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Samstag, 20. Mai 2017

Writing Excuses - Master Class #03: Lovecraftian Horror

Willkommen zu einer nächsten Runde Writing Excuses. In diesem Artikel widmen wir uns einem eher speziellen Thema, ein Thema, welches jedoch zu meiner Geschichte passt. Damit ihr im fortlaufenden Artikel wisst, um wen es geht, werde ich euch einen Kurzinhalt meiner entwickelten Idee vorstellen.





Das goldene Gässchen im Prag des Kaisers Rudolf II. 1599. Im ganzen Land schaut man der Jahrhundertwende mit gemischten Gefühlen entgegen. Kaiser Rudolf, ein großer Förderer von Kunst und Wissenschaft, begeistert sich sehr für die geheimen Künste der Alchemie und Astrologie. Etwas schüchtern und überfordert mit der Politik verbringt er viel Zeit in Künstlerwerkstätten oder in den kleinen Laboren der Alchimisten. Irgendetwas stimmt nicht mit dem Kaiser. Sein Selbstbewusstsein wurde immer wieder durch Phasen tiefer Entscheidungslosigkeit zerrissen, so dass viele munkelten, der Kaiser sei an Schizophrenie erkrankt. Doch unter den Künstlern und Wissenschaftlern war er wie sie. Ein Mensch, der Ende des Jahres in einen neuen Zeitabschnitt eintritt. Viele jener Alchemisten suchen nach der Formel, um unedle Metalle in Gold oder Silber zu verwandeln. Doch eine kleine Gruppe, angeheuert vom Kaiser, forscht nach etwas weitaus Größerem. Mit der Jahrhundertwende kommt auch die Angst vor der ungewissen Zukunft, das Reich entwickelt sich und der Kaiser versucht stets, Schritt und seinen Stand zu halten. Damit dem eigentlichen stolzen Kaiser dies auch im nächsten Jahrhundert gelingt und er vielleicht seinen Konkurrenten einen Schritt voraus ist, heuert er eine Gruppe von drei Alchimisten an. Sie suchen nach der Formel, welche die Erde zusammenhält und eine Möglichkeit, Einblicke in andere Welten zu erhalten. Der Stein der Weisen kann doch noch nicht alles sein? Es muss doch möglich sein, über den sogenannten Tellerrand hinaus zu schauen. Der Stein der Erdzeiten soll der Schlüssel zu allem sein. Die Kollegen und Freunde Enderis, Peyr und Wolf teilen sich ein Labor am Rande des goldenen Gässchen. Als Apotheke getarnt, forschen sie im Geheimen im Auftrag des Kaisers. Jeder ist ein Experte auf seinem Gebiet: Biologie, Chemie und Physik. Auch wenn sie sich den Geheimnissen der Erde auf wissenschaftlicher Weise zuwenden wollen, sind sie von den paranormalen Möglichkeiten fasziniert. Deswegen verbünden Sie sich mit dem Magier und Druiden Melchior, welcher durch eine magische Note die Entwicklung des Schlüssels voran treiben soll. Eine Zutat scheint noch zu fehlen. Die Suche wird erschwert, als nicht nur ein Rezeptbuch gestohlen, sondern auch die Töchter der drei Wissenschaftler entführt werden. Zusammen mit dem Kaiser versuchen sie, die entwendeten Schätze zu finden und einzufordern. Schnell kommt die Vermutung auf, dass in den Reihen der kaiserlichen Brüder Groll und Neid gegen Rudolf Einzug gehalten hat. Ihnen wäre es nur Recht, wenn sie den Kaiser in Ungnade fallen lassen oder als unfähig darstellen zu können. Wer es auch ist, kann schlimme Dinge mit dem Buch erschaffen, denn er weiß anscheinend nicht, dass es noch ein weiteres Buch gibt, das als Gegenpol fungiert. Es sei denn, er hat es nur auf die dunklen Seiten der Erde abgesehen. Aber wofür benötigt er drei Kinder? Wer Margaretha, Osanna und Walburga entführt hat, hat höchstwahrscheinlich nichts Gutes im Sinn. Er sieht wahrscheinlich in den Kindern den Schlüssel zur Lösung des Rätsels. Doch egal, was derjenige im Sinn hat, er hat nicht mit der unbekannten bösartigen Macht gerechnet, die er mit seinen Experimenten freisetzt.

