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Mittwoch, 9. Dezember 2015

Faszination Antagonist

Definition

Der Antagonist (griech. ανταγωνιστής – „Gegenspieler“) in Drama und Prosa ist der Gegner des Protagonisten und damit eine maßgeblich treibende Kraft der Handlung. Die Rolle des Antagonisten besteht ganz allgemein darin, dem Protagonisten Schaden zuzufügen und seine Handlungsabsichten zu durchkreuzen. (Wikipedia)




Antagonisten – es gibt sie in den unterschiedlichsten Varianten vom bösen, machthungrigen Tyrannen über den soziopathischen Serienkiller bis zum verrückten Wissenschaftler oder dem bösen Zwilling aus dem Paralleluniversum. Das Böse selbst, ein abstraktes Konzept oder eine ultimative Naturgewalt können diese Rolle jedoch ebenso gut ausfüllen. Oder ihr dreht den Spieß herum und erzählt die Geschichte aus der Sicht eines bösen Protagonisten erzählt werden. In diesem Fall wäre der Antagonist dann der eigentlich Gute. Aber dazu später mehr.

Aber was macht einen guten Antagonisten eigentlich aus? Auf diese Frage gibt es vermutlich so viele Antworten wie Geschmäcker. Ich persönlich bin der Meinung, dass es gar nicht so einfach ist, einen guten Antagonisten zu schreiben. Man kann sich das Leben jedoch erheblich erleichtern, wenn man seinen Blick einmal über die zahlreichen Bösewichter der Buch-, Film- und Serienlandschaft schweifen lässt. Dabei merkt man recht schnell, was einem selbst zusagt und welche Art von Bösewicht man einfach nur langweilig findet.

Die Aufgabe des Antagonisten ist es, den Protagonisten in seiner Entwicklung vorwärtszutreiben, ihm Steine in den Weg zu legen und über sich hinauswachsen zu lassen. Dies kann auf vielfältige Weise geschehen: als böser Drache, der bezwungen werden muss, als gerissener Psychopath, der den Ermittler in seine Spielchen verwickelt, als rivalisierender Schüler, der den Helden fortwährend mobbt, oder als das diktatorische Regime, das der Held mit einer Handvoll Rebellen stürzen muss. Einige gute Anregungen für Antagonisten findet ihr auch hier: http://www.darcypattison.com/revision/villain-motivations/

In vielerlei Hinsicht verkörpert der Antagonist das Gegenteil des Helden. Dies kann durch kulturelle Unterschiede, gegensätzliche Vorstellungen von Ethik und Moral, den gesellschaftlichen Stand oder durch Alter und Geschlecht geschehen. Allerdings können sich Protagonist und Antagonist auch äußerlich sehr ähneln, aber auf der geistigen Ebene komplett unterschiedlich sein, wie beim bösen Zwilling

Und natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall: Euer Protagonist ist der Böse. In diesem Fall hätte euer Antagonist die Aufgabe, diesem das Handwerk zu legen, oder ihn wieder auf den rechten Weg zu bringen. Zugleich bietet euch diese etwas ungewöhnliche Variante die Gelegenheit, tief in die Persönlichkeit des bösen Charakters einzutauchen und seine Konflikte und Zwiespälte darzustellen und ihm somit Tiefgang zu geben und Sympathie bei den Lesern zu wecken. Probiert es einmal aus – es ist eine völlig neue Schreiberfahrung.

Einem guten Antagonisten gelingt es, die Leser zu polarisieren. Dazu muss er jedoch facettenreich sein. Ein Antagonist, der einfach nur böse ist, wirkt auf mich flach und langweilig. Typen wie Voldemort kann ich in dieser Hinsicht überhaupt nichts abgewinnen, während der Joker (Batman) oder Khan (Star Trek) – ja sogar selbst Ramsay Bolton (A Song Of Ice And Fire) – in ihren Bann ziehen.

Aber warum ist das so? Warum geht gerade von den facettenreichen und gerissenen Antagonisten eine solche Faszination aus? Ich denke, der Schlüssel ist hier die gute Unterhaltung. Als Leser oder Zuschauer will ich mitfiebern und miträtseln. Ich will einen Antagonisten, der mich aufwühlt und zum Nachdenken anregt und der mich trotz seiner Widerwärtigkeit fasziniert. Ich will wissen, was ihn dazu antreibt, Böses zu tun, und warum. Und ich will gute Seiten an ihm entdecken, die meinen Entschluss, ihn zu hassen, ins Wanken bringen und mich mit ihm sympathisieren lassen.

Unberechenbarkeit und Intelligenz machen für mich einen guten Antagonisten aus. Seine Aktionen müssen mich überraschen, und er sollte dem Helden immer einen Schritt voraus sein, bis dieser schließlich einen Weg findet, sich gegenüber seinem Gegenspieler zu emanzipieren. So erzeugt ihr Spannung und euer Bösewicht bleibt glaubwürdig.

