George R. R. Martin macht es vor - man kann Romane mit einem sehr großen Cast schreiben, ohne dabei durcheinanderzukommen oder einen Strang völlig aus dem Blick zu verlieren. Leider weiß ich nicht, wie genau der große Meister dabei vorgeht und ob - oder wie - er seine Geschichten plant. Aber auch mein Cast an Erzählcharakteren hat sich inzwischen stärker verselbstständigt, als mir lieb ist. Da ich keine reine Plotterin bin - Szenenpläne oder ähnlich enge Korsetts sind mir ein Graus - habe ich nach einer praktischen und übersichtlichen Methode gesucht, um gleichzeitig alle wichtigen Erzählcharaktere mit ihren Strängen unter einen Hut zu bekommen und trotzdem locker genug zu planen, um mir Freiheiten zu lassen.
Madita deutet in ihrem Blogpost bereits an, dass man 7-Punkte-System nutzen kann, um auch Subplots und Charakterentwicklungen zu plotten. Ich nutze es, um bei meinen vielen Erzählcharakteren und ihren individuellen Handlungssträngen trotzdem für jeden Charakter einen geschlossenen Bogen zu haben. Dabei muss der individuelle Charakterbogen nicht zwingend die gleiche Spannungskurve haben oder mit dem Anfang beginnen / am Ende enden. Gerade die Möglichkeit, für jeden Charakter einen eigenen Handlungsein- und Ausstieg zu definieren, macht es für mich so reizvoll.
Das Formale
Ich arbeite handschriftlich, aber das System ist gleich, egal ob man handschriftlich oder digital vorgeht. Zum Verdeutlichen meines Systems zeige ich euch alles mit Hilfe von Paint.
Zunächst also benötigen wir in irgendeiner Form die Grundtabelle. Ich finde es dabei sehr hilfreich, mir zu den einzelnen Schritten auch die vom Methodenerfinder Dan Wells empfohlene Reihenfolge beim Planen aufzuschreiben (die Zahl in Klammern) und untendrunter, was genau ich mir darunter vorstellen soll. Da ich persönlich nicht mit den Schritten der Heldenreise arbeite, weicht meine Erklärung zu den Punkten von denen in Maditas Artikel teilweise ab.
Die einzelnen Punkte
Ihr könnt die Gliederung euren Zwecken anpassen. Wenn für euch die Heldenreise perfekt ist, nutzt die. Ich fahre besser mit dieser Einteilung:
1. Ausgangssituation: Wo ist die jeweilige Person zu Beginn der Geschichte? Zu Beginn der Geschichte heißt aber nicht zwingend "unbeschriebenes Blatt, unschuldiger Bauernjunge" - gerade wenn man mit diesem System einen zweiten, dritten, vierten etc. Band planen will, stellt sich viel mehr die Frage: An welchem Punkt steigen wir jetzt ein?
2. Veränderung, Rolle: Hier gibt es zwei Optionen - entweder die Veränderung oder die Erkenntnis der eigenen Bedeutung für irgendwelche Ereignisse. Für mich oft ein punktuelles Ereignis, das die Veränderung selbst verursacht. Beispielsweise eine getroffene Entscheidung, ein zufälliger (dummer) Fehler, eine Begegnung.
3. Gefahr --> Handlungszwang: Hier muss etwas passieren, das dafür sorgt, dass die Figuren handeln müssen. Irgendwie. Das muss nicht zwingend die epische Gefahr sein. Wenn eine Romanfigur z.B. unter zunehmender Paranoia leidet, kann an dieser Stelle der Leidensdruck so groß werden, dass sie sich Hilfe sucht. Oder die Paranoia in Handlungen umschlägt. Auf alle Fälle sind die Figuren in einer Situation, in der sie handeln müssen - der Weg zurück ist versperrt, Nichtstun ist keine Option.
4. Aufgabe/Entschluss: Das, was die Situation in 3. auflöst. Wenn die Figur mehrere Handlungsoptionen hatte, muss sie sich hier für eine davon entscheiden.
5. Auswegslosigkeit: Das Gegenstück zu Punkt 2 - die Ereignisse führen dazu, dass die Figuren sich irgendwo verrannt haben.
6. Lösung wird gefunden: Aber kein Problem ohne Lösung. Die Figuren finden einen Weg, um die scheinbar aussichtslose Situation doch noch zu umschiffen.