Das würde ich jetzt erst einmal so stehen lassen. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere ja an die anfängliche Grundidee. Behaltet sie einfach im Hinterkopf, wenn wir uns jetzt dem eigentlichen Thema dieses Podcast widmen: Lovcraftian Horror. Howard, Dan, Brandon, Cherie und Mary, laden zur nächsten Gesprächsrunde ein. Sie blicken auf die Zeiten Lovecrafts zurück. Der amerikanische Autor schrieb seine Geschichten Anfang des letzten Jahrhunderts. Sie beinhalteten u.a. mythische Themen, wie den Cthullu-Mythos und Geschichten aus einer fiktiven Stadt Arkham (sogenannter Arkham-Horror), die erst ein Jahrhundert später in einer neuen Generation wieder auflebten und neue Anhänger fand. Lovecraft wollte Dinge schreiben, die einen Atheist ängstigen würden. Dabei geht er jedoch weg von den typischen Horrorszenarien, die jedem normalen Menschen passieren können, wenn er falsche Entscheidungen trifft. Jedem ist bestimmt die blonde Hauptdarstellerin bekannt, die alleine in den gruseligen Keller geht, obwohl sie weiß, dass ihr da Unglück oder Angst droht. Lovecraft geht viel weiter. Ganz normale, kompetente Menschen geraten in Situationen, gegen die sie einfach machtlos sind.

Doch was ist so besonders an diesem „Lovecraftian style“?

Viel basiert in dieser Welt auf dem sogenannten „Eldritch horror“. Hierbei handelt es sich um Horror mit übersinnlichen Komponenten, welcher meist größer und mächtiger ist, als es der Menschheit bewusst ist. Seine bekannteste Figur ist wahrscheinlich Cthulhu, ein „Elder God“, der den menschlichen Geist nach und nach zerstört. Brandon beschrieb dies wie folgt: Stellt euch jenen ultimativen Horror für euch vor, jenes Ding, was euch am meisten Angst macht und dieses Etwas macht euch nach und nach verrückt. Er schreibt diese Geschichten in der ersten Person, so dass der Leser live miterleben kann, wie er und der Protagonist immer weiter den Verstand verlieren. Wäre das nicht schon genug, werden sie zudem mit der menschlichen Bedeutungslosigkeit konfrontiert. Die Personen in Lovecrafts Geschichten verlieren also nicht nur ihren Verstand, sondern auch ihren Glaube an sich selbst und die menschliche Existenz. Man hört auf, an andere zu glauben, man schert sich nicht mehr darum, es wird einem mehr und mehr egal, bis man einfach aufhört zu sein.
Es muss aber nicht immer nur Cthulhu sein. Es kann auch einfach das unbekannte Monster sein, welches im Wasser lauert oder die Wesen aus dem All. Man weiß, dass sie da sein könnten und wartet einfach nur darauf, dass etwas mit einem geschieht. Selbst das macht einen doch schon verrückt, nicht wahr?

Lovecraft schafft es, selbst so banale Dinge wie Farben in eine Horrorgeschichte zu verpacken. Es verdeutlicht, dass der Autor Angst vor fast allem hatte, selbst vor einer Farbe, die in seiner Geschichte eine ganze Familie auslöschte. Dies war jedoch auch seine größte Gabe: Er konnte noch so banale oder lächerliche Dinge, wie eine Farbe, nehmen und es zu etwas machen, was einem wirklich Angst einjagen kann.

