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Mittwoch, 4. April 2018

Wie erschaffe ich eine Fantasywelt Teil 2: Flora und Fauna

Im ersten Teil dieser Reihe habe ich euch eine Methode vorgestellt, um die Karte für eine Fantasywelt mitsamt Landmassen, Bergen und Ozeanen zu erstellen, deren Naturgesetze nicht unbedingt komplett, aber weitgehend der unseren ähneln. Heute werden wir diese mit pflanzlichem und tierischem Leben füllen.

Viele Fantasywelten bedienen sich einer Mischung aus bekannten und erfundenen Tier- und Pflanzenarten. Bekanntes hat einen hohen Wiedererkennungswert und macht die fiktive Welt für die Leser greifbar. Selbsterfundenes zeugt von Kreativität und Phantasie, beinhaltet jedoch neben einer anschaulichen Implementierung einige Herausforderungen, auf die ich im Laufe dieses Artikels eingehen werde. Oft genügt es jedoch schon, etwas Bekanntes zu nehmen und in einigen Details abzuwandeln. 



Wie viel ihr selbst erfindet, bleibt euch überlassen und hängt unter anderem eurer Geschichte ab. Achtet darauf, sowohl eigene Erfindungen als auch alles, was ihr aus unserer Welt übernehmt, in einem biologisch-evolutionsbedingten sinnvollen Rahmen einzubauen. So bleibt eure Welt realistisch. Wie in Teil 1 ist es hilfreich, sich an unserer Welt zu orientieren, um einen Eindruck zu bekommen, wie Ökosysteme funktionieren. Darüber ergeben sich häufig erste Ideen für die eigene Welt. Am einfachsten ist es, wenn ihr für eine bestimmte Region wisst, welchem Landstrich in unserer Welt sie ähneln soll.

Natürlich müsst ihr euch nicht an den klimatischen und meteorologischen Bedingungen unserer Welt orientieren. Weicht ihr jedoch zu sehr von diesen ab, kann das bei euren Lesern zu Reaktionen von Stirnrunzeln bis Unverständnis führen, wenn die zugrundeliegenden Mechanismen nicht erklärt werden. Diese Gefahr besteht unter anderem dann, wenn sich die Andersartigkeit eurer Welt nicht mit ihrem Ökosystem vereinbaren lässt. So finde ich zum Beispiel George R.R. Martins Idee von Jahreszeiten, die sich über mehrere Jahre erstrecken, faszinierend, allerdings fehlt mir hier noch eine plausible Erklärung, wie ein drei Jahre oder länger andauernder Winter nicht zu einem mittelschweren Artensterben in halb Westeros führen soll. Insbesondere da die Flora und Fauna mit unserer nicht vollständig, aber in großen Teilen identisch ist.

Um solche Probleme zu vermeiden, genügen oft schon kleine Erklärungen wie z.B. dass unregelmäßige Jahreszeiten oder das Wetter oder die Jahreszeiten von höheren Mächten gesteuert oder von Magie beeinflusst werden – und schwupps, habt ihr nicht nur ein Logikproblem gelöst, sondern die Saat für Ideen und Konflikte gelegt, die eure Welt und euren Plot reicher machen. Nichtsdestotrotz erfordert dies eine Prüfung, ob das Ökosystem eurer Welt mit diesen Schwankungen umgehen kann. Tut es das nicht, wäre das ein guter Zeitpunkt, um euer Konzept noch einmal zu überdenken oder ihr habt einen Grundkonflikt für eure Geschichte geschaffen.

Grundsätzlich gilt: Je weniger ihr euch an unserer Welt orientiert, desto herausfordernder wird es nicht nur, eine eigene Welt zu schaffen. Es wird umso wichtiger, sich die verschiedenen Faktoren, die sich auf die Dynamik von Ökosystemen auswirken, bewusstzumachen, wenn das Ergebnis für eure Leser nicht nur phantastisch, sondern auch plausibel sein soll. Das Endprodukt sollte im Idealfall so gestaltet sein, dass Leben in eurer Welt glaubhaft überleben kann oder um eben solches kämpfen muss.

Da Tiere ihr Revier dort haben, wo sie passende und ausreichende Nahrung finden, beginne ich mit den Pflanzen. 

 

Flora

Um möglichst viele Aspekte des Weltenbaus abzubilden, hatte ich mich in meinem letzten Artikel auf einen Kontinent, der sich über mehrere Klimazonen erstreckt, bezogen. Dies ermöglicht vielfältige Vegetationsformen, abhängig von den lokalen Witterungs- und Bodenbedingungen. Nach den in Teil 1 gemachten Überlegungen hat ihr bereits eine ungefähre Vorstellung des Wetters in den verschiedenen Bereichen auf eurer Karte. Ihr wisst, wo kalte und warme, niederschlagsreiche und trockene, harsche und gemäßigte Regionen auf eurer Welt liegen. Dieses Wissen ermöglicht es euch nun, die Welt entsprechend zu begrünen.

