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Samstag, 27. Mai 2017

Philosophie und das Schreiben - Staatsphilosophie und Dystopien



"George Orwell (1984), Ray Bradbury (Fahrenheit 451) und Aldous Huxley (Brave New World) wollten keine Anleitungen schreiben, sondern Warnungen."
Karsten Bender




Dystopien greifen gesellschaftliche Tendenzen des Hier und Jetzt auf und geben sie überspitzt an den Leser zurück. Entwicklungen denen sich der Mensch tagtäglich gegenübersieht, werden von den verschiedensten Autoren zu Ende gedacht und meist nach eigenem Ermessen modelliert. Solche Dystopien (1984, Schöne Neue Welt, Die Tribute von Panem, Die Bestimmung, Corpus Delicti u.a.) können in philosophischer Hinsicht auf ganz verschiedene Aspekte hin untersucht werden: z.B. Ethik, Erkenntnistheorie und (was nachfolgend in kleinem Rahmen auch geschieht) Staatsphilosophie.

Staatsphilosophie beschäftigt sich grundsätzlich mit Legitimität, Wissen, Prinzipien, Wert, Zweck und Funktion des Staates, oder in der heutigen Zeit (politische Philosophie) der politischen Macht. Allein schon bei der Definition des Begriffs „Staat“ scheiden sich die philosophischen Geister.

„In Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch lässt sich der Staat definieren als ein Herrschaftsverband, der innerhalb eines Gebietes das Monopol der legitimen physischen Gewaltausübung besitzt und mit deren Hilfe eine das Zusammenwirken der Bürger regelnde Ordnung durchsetzt.“¹

Auch die oben genannte Definition ist nicht allgemeingültig, da die einzelnen Philosophen und auch philosophischen Strömungen verschiedene Schwerpunkte setzen und allgemeine Definitionen darum meist als zu oberflächlich abgetan werden. Für unseren Zweck aber soll sie ausreichen.

Da ich mitnichten den Weg der verschiedenen Philosophien von Staat und Politik nachzeichnen möchte, verweise ich hier auf:


  • Beate Rosenzweig, Dieter Oberndörfer: Klassische Staatsphilosophie.
  • Martin Hartmann,Claus Off: Politische Theorie und politische Philosophie: ein Handbuch.
  • Philolex "Staat"

Die Verknüpfung von Philosophie und Literatur zeigt sich beispielhaft bei allen oben genannten Dystopien. In den allermeisten Fällen wurde aber, aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht extra die Philosophie zurate gezogen. Dennoch lassen sich immer wieder Parallelen finden. Über das „Wieso das so ist?“ muss man nicht lange nachdenken, denn sowohl Literatur als auch Philosophie beschäftigen sich mit dem menschlichen Verhalten, den menschlichen Wünschen und Sehnsüchten und auch den menschlichen Fehlern.
  1. Die Bestimmung“² trägt Elemente von Platons Staat in sich: In Platons Theorie³ ist die Gesellschaft in verschiedene, aber klar voneinander abzugrenzende Klassen, Nährstand (Amite), Wehrstand (Ferox), Lehrstand (Ken), geteilt und wird von weisen Philosophenkönigen (Altruan) regiert. Die Candor sind bei diesem Bild etwas außen vor. Die Masse des Volkes, auch da unterschiedet sich die Theorie vom Buch nur wenig,hat kein Mitspracherecht bei Fragen der Religion und Kultur. Religion ist zum Beispiel gar kein Thema, die kulturellen Bedingungen hingegen werden nicht offen infrage gestellt.
  2. Corpus Delicti“⁴ orientiert sich, könnte man fast sagen, am Meister des Genres Thomas Morus⁵. „Morus forderte das Ende der Ausbeutung der unteren Klassen, gemeinschaftliche Produktion durch Teilnahme aller an der Arbeit, gemeinschaftliches Eigentum, Altersversorgung, freien Zugang aller zu Bildung und geistigen Gütern. Dabei handelte es sich um eine Art ideales Kloster, nicht etwa um eine freie Gesellschaft!“⁶ Auch der von Juli Zeh entworfene Staat trägt Züge dieser Theorie. Ihre Gesundheitsdiktatur bei dem der private Körper immer Teil des Staatskörpers ist. Handle stets so, dass die Maxime deines Handelns die bestehenden Verhältnisse nicht gefährdet, könnte man fast sagen und so wird es von der Autorin auch dargestellt. Das Höchste Maß ist die eigene Gesundheit zugunsten des Staates, zugunsten der Allgemeinheit.
  3. Auch „Die Tribute von Panem“⁷ tragen verschiedene philosophische Elemente in sich. So zum Beispiel Thomas Hobbes Idee „Der Mensch sei ein Egoist, der nach eigenem Vorteil strebe, nach Erhaltung seiner Existenz und nach dem Besitz möglichst vieler Güter. Im Naturzustand herrsche der Krieg aller gegen alle. Da die Menschen aber auch den natürlichen Wunsch nach Rechtsschutz, Sicherheit und Selbsterhaltung hätten – Wünsche die sich im Naturzustand nicht befriedigen ließen –, gründeten sie den Staat. Nur er könne Friede, Selbsterhaltung, geschütztes Eigentum und Sittlichkeit garantieren.“⁸ Coriolanus Snow, Präsident von Panem, impliziert in seiner Vorrede der Hungerspiele ebendiesen Egoismus und Naturzustand, der nur durch ein Tribut an den Staat (und somit der Staatserhaltung dienend) eingedämmt werden kann.

 

Was aber können wir als Autoren daraus lernen?


Zum einen kann man als Autor auch mit den Erwartungen und Vorurteilen seiner Leser spielen und die verschiedenen Gedankengänge der Philosophen in die heutige Zeit mitnehmen und für die Zukunft weiterentwickeln.

Nun zum anderen lernen wir natürlich auch, wie leicht es sein kann die Lebenswelt des Lesers in Extreme zu überführen. Das kann durchaus in beide Richtungen funktionieren. Dystopisch dunkle Abgründe die uns die Zukunft fürchten lassen, oder die utopisch strahlende Zukunft, in welcher der Mensch den Absprung doch noch geschafft hat.


„Dem bösen Erwachen gehen immer Wunschträume voraus.“
Gerhard Uhlenbruck

¹ Philosophiewörterbuch "Staat"² Die Bestimmung
³ Vgl.: Philolex "Platon"
Juli Zeh "Corpus Delicti"
Thomas Morus
Thomas Morus
Suzanne Collins "Die Tribute von Panem"
Thomas Hobbes

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Zum Weiterlesen:



Jenny bloggt außerdem auf www.jennifergreve.wordpress.com/

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