Mittwoch, 1. März 2017

Der Fluch der Autorencommunities: Wie sich Subkulturen ausbreiten – ein kritischer Blick von außen


Die Schreibmeer-Kolumne. Einmal im Monat dürfen unsere Autoren unter diesem Deckmantel aus den Tiefen des Schreibmeers blubbern.


Wie sehr habe ich es genossen, als ich anfing meine Autorenpräsenz über die Sozialen Medien auszubreiten und dabei mehr und mehr Autoren – Gleichgesinnte kennenlernte! Wie schön war es, sich mit ihnen über die zahlreichen Macken und Probleme, die das Autorenleben mit sich bringt, auszutauschen oder einfach nur zu schnacken und Unsinn zu treiben! Und das ist es auch noch immer. Aber die Freude ist gedämpft.

Denn seit jenen ersten Tagen hat sich einiges geändert.




Ja, es geht um Schreibcommunities. Elitäre, exklusive Clubs von Autoren, die sich in der Internetgemeinschaft gebildet haben und sich wie die Myzel eines Pilzes tastend und unsichtbar ausbreiten.

Einst war ich selbst in einer solchen Community. Die ersten paar Wochen war es richtig toll, überall nette, liebe Menschen und nicht dieser harsche Umgangston, den man in vielen Internetforen findet! Aber schon nach kurzer Zeit fing ich an, diese Fassade aus jeder Menge Hei-tei-tei und Piep-piep-piep-wir-haben-uns-alle-lieb zu durchschauen. Schon in der Schule konnte ich mit diesem oberflächlichen Getue nichts anfangen. So mies es war, immer die Sonderbare, die Außenseiterin, der Freak zu sein, so gerne ich dazugehört hätte – schreckte mich dieses Getue zugleich ab. Vor dir sind sie freundlich, aber hinter deinem Rücken wird getuschelt und gelästert, was das Zeug hält.

Es dauerte nicht lange, bis ich mich in dieser Community nicht mehr wohl fühlte. Und ich erkannte, dass meine Meinung in Diskussionen weniger geschätzt wurde, als die anderer. Ob es daran lag, dass ich mich mit ganzem Herzen einem Genre verschrieben habe, mit dem ich niemals Geld verdienen kann, oder an meiner Arbeitsweise, die eher einem kreativen Chaos mit maximaler Entropie denn allem anderen entspringt – das konnte ich nie herausfinden. Vielleicht war es auch etwas von beidem. Und während alle anderen bei Autorenproblemen brav und pflichtbewusst ihre Schreibratgeber zückten, um einem Mitglied zu helfen, versuchte ich den esoterischen Ansatz, sprich: mit Gefühl und Intuition – etwas, das in Sachen Schreibtipps anscheinend verpönt ist. Weil es nicht der Norm entspricht. Oder vielleicht auch schlichtweg unseriös wirkt.

Was mich jedoch endgültig vertrieb, war die Geschichte mit dem Schreibmagazin, das zu jener Community gehörte. Es wurden Autoren gesucht, die motivierende Artikel schreiben und Schreibtipps geben. In dem Glauben, dazu mit ausreichend Zeit, die man in einer Forumsdiskussion nicht hat, in der Lage zu sein, gab ich der Sache noch eine Chance. Also schrieb ich eine Bewerbung und verlinkte sogar ein paar meiner Blogartikel als Beispiel. Auf meine Bewerbung erhielt ich jedoch nicht einmal eine Absage. Schreibtipps von jemandem mit einer völlig anderen Methode und mit einer nicht von Geld getriebenen Intention hinter dem Schreiben waren anscheinend nicht erwünscht.

Auch in den sozialen Medien sehe ich Autorencommunities kritisch. Wo man Foren meiden kann, wird es schwierig, wenn man selbst die sozialen Medien nutzt, um mit anderen Autoren zu kommunizieren und sich eine Leserschaft aufzubauen. Gerade auf Twitter konnte ich im vergangenen Jahr sehr anschaulich und wie aus dem Lehrbuch beobachten, wie sich auf diese Weise Subkulturen herausbildeten. Wo ich ein halbes Jahr zuvor noch einige nette Bekanntschaften im NaNoWriMo gemacht hatte – Menschen, mit denen ich mich richtig gut verstand, Menschen, die ich als Gleichgesinnte empfand – gluckten diese nun in ihrer Community, taggten sich gegenseitig in ihren Tweets, stellen sich als Liga der außergewöhnlichen Autoren dar (wenn du auch ein Superheld äh -autor sein willst, musst du dieser Community beitreten). Einige reagierten sogar kaum noch auf meine Replies, wo einst reger Austausch mit hohem Spaßfaktor herrschte. Diesen Spaßfaktor haben sie noch immer. In ihrem kleinen elitären Kreis.