7. Ziel erreicht: Am Ende müssen die Charaktere irgendwo rauskommen. Ob es noch das Ziel vom Anfang ist, ist die andere große Frage. Sie können auch scheitern (besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.)
Und natürlich kann auch zwischen den Punkten eine Menge passieren und ich als Zwischending zwischen Plotter und Pantser gestalte die Phasen zwischen den Punkten gerne spontan. Es ist ein wenig wie beim Slalomfahren - man weiß, wo die Stangen stehen und man muss an jeder vorbei. Aber wie genau man das tut, kann man dem eigenen Fahrgefühl und den Instinkten überlassen. Ich lasse das Wie meine Romanfiguren selbst finden.
Aber wer haargenau planen möchte, kann sich zusätzlich einen Szenenplan machen. Das Eine schließt das andere nicht aus.
2. Veränderung, Rolle: Hier gibt es zwei Optionen - entweder die Veränderung oder die Erkenntnis der eigenen Bedeutung für irgendwelche Ereignisse. Für mich oft ein punktuelles Ereignis, das die Veränderung selbst verursacht. Beispielsweise eine getroffene Entscheidung, ein zufälliger (dummer) Fehler, eine Begegnung.
3. Gefahr --> Handlungszwang: Hier muss etwas passieren, das dafür sorgt, dass die Figuren handeln müssen. Irgendwie. Das muss nicht zwingend die epische Gefahr sein. Wenn eine Romanfigur z.B. unter zunehmender Paranoia leidet, kann an dieser Stelle der Leidensdruck so groß werden, dass sie sich Hilfe sucht. Oder die Paranoia in Handlungen umschlägt. Auf alle Fälle sind die Figuren in einer Situation, in der sie handeln müssen - der Weg zurück ist versperrt, Nichtstun ist keine Option.
4. Aufgabe/Entschluss: Das, was die Situation in 3. auflöst. Wenn die Figur mehrere Handlungsoptionen hatte, muss sie sich hier für eine davon entscheiden.
5. Auswegslosigkeit: Das Gegenstück zu Punkt 2 - die Ereignisse führen dazu, dass die Figuren sich irgendwo verrannt haben.
6. Lösung wird gefunden: Aber kein Problem ohne Lösung. Die Figuren finden einen Weg, um die scheinbar aussichtslose Situation doch noch zu umschiffen.
7. Ziel erreicht: Am Ende müssen die Charaktere irgendwo rauskommen. Ob es noch das Ziel vom Anfang ist, ist die andere große Frage. Sie können auch scheitern (besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.)
Und natürlich kann auch zwischen den Punkten eine Menge passieren und ich als Zwischending zwischen Plotter und Pantser gestalte die Phasen zwischen den Punkten gerne spontan. Es ist ein wenig wie beim Slalomfahren - man weiß, wo die Stangen stehen und man muss an jeder vorbei. Aber wie genau man das tut, kann man dem eigenen Fahrgefühl und den Instinkten überlassen. Ich lasse das Wie meine Romanfiguren selbst finden.
Aber wer haargenau planen möchte, kann sich zusätzlich einen Szenenplan machen. Das Eine schließt das andere nicht aus.
Wie funktioniert das bei vielen Figuren?
Genauso, wie bei einer oder bei vielen Nebenplots. Wir schauen uns an, wo jede einzelne Figur am Ende sein will.
Ich fülle meist zuerst eine Figur vollständig aus und gehe dann zur nächsten, man kann aber auch alle auf einmal schrittweise ausfüllen.
Mein fiktives Beispiel (siehe Grafik) ist ein Roman aus dem Genre Urban Fantasy, Untergenre Gay Romance mit der Schurkin als erster Figur und Option auf Fortsetzung (schließlich muss Ronja wieder gestürzt werden). Man könnte theoretisch noch die Figuren, deren Stränge zusammengehören, nebeneinander stellen (also Herbert und Sebastian). Und man könnte noch unendlich viele Figuren an der Seite anhängen.
Mein fiktives Beispiel (siehe Grafik) ist ein Roman aus dem Genre Urban Fantasy, Untergenre Gay Romance mit der Schurkin als erster Figur und Option auf Fortsetzung (schließlich muss Ronja wieder gestürzt werden). Man könnte theoretisch noch die Figuren, deren Stränge zusammengehören, nebeneinander stellen (also Herbert und Sebastian). Und man könnte noch unendlich viele Figuren an der Seite anhängen.
