Samstag, 11. Februar 2017

Erotik schreiben

Einhandliteratur, Leseporno, F…schinken - was ist Erotik-Literatur und wie unterscheidet sie sich von normaler Literatur?

Zunächst einmal: Erotik ist - wenn man Männer als Zielgruppe betrachtet -, Gebrauchsliteratur. Ähnlich wie Kochbücher. Ähnlich wie in der Küche heißt es nach dem Anwenden: Papiertuch nehmen … und dann wisch und weg. Die weibliche Zielgruppe ist deutlich anspruchsvoller. Dazu später mehr. 




Die Schwelle, einen Erotik-Roman zu kaufen, ist bei vielen Nutzern deutlich niedriger als bei einem herkömmlichen Roman. Es fällt vielen Lesern leichter, sich für 2,99 Euro etwas Entspannung am Abend zu gönnen als für 99 Cent einen Roman herunterzuladen, von dem ich vorher nicht weiß, wann ich die Zeit aufbringen kann, dieses Werk auch in Gänze zu durchdringen. Gemessen am geringen Aufwand, den es braucht, einen Erotikschinken zu schreiben, ist das Preis-Gewinn-Verhältnis sogar dann besser, wenn man den selbst hochgeladenen Erotikroman (mit einem Honorar von 70% bei KDP) mit einem Verlagswerk für 19,99 Euro vergleicht.

Das bedeutet, dass der Warenumschlag in der Erotik sehr viel höher ist als in der Literatur. Ich stehe mit „Lieblings Lehrerin“ derzeit auf Platz 6886 der Erotik-Beststellerliste bei Amazon, wo ich exklusiv veröffentliche. Dennoch kommen zehn bis zwanzig Euro pro Monat rein. Das ist zehnmal mehr als mein Alter Ego, dessen Name hier nicht genannt werden soll, mit seinen Thrillern verdient.

 

Wie schreibt man Erotik?

Wichtig ist, dass man sich klar sein muss, dass das Vorspiel das allerwichtigste Element dieses Genres ist - und zwar egal, ob man für Männer oder für Frauen schreibt. Frauen kennen das aus ihrem tatsächlichen Leben: Der Sex ist umso schöner, je mehr „push und pull“ im Vorfeld stattgefunden hat, je mehr Anspielungen der „Sache“ vorangegangen sind. Klartext: Junge trifft Mädchen. Mädchen ist elektrisiert. Junge stößt sie ab. Mädchen wird heißer. Dann ist der Junge interessiert, das Mädchen hingegen wendet sich ab.

Mit jeder Geschichte, die erzählt wird, steigert sich die innere Erwartung des Lesers. Etwa erfährt der Protagonist, dass seine Freundin ihn hintergeht - mit dem Exfreund der Antagonistin. Das stachelt ihn an, sich zu rächen. Clever ist es, in solch einem Moment noch etwas Zeit vergehen zu lassen. Halte den Leser bei der Stange. Halte ihm die Mohrrübe vor die Augen. Entlasse ihn erst in die Extase, wenn es gar nicht mehr anders geht.

Die Beschreibung bestimmter Körperteile hingegen ist eine Disziplin, bei der man eigentlich nur verlieren kann. Umschreibungen wie „Grotte“, „Lustschwengel“ und ähnliches, die aus viktorianischen oder wilhelminischen Zeiten stammen, sorgen heute bloß noch für Peinlichkeit. Auch wenn ich diese Wörter noch verwende, um Synonyme zur Hand zu haben, sollte man damit vorsichtig sein. Eine nüchterne Beschreibung von Körperteilen („Scheide“, „Penis“) ist die sicherste Variante. Zeige die Dinge so wie sind.

Frauen sind anspruchsvoller als Männer. Sie nutzen Erotik-Literatur anders. Das ist mit dem Konsumverhalten von Filmen vergleichbar: Frauen schätzen mehr Romantik, Männer mehr Action. Ein Erotik-Roman für Männer sollte viel Beschreibung von Sex enthalten, während Frauen Elemente von Romantik bevorzugen. Das Anwenden von Macht über das „Objekt“ des Sexualpartners ist ursprünglich eigentlich eher Männersache, auch wenn sich bei „50 Shades of Grey“ gezeigt hat, dass auch Frauen das schätzen, wenn diese Machtausübung auf charmante Art und Weise geschieht.

Was ich gelernt habe, ist, dass es auch in der Erotik-Literatur Untergenres gibt. Zum Beispiel gibt es eine Szene von Lesern, die speziell Lehrerinnen-Pornos bevorzugen. Wenn du in der Erotik-Literatur Fuß fassen möchtest, rate ich dir, dir eine ganz spezielle „Zielgruppe“ zu überlegen - etwa Frauen, die Sex mit Fußballspielern oder Soldaten lieben oder Männer, die auf Tänzerinnen stehen - und dann eine entsprechende Geschichte darum zu stricken.

Wie in allen Romanen sind Berufe also ein entscheidender Baustein der Figurenzeichnung. Ich glaube nicht, dass sich ein Erotikschinken verkaufen ließe, in dem zwei Hartz-IV-Empfänger es miteinander treiben. Obwohl … Wer weiß? Finde es heraus.

