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Samstag, 11. Juni 2016

Fifty Shades of Fantasy

Keine Angst, liebe Leser, so genau, wie in der Überschrift angekündigt, werde ich es natürlich nicht nehmen. Oft habe ich jedoch festgestellt, dass es bei der Einteilung von Fantasyuntergenres gewisse Unstimmigkeiten oder Ungenauigkeiten gibt. Dies soll hier der Versuch einer Einteilung sein, wie sie meiner Meinung nach Sinn ergibt. Das bedeutet aber nicht, dass das der Weisheit letzter Schluss ist und man sich an diese Einteilung halten soll oder muss. Zur Geschichte und den Ursprüngen des Genres will ich an dieser Stelle gar nichts weiter sagen, sondern auf unsere Genre-Übersicht verweisen: Literaturgenres: Ein Buch ist ein Buch ist ein Buch?





Was ist eigentlich Fantasy?

Fantasy handelt von großen Heldinnen und Helden, die ausziehen, um die Welt zu retten und Drachen zu erschlagen – zumindest in der Theorie. Spätestens seit „Game of Thrones“ weiß es jedoch der Großteil der Konsumenten besser.
Hier eine allgemeingültige Definition zu finden, ist wohl unmöglich, deswegen hier auch nur ein Versuch: Für mich definiert sich Fantasy vor allem durch das Vorhandensein von magischen, mystischen Elementen, die so in unserem Universum bzw. unter Berücksichtigung unserer physikalischen Kenntnisse nicht möglich wären und auch gar nicht den Anspruch erheben, möglich oder verständlich zu sein.
Der letzte Beisatz ist für mich wichtig, um Fantasy von Sci-Fi abzugrenzen, was gar nicht so einfach ist, wie ich zeigen werde. Die folgenden Definitionen sind nicht trennscharf und die Verläufe fließend und Mischformen eher die Regel als die Ausnahme.


Epische Fantasy

Epische Fantasy ist die klassische Heldenreise, um Drachen zu erschlagen und die Welt vor dem Bösen zu retten. Sie spielt meistens in mittelalterlichen Welten und hier kommen die klassischen Figuren wie Zwerge, Elfen, Orks, Trolle usw. vor, vielleicht plus eins, zwei Völker.
Magie spielt eine mittlere Rolle. Sie ist zwar allgegenwärtig und nicht selten, aber durchaus limitiert. Die Hauptcharaktere sind richtige strahlende Helden und mächtige Bösewichte.
Klassischer Vertreter und Urvater ist hier für mich „Der Herr der Ringe“.


Low Fantasy

Low Fantasy unterscheidet sich von der epischen Fantasy weniger durch die Handlung, als vielmehr durch die Figuren und die Welt.
Der Begriff „Low“ bedeutet in dem Fall, dass die fantastischen Elemente sehr knapp gehalten, dafür aber umso herausragender sind. Fantastische Wesen sind selten, ebenso magische Artefakte und Magie überhaupt.
Das Technologielevel ist meist mittelalterlich bis renaissancezeitlich.
In der Low Fantasy können die Protagonisten auf jede erdenkliche Weise beschaffen sein. Vom strahlenden Helden über Adlige und einfache Bürger bis hin zum Schurken ist alles möglich; für die Antagonisten gilt dasselbe. Politik und Intrigen nehmen in dieser Art von Fantasy auch einen besonderen Platz ein. Klassische Vertreter: „Das Schwarze Auge“ und „Das Lied von Eis und Feuer“.


High Fantasy

Wie der Name vermuten lässt, handelt es sich hier um den Gegenpart zur Low Fantasy – jedoch nur in Bezug auf die Hintergrundwelt.
Magie und fantastische Wesen sind hier an der Tagesordnung. Wirtschaft und Technologie basieren auf eben jener astralen Kraft, indem sie als Energieträger, Fertigungsmittel usw. fungiert.
Die Protagonisten aber können auch in diesem Subgenre eine beliebige Herkunft oder Ausgangssituation haben, wichtiger ist, dass in der High Fantasy die Heldenreise besonders wörtlich genommen wird, weil die Autoren bemüht sind, ihre fantastische Welt in all ihren Facetten und Formen dem Leser näher zu bringen.
Auch wenn die Handlung nicht unwichtig ist, liegt der Reiz bei dieser Spielart der Fantasy eindeutig im World Building. Politik und Intrigen sind ebenfalls nicht selten Teil des Plots, was den ganz interessanten Effekt hat, dass der Leser noch plastischer in diese verwirrenden und spannenden Welten eintaucht.

Klassische Vertreter: „Sacred“ und die Licht-Saga.