Gebt eurem Antagonisten Motive für seine Aktionen. Lasst diese Motive ruhig auch von ehrbarer Natur sein. Auf diese Weise werden der Held und die Leser dazu verführt, mit dem Antagonisten zu sympathisieren. Untermauert dies durch die eine oder andere gute Tat oder Eigenschaft. Lasst ihn ein Kind aus einem brennenden Haus retten oder die Grenzen der Moral überschreiten, weil er eigentlich nur ein Heilmittel für seine kranke Frau sucht. Zeigt euren Lesern, dass er durchaus zu Liebe fähig sein kann, indem er seinen Hund liebevoller behandelt als jeden Menschen, mit dem er in Kontakt kommt.

Ganz wichtig für einen guten Antagonisten ist meiner Meinung nach Charisma. Ich habe festgestellt, dass mich charismatische Bösewichter oft selbst dann noch faszinieren, wenn man ansonsten kein gutes Haar an ihnen lassen kann. Charismatische Menschen haben eine Ausstrahlung, die dazu verleitet, dass man über ihre negativen Seiten hinwegsieht, weil man so von ihnen in den Bann gezogen wird. Kombiniert mit der einen oder anderen positiven Eigenschaft macht ein solcher Antagonist es sowohl eurem Helden als auch euren Lesern schwer ihn nicht zu mögen. Stellt euch vor, euer Held steht seinem Gegner endlich gegenüber, bereit ihn zu töten, er ist kurz vor der Erfüllung seiner Aufgabe, die Geschichte könnte an dieser Stelle zu Ende sein – doch dann zieht der Bösewicht ihn in seinen finsteren Bann und der Held fängt an, mit ihm zu sympathisieren. Um aus dieser Situation wieder herauszukommen, muss er zunächst einen Kampf mit sich selbst ausfechten oder auf Rettung hoffen. Damit sorgt ihr nicht nur für eine Weiterentwicklung eures Helden, sondern schafft zugleich einen Plottwist. Indem ihr eurem Bösewicht zusätzlich optische Attraktivität verleiht, könnt ihr dies auf die Spitze treiben – schließlich gibt es keine Regel, die besagt, dass Bösewichter immer hässlich sein müssen. Oder dass Helden sich nicht in sie verlieben können. Allerdings werden diese Überlegungen hinfällig, sobald euer Antagonist nur im Hintergrund agiert oder wie eine nicht greifbare Bedrohung über der Geschichte schwebt (wie z.B. Sauron aus Herr der Ringe).

Manchmal sind Antagonisten jedoch auch nicht als solche zu erkennen. Manchmal entwickeln sie sich erst im Laufe der Geschichte dazu, wie Peter Parkers bester Freund Harry Osborn (Spiderman) oder Anakin Skywalker (Star Wars). Held und Leser halten sie für Verbündete, bis sie überraschend ihr wahres Gesicht zeigen.

Ihr könnt dieses Spiel jedoch auch andersherum treiben. Schreibt den perfekten, hassenswertesten und zugleich attraktivsten Antagonisten, zu dem ihr fähig seid. Lasst eure Leser und eure Figuren ihn für den Bösen halten, lasst sie ihn bekämpfen und hassen – nur um dann zu enthüllen, dass er in Wirklichkeit zu den Guten gehört. Vielleicht hatte er gute Gründe für sein Handeln und hat die ganze Zeit über gegen den eigentlichen Antagonisten der Geschichte gekämpft. Oder es steckt nur ein schmutziges Geheimnis oder eine tragische Geschichte hinter seinem Handeln. Doch in jedem Fall erfüllt auch dieser Pseudo-Antagonist seinen Zweck: Er treibt den Helden in einer Entwicklung voran und bringt ihn dazu, seine Ansichten und Motive zu hinterfragen.

Aufgabe: Erschafft eine Figur, die alles verkörpert, was eurer Meinung nach ein guter Antagonist braucht.

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Sonea schreibt Fanfictions auf Fanfiktion.de und bloggt übers Schreiben und ihre Projekte auf Tales From Kyralia.

1 Kommentar:

  1. Ich find Antagonisten auch einfach deswegen oft am coolsten, weil die z.T. das einzige sind, das eine Story richtig zum Laufen bekommt. (Ohne Konflikt keine Geschichte, ist klar^^) Da muss ich nicht einmal Mitleid mit dem Typen oder der Dame haben oder seine Tragik toll finden (sozusagen das Tom-Hiddleston-Loki-Phänomen), sondern da reicht es schon, wenn der Antagonist einfach Sinn macht, sozusagen aus seiner eigenen Logik heraus, und eine eigene Psyche bekommt. (Da fand ich zuletzt Kilgrave in "Jessica Jones" awesome.)
    In jedem Fall: Ein schöner Post :)
    lg
    Hekabe

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