Hier hilft der Gottkomplex nämlich nicht mehr.

 

Und wenn ich von meinen Regeln ausgebremst werde?

In diesem Fall wäre mein erster Vorschlag: Denke lange und gründlich darüber nach, ehe du etwas änderst, denn oft hat man sich die Regeln ja aus einem bestimmten Grund ausgedacht.

Falls es gar nicht anders geht, dann kann man immer noch zurückgehen und etwas umschreiben, dann ist es aber wichtig, dass man kontrolliert, ob die rückwirkende Veränderung eine andere Szene unlogisch macht. Es sollte gut durchdacht sein, ehe ihr etwas ändert, denn es bedeutet viel Arbeit das Durcheinander, das dadurch entstehen könnte, wieder zu ordnen.

Alles in allem sei gesagt: Viel Recherche und Vorbereitung erleichtern einem, wie so oft, das Leben. Scheut euch trotzdem nicht davor, eure eigenen Regeln aufzustellen. Nicht alles ist in Stein gemeißelt.

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Zum Weiterlesen:




Valarauco bloggt außerdem auf: Valaraucos Buchstabenmeer



2 Kommentare:

  1. Genau! Ich kann mich gar nicht erinnern, wie viele "Aber es ist FANTASY, also geht alles" oder "Es ist MAGIE, das muss man nicht erklären" -Diskussionen ich schon geführt habe.

    Jede Welt - auch eine fantastische - hat immer Regeln, die man nicht einfah so brechen kann.

    Ein guter Artikel :)

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    1. Danke :) Ich freue mich immer, wenn ich höre, dass es nicht nur mir so geht^^ Wie oft bin ich schon beim Lesen verzweifelt, weil der Autor sich nicht an seine Regeln gehalten hat. Für mich wäre es wahnsinnig schlimm, wenn mir das selbst passieren würde :) Danke für deinen Kommentar

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