Wie schon oben erwähnt, müsst ihr dazu keine Pflanzen aus unserer Welt übernehmen, doch es empfiehlt sich, sich einen Überblick zu verschaffen, welche Arten von Bäumen, Sträuchern, Blumen etc. in welchen Regionen wachsen. Die klimatischen Bedingungen geben die grundlegende Beschaffenheit der verschiedenen Pflanzenarten vor. Grundsätzlich kann man Pflanzen dabei in drei große Kategorien einordnen:

  • Trockenpflanzen haben sich an wasserarme Gebiete (Wüsten, Steppen, Tundren) angepasst und sind darauf optimiert, Wasser gut zu speichern und wenig durch Verdunstung zu verlieren. Zu ihnen gehören unter anderem Sukkulenten wie Kakteen oder Agaven, aber auch Nadelbäume. Ihre Wurzeln sind tief und weit verzweigt, um sowohl Zugang zu tiefliegenden Wasserspeichern als auch Wasseraufnahme bei plötzlichen Regenfällen zu gewährleisten. Blätter werden selten ausgebildet und wenn, dann sind diese sehr klein und weisen eine dicke Epidermis auf, um Verdunstung zu verhindern. Wüstenpflanzen haben statt Blättern häufig nur noch Dornen, während die Struktur von Tannennadeln bereits so beschaffen ist, dass wenig Verdunstung stattfinden kann.
  • Feuchtpflanzen sind an Regenwälder, Sümpfe und Auen angepasst – Gebiete, in denen ganzjährig ein Wasserüberschuss herrscht. Ihr Wurzelwerk ist flach, weil Wasser leicht zugänglich ist, und die Blätter sind groß, um gute Verdunstung zu ermöglichen und Überhitzung zu verhindern.
  • Zu den Wechselfeuchtpflanzen zählen all jene, die Regionen wachsen, die klimatischen Schwankungen feucht/trocken unterliegen. Dazu gehören unter anderem fast alle Laubbäume. Diese werfen ihre Blätter vor längeren Trockenzeiten (z.B. im Mittelmeerraum im Sommer) oder vor dem Winter (z.B. Nord- und Mitteleuropa) ab, um Austrocknung zu verhindern. Diese Bäume haben eine massive Rinde, die nicht nur vor Feuchtigkeitsverlust schützt, sondern auch das Wasserversorgungssystem vor Fressschäden durch Tiere.

Da ihr die klimatischen Bedingungen an den verschiedenen Orten eurer Welt bereits kennt, habt ihr durch diese Einteilung nun vielleicht schon eine grobe Vorstellung, welche Pflanzen wo wachsen. Solltet ihr bereits wissen, welcher realen Region eine Region auf eurer Weltkarte ähneln soll, dann schaut euch an, welche Pflanzen dort wachsen. Mit diesem Wissen könnt ihr nun auch eigene Pflanzen erfinden oder bereits bekannte nach Belieben anpassen. Da Fantasywelten häufig auf mittelalterlichen oder antiken Settings basieren, ist es auch immer eine gute Idee, zu recherchieren, welche Pflanzen es zu jenen Epochen in der betreffenden Gegend gab und welche sich dort erst später durch Klimaveränderungen oder den Menschen verbreitet haben.

 

Fauna

Tiere haben dort ihr Revier, wo die Lebensbedingungen für sie ideal sind und ausreichend tierische und pflanzliche Nahrung sowie Wasser vorhanden sind. Generell könnt ihr hier wie bei den Pflanzen vorgehen und recherchieren, welche Tierarten in welchen Regionen der Erde leben, um eure Welt realistisch zu machen. Lokale Besonderheiten ermöglichen es euch jedoch, hier und da mit diesen Prinzipien zu brechen und, sagen wir, Kaltblüter in den Polarregionen anzusiedeln, sofern dort z.B. heiße Quellen existieren, die diesen Tieren einen Lebensraum bieten.

Fantasywelten zeichnen sich jedoch wie oben erwähnt unter anderem häufig dadurch aus, dass zumindest ein Teil der Tier- und Pflanzenarten der Phantasie ihres Schöpfers entspringt. Um überhaupt einen Eindruck zu erhalten, wie das Leben auf unserem Planeten funktioniert, oder um eigene Ideen zu entwickeln, schaue ich mir oft Dokumentationen wie „Erlebnis Erde“ an. Hier picke ich mir das eine oder andere heraus und überlege, wie ich das für mein jeweiliges Projekt verwenden kann.

Wie sehr ihr bei eurer Tierwelt ins Detail geht, ist euch überlassen. Ob ihr Tierarten aus unserer Welt übernehmt oder nur geringfügig abwandelt oder komplett neue Spezies erschafft, hängt unter anderem davon ab, welche Bedeutung diese in eurer Geschichte haben. Letzteres bedeutet in jedem Fall mehr Arbeit, auch wenn die grundlegenden Überlegungen zu Punkten wie den folgenden gleich bleiben:

  • Nahrungsketten: Welchen Platz hat das Tier in der Nahrungskette? Wie sieht die Nahrungskette aus?
  • Fleisch-/Pflanzen-/Allesfresser
  • Fortpflanzung
  • Anpassung an Jahreszeiten durch Fellwechsel, Winterschlaf oder Revierwechsel
  • Herdentier/Einzelgänger
  • Nacht-/Tag-/Dämmerungsaktivität,
  • Säugetier/Vogel/Fisch/Reptil/Insekt
  • Beschaffenheit der Extremitäten: Anzahl der Arme und Beine. Hat es Krallen, Pfoten, Tatzen? Wozu braucht es diese?
  • Wie sieht der Lebensraum aus?
  • Kommunikation mit anderen seiner Spezies
  • Ist das Tier domestizierbar? Gibt es eine wilde und eine gezähmte Variante?

