Mittwoch, 15. Juli 2015

Über die phantastischen Wesen – Von den Halblingen


Halblinge, dazu zähle ich jetzt auch die Hobbits von Tolkien, sind die kleinsten, an sich nicht magischen Wesen, die einem üblicherweise in Fantasywelten über den Weg laufen. Sie sind ziemlich friedfertig, essen und schlafen den ganzen Tag und sind keine Bedrohung für die anderen Völker – und genau das macht sie zu einem weltenbastlerischen Problem.



Wenn man von einer klassischen Evolution wie bei Darwin ausgeht, ist es schon sehr unwahrscheinlich, dass sich Halblinge entwickeln können.
Dies gilt besonders für die Hobbits, die ein fruchtbares, ruhiges Land besiedeln, das auf jeden Fall für Menschen und Elfen höchst interessant ist. Wenn sie in einer Umgebung leben würden, wo sonst kein Volk gut überleben kann, könnte man argumentieren, dass sie eine biologische Nische besetzen. In der Welt von Dungeons & Dragons und Warhammer sind die Halblinge dagegen relativ wehrhaft und flexibel. Bei D&D ziehen sie umher, können sich gut verstecken und sind durch ein Weltenportal gekommen - Der evolutionäre Aspekt wird hier ausgeklammert. Auch bei Warhammer wurden alle Völker des „Guten“ bzw. der Ordnung dazu geschaffen, die Völker des „Bösen“ bzw. des Chaos zu jagen. So leben zwar auch die Warhammerhalblinge recht beschaulich, stellen aber ebenfalls Militäreinheiten wie äußerst geschickte Waldläufer und das gefürchtete Suppentopfkatapult.

Ironischerweise legen gerade die Hobbits, die man, als ganzes Volk gesehen, wohl als die wehrloseste Spielart der Halblinge sehen kann, mit ihren drei Unterarten nahe, dass sie eine evolutionärer Entwicklung durchgemacht haben.



Wie geht man jetzt damit um?


Es gibt meiner Meinung nach zwei Möglichkeiten: Die erste ist, dass man den ganzen biologischen, weltenbastlerischen Kram außer Acht lässt. Man benutzt Halblinge eben als Mittel zum Zweck, also um einen Protagonisten wie Bilbo oder Frodo zu haben, der die mega krasse Kehrtwende macht und dessen Entwicklung den Leser umso mehr mitnimmt. Oder man nimmt sie als Bauernopfer, die niemandem etwas getan haben und dann ungerechterweise von den Heerscharen des Bösen überfallen werden, und überzeugt damit den Leser von der Bösartigkeit der Antagonisten.

Wie ich in meinen Artikel zu den Zwergen und Elfen bereits geschrieben habe, glaube ich, dass wir Menschen bestimmte eigene Wesenszüge in die Fantasywesen legen, und diese dann überspitzen. In den Hobbits sehe ich eine Art Sehnsucht nach Harmonie in einem einfachen Leben, wo man sich über nichts Gedanken machen muss und einfach vor sich hin lebt. Umso schwerer trifft es uns dann, wenn wir lesen, dass dieser naiv-paradiesische Zustand aus Selbst- und Herrschsucht einfach zerstört wird oder werden soll.

Zweite Möglichkeit: Man versucht für seine Halblinge eine biologisch sinnvolle Nische in seiner Welt zu finden. Sie könnten beispielsweise in arktischen oder subarktischen Regionen unter der Erde leben, ähnlich wie in Kaninchenbauen. Durch ihre geringe Körpergröße (wenig Wärmeabstrahlung) und die behaarten, kälteunempfindlichen Füße, wie bei den Hobbits, kämen sie mit den Temperaturen ganz gut zurecht und könnten mit weniger Aufwand ausreichend große Tunnelsysteme bauen.

Dabei muss man nicht auf das gewohnt gemütliche Bild von den Halblingen verzichten. Sie könnten trotzdem noch tief unter dem Eis in ihren Höhlen sitzen und schlemmen, weil sie es durch Fernhandel mit irgendwelchen Ressourcen, die es nur bei ihnen unter der Erde gibt, reich geworden sind.



Wie bei allen anderen Völkern gilt es auch bei Halblingen, Eindimensionalität und Klischees zu vermeiden. Hier kann man sich bei wiederum bei Tolkien ganz gut ein Beispiel nehmen. Seine Protagonisten-Hobbits, von Bilbo und Smeagol abgesehen, halten im Kern noch an der hobbitschen Kultur und Lebensweise fest, aber sind in der Lage sich anzupassen und haben eben jeweils kleine, aber feine charakterliche Eigenschaften. Dennoch ist es fraglich, ob heute noch einmal eine Geschichte über einen Hobbitdieb im Rahmen einer klassichen Heldenreise spannend wäre.

 


Wie könnte also ein moderner Plot mit einem Halbling als Hauptfigur aussehen?


Gehen wir einmal von den oben erwähnten arktischen Halblingen aus. Eine Kultur, die vom Außenhandel lebt, ist natürlich sehr anfällig für politische Umwälzungen in anderen Gebieten. Stellen wir uns also vor, dass der wichtigste Handelspartner unserer arktischen Halblinge vor politischen Veränderungen stünde, die den Handel mit unseren kleinen Freunden aus den arktischen Gebieten gefährden würden. Man könnte sich also hier die Geschichte eines Halblingagenten vorstellen, der mit Attentaten und Intrigen versucht, die politische Stimmung wieder in den Status quo zu kippen. Oder es wird eine Entdeckung gemacht, die die Ressourcen der Halblinge für die Handelspartner unwichtig macht – Die Halblinge würden alles mögliche versuchen, um das zu verhindern.

Ein bisschen weniger Agenten-Thriller? Wie wäre es mit einem Halblingkoch, der es in den Menschenreichen zu Ruhm und Ehre schafft?

Fazit

Die Möglichkeiten, Halblinge in seinen Geschichten einzusetzen, sind groß und bisher in der Fantasy nur sehr einseitig beschritten worden. Halblinge und Hobbits kommen bei Lesern und in den Verfilmungen, meiner Erfahrung nach besonders bei der weiblichen Zielgruppe, sehr gut an. Es lohnt sich daher, meiner Meinung nach, ein wenig Arbeit in etwas ausgefeilterer und durchdachtere Halblinge zu stecken. Die oben erwähnten Beispiele könnt ihr gerne verwenden.


Aufgabe: Entwickelt ein Konzept für ein biologisch-evolutionär fundiertes Halblingsvolk oder einen Plot mit einem Halblingprotagonisten.

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