Wie aber macht Lovecraft das? Mit der richtigen Wortwahl. Hierbei solltet ihr eure Beschreibung so lebhaft wie möglich gestalten. Bleiben wir bei dem Beispiel der Familie. Zu Beginn wird die Familie, so wie sie wirklich ist, eingeführt und Seite für Seite erlebt der Leser schließlich mit, wie sie sich verändert und womöglich zerfällt. Es beschreibt den Horror des Seins, das Unbekannte, was tief in dir schlummert. Zudem verwendet er das Wörtchen „zu“, welches er vor das Adjektiv setzt, wie z.B. „die Nacht war zu schwarz“ oder „die Bäume waren zu kahl“. Dieser kleine Zusatz erweckt in einem sofort das Gefühl, dass etwas nicht so ist, wie es eigentlich sein sollte.

Es geht bei Lovecraftian Horror nicht um den Mythos an sich, sondern um die Art und Weise mit unvorstellbaren Horror zu arbeiten und diesen so lebendig wie möglich zu beschreiben. Dabei spielt die Isolation und das Gefühl der Einsamkeit eine wichtige Rolle.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Lovecraftian Horror nicht auf dummen Entscheidungen basiert, die ein Charakter trifft. Hier geht es um ganz normale, kompetente Menschen, die alles eigentlich richtig machen, allerdings einer Kraft gegenüberstehen, deren Macht alles zum Scheitern bringen kann. Es geht um „supernatural components“, surreale und verrückte Dinge, die dem Protagonisten widerfahren. Dabei wird nichts generiert. Lovercraftian Horror spielt mit der Angst vor dem Unbekannten, keine Geschichte, ist wie die andere. Die unterschiedlichen Ebenen sind extrem prägend für den Charakter und auch für den Leser. Hier geht es oft auch um Isolation, kleine und große Geschichten, egal ob im Ozean oder im weiten Kosmos.
Und in dieser Masterclass üben wir das Schreiben in diesem Themenfeld. Die heutige Schreibaufgabe befasst sich demnach mit Lovecraftian Horror.


Schreibaufgabe:

Wählt einen Charakter. Aus seiner Sichtweise beschreibt ihr seine Reaktion auf etwas Entsetzliches, Unbeschreibliches und Widerliches. Dieses Etwas sollt ihr jedoch NICHT beschreiben.

Daran werde auch ich mich versuchen. Viel Spaß beim Lesen und selbst ausprobieren. Bis zur nächsten Masterclass.


Eure Anke


Die Sonne war schon untergegangen, als Rudolf sich aus dem königlichen Palast schlich. In einen grauem Umhang gehüllt eilte er über das feucht schimmernde Kopfsteinpflaster der Prager Burg. Ein paar wenige neugierige Blicke verfolgten ihn, doch es war ihm egal. Schnell schloss er die schwere Holztür den Hauses Nr. 7 der kleinen Gasse am Rande des Burgareals. Er wollte einfach für sich sein. Er wollte seine Ruhe. Alles war ihm zu viel: die Politik, die Verantwortung. Alle redeten auf ihn ein. Hier in diesem Haus war er sicher vor diesen Tyrannen. Trotzdem verspürte er immer noch diese innere Unruhe, die ihn nicht still sitzen ließ. Auch jetzt ging er in der Alchimistenküche auf und ab. Sein Blick huschte ohne Unterbrechung von einer Ecke zur anderen Ecke des Raumes. Seine Freunde brachten anscheinend gerade die Kinder zu Bett. Um sich etwas abzulenken untersuchte er die Bücher und die Gerätschaften, um zu schauen, woran die Wissenschaftler gerade arbeiteten. Neben einem Buch lag ein Wandspiegel. Wofür auch immer sie ihn brauchten, er sah aus, als stammte er aus den königlichen Gemächern. Aber er hatte den Spiegel nicht mitgebracht. Oder doch? Zweifelnd warf Rudolf einen Blick in den Spiegel. 