Wie arbeitet man damit?
Ich lese mir immer die Zelle durch, die ich gerade brauche. Um sich an den Punkten orientieren zu können, schadet es nicht, sie sich vor Augen zu führen. Aber schon beim Verfassen des Planes präge ich mir die wichtigsten Stationen ein und schaue eigentlich beim Schreiben selbst meist nur dann auf den Plan, wenn ich einen Hänger habe. Dann sehe ich, wo ich als nächstes hinkommen muss mit der Geschichte und der Hänger verschwindet von selbst.
Und wenn die Figuren die Geschichte ZU radikal verändern... kann man immer noch etwas anderes in den Plan schreiben. So eine Tabelle, ob analog oder digital, ist ja nicht in Stein gemeißelt und wenn sich eine viel bessere oder passendere Option ergibt, kann man Zellen überschreiben oder überkleben.
Außerdem kann es passieren, dass sich weitere Erzählcharaktere erst im Laufe der Geschichte herauskristallisieren - denen kann man auch nachträglich eine Tabellenspalte widmen. Egal ob man noch eine dazuzeichnet/klebt oder am PC einfach eine anfügt.
Und wenn die Figuren die Geschichte ZU radikal verändern... kann man immer noch etwas anderes in den Plan schreiben. So eine Tabelle, ob analog oder digital, ist ja nicht in Stein gemeißelt und wenn sich eine viel bessere oder passendere Option ergibt, kann man Zellen überschreiben oder überkleben.
Außerdem kann es passieren, dass sich weitere Erzählcharaktere erst im Laufe der Geschichte herauskristallisieren - denen kann man auch nachträglich eine Tabellenspalte widmen. Egal ob man noch eine dazuzeichnet/klebt oder am PC einfach eine anfügt.
Vor- und Nachteile
Zunächst die Vorteile:
Es ist recht übersichtlich - pro Handlungsstrang/Person gibt es eine Spalte, die man sich anschauen kann. Wenn man wirklich so kleine Zellen macht wie in meinen Grafiken, nimmt die Spalte auch nicht allzu viel Platz weg und das Ganze lässt sich neben den PC legen oder auf dem Bildschirm platzsparend darstellen. Und es ist ein recht praktischer Fahrplan, wenn man nicht weiterweiß.
Dadurch, dass jede Figur eine eigene Verlaufslinie erhält, kann man auch die Aufteilung so variieren, dass für Leser*innen das Schema dahinter nicht mehr zu erkennen ist und alles zu einem Gesamtwerk wird - wobei man natürlich mit mehreren zeitgleich auftretenden Handlungsspitzen den Spannungsbogen hochtreiben oder durch kleine ruhige Einschübe gut dosieren kann. Alles ist möglich.
Dadurch, dass jede Figur eine eigene Verlaufslinie erhält, kann man auch die Aufteilung so variieren, dass für Leser*innen das Schema dahinter nicht mehr zu erkennen ist und alles zu einem Gesamtwerk wird - wobei man natürlich mit mehreren zeitgleich auftretenden Handlungsspitzen den Spannungsbogen hochtreiben oder durch kleine ruhige Einschübe gut dosieren kann. Alles ist möglich.
Wie jede Methode ist auch diese hier nicht perfekt.
Vor allem setzt sie eigentlich voraus, dass man sich bereits recht ausgiebig mit der Geschichte und den Charakteren befasst hat. Schließlich soll man hin- und herspringen, vom Ende zum Anfang und dann in die Mitte. Wie ein Weberschiffchen. Das liegt nicht allen.
Dabei liegen die Handlungsetappen in einer Zeile nicht automatisch auf der gleichen Zeitlinie, sodass man sich beim Schreiben und Spicken darauf konzentrieren muss, wo man bei welcher Figur gerade angekommen ist. Wer also leicht durcheinanderkommt, für den ist diese Methode, mit vielen Charakteren zu planen, möglicherweise eher verwirrend.
Würdet ihr damit arbeiten wollen? Versucht es doch einfach mal für eure nächste Geschichte mit vielen Charakteren.
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Zum Weiterlesen:
Alphaleserin, Forumsadministratorin, Entdeckerin, Trilogie-in-X-Bänden-Autorin, Chara-Dichterin, Neologistin, Polyglotin... und ein Fan kurioser Worte. Sie bloggt über das Autorendasein, Bücher und den Weltenbau.