Dark Fantasy

Mein absolutes Lieblingsgenre.
In diesem Subgenre sind besonders starke Horror- und Splattereinflüsse zu finden, die sich vor allem in der Erzählweise niederschlagen. Aber auch der Hintergrund ist oft düster, die „Guten“ stehen fast immer direkt am Abgrund und eigentlich gibt es immer nur die Hoffnung, möglichste viele der „Bösen“ noch mit in den Tod zu reißen, um dem höheren Ziel noch etwas Zeit zu erkaufen.
Die „Guten“ setze ich hier nicht ohne Grund in Anführungszeichen, weil die Protagonisten oft gar nicht die „Guten“ sind und die Helden eher Antihelden. Eine Prise von schwarzem Humor ist zwar keine Pflicht, wird aber gern gesehen.

Klassische Vertreter: „Warhammer“, eigentlich alles von Markus Heitz.


Contemporary und Urban Fantasy

Urban Fantasy beschreibt Geschichten in unserer gegenwärtigen Welt bzw. einer, die an unsere angelehnt ist, mit magischen und fantastischen Elementen.
Wenn so eine Geschichte in einem unserer vergangenen Zeitalter spielt, ich würde hier das Ende des Zweiten Weltkriegs ansetzen, redet man von Contemporary Fantasy.
Theoretisch kann die Handlung jede erdenkliche sein, hat man es aber mit „reiner“ Urban Fantasy zu tun, geht es meistens um magische Detektive in unserer Welt. Auch zähle ich die modernen Vampirgeschichten hier mit rein, als Mischform mit Dark Fantasy. Romantasy ist für mich ebenso eine Mischung aus Urban Fantasy und Liebesroman.

Typische Vertreter: “Harry Dresden”,” Age of Iron”, “Vampire: The Masquerade, “Twilight”.


Die Sache mit den Jugendbüchern

Fast jedes der oben genannten Genres, außer Dark Fantasy, gibt es auch noch mal als Jugendbuch-Variante.
Das macht sich besonders durch die Auswahl der Protagonisten und der Erzählweise bemerkbar. Sex- und Gewaltszenen werden entschärft. Aber auch etwaige politische Intrigen sind nicht so ausgeprägt bzw. leichter durchschaubar als in der Low und High Fantasy, um der jüngeren und oft nicht so leseerfahrenen Zielgruppe gerecht zu werden.

Klassische Vertreter: „Harry Potter“, die „Silber“-Reihe.


Sonderfälle

Die Fantasyliteratur ist naturgemäß aufgrund ihrer ungenauen Grenzen voll von Sonderfällen. An zwei Beispielen möchte ich veranschaulichen, warum Grenzziehungen in diesem Genre so schwer sind.

1. Star Wars: Star Wars wird oft als Welttraummärchen bezeichnet, auch der Vorspann verweist auf die typische Märcheneinleitung „Vor langer Zeit …“, dennoch fehlen der Film- und Buchreihe viele Elemente, die typisch für Märchen sind.
Mit der „Macht“ haben wir definitiv ein Element, das eher dem Fantasygenre zuzuschreiben wäre, genauer gesagt der Low Fantasy, weil die Macht in diesem Universum sehr stark limitiert ist.
Jedoch haben wir auch typische Sci-Fi-Elemente, die meiner Meinung nach viel zu achtlos unter den Teppich gekehrt werden. Für mich ist Star Wars daher eine Mischung aus Low Fantasy und Sci-Fi.

2. Steam Punk: Dieses Genre gibt es mit oder ohne Magie, als historische Fiktion oder in einer eigenen Welt, daher lässt es sich schwierig der Fantasy zuordnen.
Nehmen wir eine historische Steampunk-Fiktion ohne magische Elemente: eindeutig eine historische Fiktion. Aber was ist mit Steam-Punk-Geschichten, die in einer eigenen Welt spielen und keine magischen Elemente haben? Und ist dann historische-Steam-Punk-Fiktion mit magischen Elementen plötzlich eine Spielart der Contemporary Fantasy?
Sicherlich werden hier viele einwerfen, dass es eigentlich egal sei, Schubladen sowieso blöd sind. Prinzipiell gebe ich dem Standpunkt recht, aber eine genaue Zielgruppenanalyse, an der zum Beispiel Werbung und Covergestaltung hängen, ist damit sehr schwer.


Schlussbemerkung

Auch wenn sicherlich viele meine Einteilung für wenig sinnvoll halten und generell nicht viel von Einteilungen halten, ist es unbestreitbar wichtig, zumindest ungefähr zu wissen, wo sich das eigene Werk befindet. Das fängt bei der sprachlichen Gestaltung an und hört bei der Werbung auf.


Ben bloggt außerdem auf Cheshirepunks Welt


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