Kleintiere, die sich nur bei Nacht aus ihrem Versteck wagen, werden damit rechnen müssen, dass ihre natürlichen Feinde ebenfalls nachtaktiv sind. Jahreszeitbedingter Fellwechsel sorgt nicht nur für einen besseren Schutz vor Kälte bzw. bessere Transpiration im Sommer, sondern dient auch zur Tarnung. Tiere, die in trockenen Regionen leben, brauchen Möglichkeiten, um Wasser aufzunehmen und möglichst effizient zu speichern.

Wenn ihr auf Realismus setzt, wird möglicherweise nicht alles, was ihr euch ausdenkt, auf Anhieb funktionieren. Ein Raubtier mit zu großen Fangzähnen hätte z.B. Schwierigkeiten, seine Beute zu fressen und würde auf Dauer verhungern. Eine Kuh mit Flügeln würde abstürzen, weil ihr Körper weder stromlinienförmig, noch leicht genug ist. Wenn ihr auf dieses Element nicht verzichten könnt, überlegt euch einen Weg, wie es funktionieren kann (kleiner Tipp: hohle Knochen sind für die Kuh keine Lösung!). Im Falle der Kuh müssten die Flügel zudem einen biologischen Nutzen haben, wie beispielsweise, dass sie nur auf diesem Weg Weideplätze erreichen kann. Wenn ihr daher solche Elemente erfindet, achtet darauf, dass sie in eure Welt passen.

Ich könnte hier noch viel mehr ins Detail gehen, doch das würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, weil es unglaublich viele Möglichkeiten gibt und die detaillierte Erschaffung einer neuen Spezies wirklich nur dann Sinn macht, wenn sie eine entsprechend große Bedeutung in eurem Roman hat. Hier ist es an euch, wie ihr diese gestaltet. Wenn ihr die obengenannten Punkte im Hinterkopf behaltet und eine Idee habt, an welches Tier oder welchen Mix aus Tierarten eure neue Spezies angelehnt sein soll, ist ab hier eine gründliche Recherche unerlässlich.

 

Einfluss durch den Menschen

Auch lange vor Beginn des industriellen Zeitalters hatte der Mensch Einfluss auf die Tier- und Pflanzenwelt. Wo Menschen siedeln, werden Wälder zugunsten von Bau- und Brennmaterial gerodet und es entstehen Weide- und Kulturlandschaften. Gewässer werden überfischt und natürliche Rohstoffe werden unter Umständen in großen Mengen abgebaut. Sogar Bergbau wirkt sich auf das Ökosystem der Umgebung aus. Insbesondere, wenn dieser ins Kriegszeiten besonders exzessiv betrieben wird. Wo auch immer der Mensch in die Natur eingreift, werden tierische Bestände reduziert oder aus ihrem Lebensraum verdrängt. Nicht zuletzt können neben Naturkatastrophen auch Kriege ganze Landstriche verwüsten und Lebensräume vernichten.

Zugleich gibt es jedoch auch Tierarten, die sich neue Lebensräume in der Nähe des Menschen erobern, ohne domestiziert zu sein. Diese sogenannten Kulturfolger geben ihren altes Revier auf und siedeln sich in Städten an, die für sie in Bezug auf Nahrungsangebot, Verstecke, Brutplätze und Schutz vor natürlichen Feinden attraktiver sind. Insbesondere moderne Städte mit Gärten und Parks ermöglichen vielen Tierarten, in die Domäne der Menschen vorzudringen. Doch auch zu früheren Zeiten, als die Grenze zwischen Land und Stadt noch scharf begrenzt war und das Stadtbild von keinen oder nur wenigen von Biotopen geprägt war, hatten bereits diverse Tierarten wie Sperling, Turmfalke, Taube, Ratten, Mäuse und diverse Spinnenarten die Städte erobert.

Auch wenn das nur Details sind, die in eurer Geschichte am Ende höchstwahrscheinlich keine Rolle spielen, so schadet es nicht, solche Überlegungen im Hinterkopf zu behalten, selbst wenn am Ende nur ein Turmfalke auf einem Dach sitzt und von eurem Charakter beobachtet wird. Denn sie machen eure Welt abwechslungsreicher und greifbarer.

Im nächsten Teil dieser Reihe werde ich mich der Erschaffung von Völkern und Kulturen widmen.

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Zum Weiterlesen:



Sonea schreibt Fanfictions auf Fanfiktion.de und bloggt übers Schreiben und ihre Projekte auf Tales From Kyralia.



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