Danke für den Beitrag, werde es mal damit versuchen.
AntwortenLöschenWas mir jetzt nicht ganz klar ist, wie sich das verhält, wenn die Person am Anfang noch gar kein Ziel hat. Dies sich erst im Laufe der Geschichte herauskristallisiert. Bzw, Ändert sich das Ziel ja auch mal bei manchen Charakter.
Macht man dann am besten einfach 2 Spalten für einen Charakter?
Das ist kein Problem. DU musst am Ende wissen, wie es für die Person ausgeht, es kann aber Teil der sieben Punkte sein, dass das ursprüngliche Ziel sich als falsch erweist und ein neues Ziel gefunden werden muss :). Dazu reicht eine Spalte, die aber vielleicht nicht ganz so klein sein darf wie in meiner Paint-Grafik.
LöschenEin sehr schöner Artikel. :)
AntwortenLöschenIch nutze diese Methode auch (also die 7-Punkte allgemein und auch für mehrere Charaktere/Handlungsstränge).
Für den am Ende angesprochenen Punkt gibt es auch die Option, die Dan Wells in seiner Power Point-Präsentation verwendet. Dort nutzt er am Beispiel von "Matrix" eine Tabelle. In dieselbe Zeile kommen die Ereignisse, die zur selben Zeit geschehen, ansonsten befindet sich eben nur ein Eintrag in einer Spalte pro Zeile. Damit wird die Tabelle zwar recht lang (was zumindest digital nicht so das Problem ist), aber man kommt mit der Reihenfolge nicht so durcheinander.
Da ich weder mit Szenenliste noch mit so einer Tabelle arbeite, sondern mit vielen ausführlichen Stickpunkten, sortiere ich das zu dem Zeitpunkt, wenn ich dieses Dokument erstelle, immer gemessen am Hauptplot. Also selbst wenn das für eine Figur der Hook ist, er aber im Gesamtgeschehen beim Plot Turn 1 stattfindet, dann steht das in meinem Plot-Dokument auch unter Letzterem. Denn in der endgültigen Geschichte ist das ja dieser Punkt.
Danke :).
LöschenVon dir weiß ich ja, dass du viel intensiver plottest als z.B. ich, deine Methode, am Hauptplot zu sortieren, klingt jedenfalls schlüssig - und ja, bei sehr vielen Figuren kann man sonst leicht durcheinanderkommen, wenn man GAR kein System hat...
(Da ich sowas wie einen Hauptplot meist nicht habe bzw. der Hauptplot mit dem Figurenplot der Protagonist*innen - Plural, da das besser zu gendern ist - identisch ist, reicht mir die Tabelle aus. Aber wer intensiver plottet, wird Wege finden, kleinschrittiger zu arbeiten :) ).
Mein Hauptplot deckt sich von der Abfolge auch exakt mit dem Character Arc meiner Protagonistin (ich habe da ja immer nur eine Figur in dieser Position). Es gibt zwar schon ein paar Unterschiede zwischen dem Hauptplot der Geschichte und dem Plot meiner Protagonistin, aber da die Hauptgeschichte gleichzeitig auch ihre ist, hat sie quasi zwei Plots, der eine ist Handlungsebene, der andere zeigt eben ihre charakterlicher Entwicklung. Aber alle 7 Plotpunkte (bei mir sind es eigentlich 8, weil ich knapp vor der Resolution noch eine Klimax eingefügt habe, einfach um sie für mich zu betonen) laufen bei diesen beiden Strängen gleichzeitig. Während die der anderen beiden PoV-Figuren und ein weiterer Nebenplot eben zu anderen Zeiten einsetzen und enden.
LöschenIch denke, dass sich das auch mit weniger plotten nutzen lässt, sofern man sich halt wirklich nicht nur für den Hauptplot die 7 Punkte vornimmt, sondern eben auch für die restlichen Figuren. Gleichzeitig ist das aber vermutlich auch ein bisschen von jedem selbst abhängig, wer wirklich sehr viel erst beim Schreiben entdecken will, kann für sich nur festlegen, wie die Punkte aussehen sollen, aber sie alle schon übereinander zu legen, schränkt wohl wieder zu sehr ein und dann funktioniert das System nicht.