„Du sahst schon mal besser aus“, flüsterte eine Stimme in sein Ohr, oder war es eine Stimme in seinem Kopf. Erschrocken drehte er sich um. Hinter ihm war niemand. Natürlich war da niemand, ansonsten hätte er es im Spiegel gesehen. Wieder sah er in den Spiegel. Und wieder hörte er die Stimme flüstern. Aber er verstand nicht was sie sagte. Rudolf kniff die Augen zusammen, um genauer in die Spiegel zu sehen, ob jemand hinter ihm stand. Die Unruhe in seiner Brust wurde stärker. Er wollte sich aufrichten und sich bewegen, aber er konnte nicht. Sein Blick war auf die glatte Scheibe des Spiegels gerichtet, als würde ihn etwas zwingen hineinzusehen. So sehr er es auch versuchte, es war zu anstrengend, sich dagegen aufzulehnen. Er wollte nicht sehen, was sein Spiegelbild ihm zeigte. Aber was er hinter dem Glas erblickte, war nicht sein Spiegelbild. Die Unruhe wandelte sich langsam in Angst. Seine Umgebung hatte sich verändert. Es war zu ruhig, abgesehen von dem leisen aber konstanten Surren in seinem Kopf. Es fühlte sich so an, als vibrierte etwas in seinem Geist. Das vertraute Blubbern der farbigen Flüssigkeiten war verstummt, ebenso das Knarzen des alten Holzbodens, auf dem er sich bewegte. Aber er bewegte sich nicht. Etwas hielt ihn fest, lähmte ihn. Er wollte die Augen schließen, doch gelang es ihm nicht. Er hatte Kopfschmerzen. Das Spiegelbild war schon lange nicht mehr sein eigenes. Es hatte sich zu etwas Grotesken verändert, etwas nicht Menschlichem. Er war sich nicht mal sicher, ob er sich noch in dem ursprünglichen Raum befand. Im Spiegel konnte er die Gerätschaften und vielen Bücher nicht mehr sehen – nicht mal sich selbst konnte er erkennen. Stattdessen eröffnete sich Rudolf eine Welt des Hasses, des Neides und der Gewalt. Angstschweiß überdeckte nun seinen ganzen Körper. Außer diesem Surren konnte er nichts hören, trotzdem war es ihm, als fuhren erschütternde Schreie in sein Mark und Bein. Seine Hände krallten sich an den Spiegel. Am liebsten hätte er das Ding gegen die Wand geworfen, aber er hatte nicht einmal die Kraft, es anzuheben. Er war alleine … alleine und schwach. Er verlor den festen Boden unter den Füßen und was er sah ließ ihn aufschreien. Kein Ton erklang aus seiner Kehle, doch öffnete er immer wieder den Mund, um zu schreien. So etwas hatte er in seiner gesamten Laufbahn noch nicht gesehen. So schrecklich hatte er sich nicht einmal am Sterbebett seines alten Herren gefühlt. Auch damals hatte ihm schon das Gefühl geplagt, jemanden zu verraten … jemanden im Stich zu lassen. Der Kaiser wusste nicht was er denken sollte. Eine unsagbare Menge an schmerzlichen Erinnerungen wirbelte durch seinen Kopf, bis sie abrupt aufhörten und eine unendliche Leere zurückließen. Mit dieser Leere konnte er nicht umgehen. Sie war in ihm, aber auch um ihm, auch wenn die Szenen, die er sah etwas anderes sagten. Tränen rannen über seine eingefallenen Wangen. Auch sie verschwanden im Nichts. Er war nichts ... Es war nichts …. und doch existierte etwas um ihn herum, was seine menschlichen Sinne nicht greifen konnten. Es war so unbeschreiblich und so abnormal, dass er es nicht in Worte fassen konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Dieses Etwas schien ihn zu erdrücken, als wäre er ein kleiner Grashalm unter der Last eines blutigen Gefechts. Es zwang ihn in die Knie. Seine Beine gaben so plötzlich nach, dass den Spiegel mit sich riss, zusammensackte und mit dem Kopf auf dem schweren Holztisch aufschlug. Dann war sie endlich da … die erlösende Dunkelheit.

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Zum Weiterlesen:




Fasziniert von der Welt, mit zu vielen Hobbys im Gepäck, versucht Anki ihren Gedanken Ausdruck zu verleihen. Mit Worten, aber auch mit Foto und Design greift sie auch anderen gerne unter die Arme. Willkommen beim Zeitfänger!


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