Viele von euch fragen sich jetzt sicherlich, ob auch LGBT-Romane Untergenres sind. Das sind sie in der Regel. Fein säuberlich getrennt liegen sie im Amazon-Regal: E-Bücher für Heten, für Schwule, für Lesben. Ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr ich das hasse. Kategorien dieser Art widersprechen meiner persönlichen Vorstellung von Sex. Sex ist enge Interaktion zwischen Menschen. Jeder Mensch ist ein Individuum, kein Bestandteil einer Kategorie. Womöglich gibt es auch Untergenres mit Schwarzen, Asiaten und ähnliches mehr, wie wir das auch von den einschlägigen Porno-Websites kennen. In „Lieblings Lehrerin“ habe ich mit Erwartungen dieser Art radikal gebrochen: Die Figuren treiben es miteinander, wild durchgewürfelt. Kategorien von Alter oder Geschlecht werden verwischt.

Was ich ebenfalls nicht mag, sind Konventionen, die an das Aussehen der Figuren gestellt werden: Männer haben groß, schlank und muskulös zu sein, Frauen schlank, langhaarig, mit großen Brüsten ausgestattet und am ganzen Körper rasiert. Ich mag diese Konventionen nicht, tue mich momentan aber schwer, damit zu brechen, weil es eine gewisse Erwartungshaltung des Lesers zerstören würde. Doch vielleicht probiere ich das mal aus.

Denn - und das ist der zentrale Merksatz dieses Rants - für alle Spielarten und Subgenres gibt es eine Zielgruppe.




Über den Autor

Roderick Dimmerlight wurde als Roderich Dämmerlicht 1978 in Mannheim geboren und ist in Offenbach am Main aufgewachsen. Dort kam er früh in die falschen Kreise. Er flog von der Schule und ging nach Berlin, wo er verschiedene Hilfstätigkeiten ausübte: als Küchenhilfe in einem Restaurant, als Türsteher in einer Disko. Schließlich als Zuhälter in einem Bordell. Heute hält er sich mit Erotik-Romanen und der Mitarbeit als Darsteller in Porno-Filmen über Wasser. Das literarische Alter Ego Dimmerlights verfügt über einen bürgerlichen Lebenslauf und schreibt zumeist Thriller.

5 Kommentare:

  1. Wie sieht das bei diesen Selfpublishing-Büchern denn eigentlich mit der Cover-Gestaltung aus? Eine schöne Frau ist vermutlich ja beinahe ein Muss, aber Bilder aus freien Bildersammlungen mit CC0-Lizenz darf man dafür doch vermutlich nicht verwenden, oder?
    Oder sollte man lieber personenfreie Cover verwenden, die eher die "Tatorte oder -waffen" ins rechte Licht rücken?

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    1. In der Regel steht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Stocks genau drin, für welche Sorte von Veröffentlichungen die Fotos verwendet werden dürfen. Dort, wo ich mein "Rohmaterial" einkaufe, steht drin, dass ich das auch für Erotik verwenden kann. Es empfiehlt sich, die Cover nicht allzu freizügig zu gestalten. Eine Frau auf dem Cover ist sicherlich nicht verkehrt.

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  2. Meine Beobachtung (die ich immer gerne erzähle):

    Im klassischen Bahnhofskiosk stehen Erotikzeitschriften bei den Männerzeitschriften. Entweder ein Fach mit der Überschrift "Auto - Motor - Sport" und daneben "Erotik", oder großes Fach mit der Überschrift "Männer" und darunter dann Autos und Erotik.

    Im klassischen Buchhandel stehen Erotikromane meist bei den Frauenromanen. Der große Thalia in Dresden z.B. (also DER große, zentrale Buchladen) hat kein Regal mit der Überschrift "Erotik". Aber die Erotikbücher stehen schon in ihrem eigenen Regal neben den Liebessachen, allesamt überschrieben mit "Frauen". Ich habe es aber auch schon gesehen, dass das Erotikregal neben den Thrillern untergebracht wurde.

    Insofern nehme ich an, dass die Zielgruppe für Erotikbücher zu einem nennenswerten Anteil weiblich ist, die für Erotikzeitschriften (=Bilder) dagegen männlich.

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    1. Ich glaube, dass Sie Recht haben, wenn sie vermuten, dass Frauen eher Pornos lesen und Männer eher Pornos anschauen. Das heißt, die Mehrzahl der Leserinnen ist vermutlich weiblich. Das heißt aber nicht, dass nicht auch Männer ab und zu auf Schriften dieser Art zurückgreifen.

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  3. "Gemessen am geringen Aufwand, den es braucht, einen Erotikschinken zu schreiben"
    Ab da habe ich aufgehört den Artikel ernst zu nehmen.
    Sorry, aber ich glaube, dass das, was hier beschrieben ist, nicht in die Kategorie "Erotik" passt, sondern viel mehr in "Männerfantasie, ohne Niveau". Erotik hat Stil und eine Geschichte, in der es nicht pausenlos um Sex geht. Und nein, das hat NICHTS mit Romantik zu tun.

    Übrigens finde ich die LGBT-Kategorien ziemlich hilfreich. So muss man nicht stundenlang in dem Hetenkram suchen, bis man endlich Frau-liebt-Frau findet. Ich empfinde es in diesem Fall überhaupt nicht als diskriminierend, ganz im Gegenteil. Es vereinfacht die Suche nach dem Stoff, den man möchte.

    Nur weil "Shades of Grey" bei vielen gefrusteten Hausmütterchen, die sich mal Abwechslung im Bett wünschen, gefruchtet hat, heißt das noch lange nicht, dass alle Frauen darauf stehen, dass der Mann das Sagen hat.
    Mal abgesehen davon, dass besagter Roman höchst unrealistisch und feranab von Realitäten und Möglichkeiten ist ;)


    P.S. Ist der grobe Rechtschreibfehler in "LIeblings Lehrerin" eigentlich Absicht?

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