Ähnlich ist es mit Leuten, die neu und unbedarft nach Twitter kommen, mit denen du dich super verstehst und ehe du dich versiehst, treten sie einem dieser elitären Kreise bei und mit einem Mal fühlst du dich von diesen kaum noch wahrgenommen. Wenn jemand eine Frage stellt und den Hashtag der eigenen Schreibcommunity dahinter setzt, dann fühlst du dich als Außenstehender nicht angesprochen. Wenn jemand zusätzlich zu dem Hashtag noch Leute aus seinem elitären Autorenkreis taggt, entsteht der Eindruck, dass nur von diesen eine Antwort erwünscht wäre. Ein paarmal habe ich trotzdem geantwortet. Eine Diskussion kam darüber nicht zustande. Ich hatte Glück, wenn statt einem müden Like überhaupt eine Antwort kam. Und mir drängte sich mehr und mehr das Gefühl auf, dass meine Antwort als „Reply from Hell“ wahrgenommen wurde.

Es ist ein bisschen wie früher in der Schule. Entweder du gehörst dazu oder du bist draußen. Bei den anderen Sonderlingen. Und man spricht nur mit dir, wenn es sich nicht vermeiden lässt oder die Alternative aus einer Unhöflichkeit resultiert, die du dir nicht leisten kannst.

Als Außenstehende betrachte ich das ein wenig mit Sorge. Durch die sich auf diese Weise bildenden Subkulturen leidet die gesamte Gemeinschaft, die Gemeinschaft aller Autoren im Twitternetzwerk, weil sich die Subkulturen bevorzugt um sich selbst kümmern. Diejenigen, die sich bewusst entscheiden, kein Teil davon zu sein, spüren dies am stärksten. Kommunizieren und nicht (oder nur wenig) wahrgenommen zu werden, ist niemals gut. In keiner Gemeinschaft. Man geht unter, wird nicht gehört und darunter leidet letztendlich auch die eigene Entwicklung. Und damit geht Vielfalt verloren. Dabei würden ein wenig mehr Offenheit nach außen und weniger aggressives Self-Marketing auch ihrer Entwicklung und ihrem Image guttun.

Die Frage ist natürlich auch immer: Willst du dazugehören? Ich habe mich dagegen entschieden. Auch wenn es manchmal weh tut, nicht dazuzugehören, Außenseiter zu sein. Mein ganzes Leben habe ich versucht, irgendwo dazuzugehören und dabei eine Menge Kraft verschwendet, die ich besser anderweitig investiert hätte. Mit zwei Vollzeitjobs brauche ich das nicht.

Zugegeben, Autorencommunities haben auch etwas Positives. Man hilft einander, gibt sich Tipps, liest die Geschichten der anderen Probe, lektoriert, bastelt vielleicht auch Cover, motiviert sich gegenseitig – aber eben immer nur innerhalb dieses kleinen, elitären Kreises. Und das (nahezu) für lau. Die anderen, die draußen sind, können dagegen sehen, wo sie bleiben.

Aber es gibt auch die anderen Autorencommunities. Die stillen, die sich nicht anpreisen, die sich nicht anbiedern und die nicht in die Welt hinausschreien, wie toll sie doch sind. Sie sind oft kleiner, nicht auf Wachstum und Marketing fixiert, sondern darauf, dass man sich gegenseitig hilft. Und damit fallen sie auch nicht negativ auf, was sie mir sympathisch macht.


Die Schreibmeer-Kolumne. Einmal im Monat dürfen unsere Autoren unter diesem Deckmantel aus den Tiefen des Schreibmeers blubbern.

2 Kommentare:

  1. Habe fast die gleichen Erfahrungen gemacht und fühle mit dir. :) Teilweise hat das Verhalten richtig weh getan.
    In einer dieser Schreibcommunities bin ich noch immer, aber nur noch halb. Ich mag sie und verstehe mich mit vielen sehr gut, aber das Gefühl, Außenseiter zu sein, ist im Gesamten dennoch geblieben. Leider, denn es macht mich echt traurig.

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  2. Ich bin noch nicht lange Autor, aber das war das erste, das ich erleben durfte. Sehr schnell hab ich genau das gecheckt, was du beschrieben hast. Ich pfeiffe auf solche Leute. Sie ziehen dich nur runter anstatt dir zu helfen, auf ihr Niveau zu kommen. Aber man muss doch erhlrich sagen, das Autorendasein ist nur sehr selten ein Mannschaftssport, denn beim Schreiben ist man allein und danach beim Marketing auch. Und die anderen Autoren sind schlussendlich Konkurrenz von der du dich abheben willst, damit du auch wahrgenommen werden kannst.

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