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Samstag, 10. September 2016

Der Durchhänger oder Bäh-Moment

Ihr kennt das sicher alle, man ist so schön mitten in einem Projekt, es läuft gut, fühlt sich gut an und die Vorfreude ist groß. Und plötzlich kommt man an diesen Punkt. Man mag nicht mehr, es fällt einem nichts mehr ein, man fühlt sich ausgelutscht und ausgelaugt und sehnt sich nach seinem Bett, seiner Teekanne, der Schokolade oder dem Strand.




Nun kann man also stur aufs Papier starren und hoffen, dass es bald besser wird. Oder erstmal den Abwasch machen, das Schlafzimmer streichen, den Keller aufräumen oder andere lästige Pflichten erledigen. Danach kehrt man zurück an seinen Schreibtisch und ist genau so leer wie vorher.

Eine sehr frustrierende Situation, die schon so manch einen Schreiberling in die pure Verzweiflung getrieben hat und durchaus im Verdacht steht einigen nicht nur den Tag sondern gleich die ganze Zukunft als Schriftsteller versaut zu haben, sehr böse.

Dabei muss einen das gar nicht so sehr beeindrucken und schon gar nicht einen solchen Einfluss aufs Wohlbefinden nehmen.

Hinterfragen wir einmal, was da überhaupt los ist. Ein Bild zur Hand zu nehmen, vereinfacht das ganze.


Unsere Kreativität ist kein statischer Zustand, sondern vergleichbar mit einem Garten, der sehr prächtig wuchern kann, wenn wir ihn lassen.

Wir betreten den Garten, er ist sehr schön und reich an wilden Ideen, die wir pflücken und daraus unsere Geschichtenmarmelade kochen, Romangelee herstellen, Storysaft pressen und Artikelkuchen backen, je nach dem, alles ist möglich. Und es bringt Spaß, denn es gibt eine solche Fülle an Möglichkeiten, dass wir schnell das Gefühl haben, endlos ernten und umsetzen zu können. Und das ist toll, wir stürzen uns in die Arbeit, verlieren uns darin, tauchen wochen-, monatelang ab und füllen unseren Schrank mit all den schönen Dingen, die wir gefunden und verarbeitet haben.


Und plötzlich ist der Garten ganz schön gerupft und wir finden immer weniger schöne, saftige Ideen, müssen uns einschränken und mit dem zufrieden geben, was noch zur Verfügung steht.

Bis auch das aufgebraucht ist, und zack ist sie da, die lähmend langweilige, frustrierende Bäh-Zeit, in der wir unzufrieden vor dem Papier sitzen und am liebsten alles hinschmeißen würden.


Anstatt nun genervt zu sein oder zu verzweifelt, sollten wir unseren Garten pflegen, ihm ein bisschen Zeit geben sich zu erholen, nachzuwachsen.


Das tut er nicht indem wir uns um lästiges Zeug kümmern, sondern indem wir ihm Gutes tun, ihn mit Dünger und ein paar Ideensamen versorgen, ihn gießen und ihm gut zureden, vor allem ihm Liebe schenken.


Und wie geht nun?

Ganz einfach.


Wir gehen hinaus in die Welt und sammeln. Wir sammeln Bilder, Geräusche, Eindrücke, wir gucken und hören genau hin, bewundern schöne Dinge, sind fasziniert von schrägen Dingen, finden völlig neue Töne, Geschmäcker, füttern ein paar Enten, essen ein Eis im Park, spazieren den Strand entlang und betrachten die Steine, lassen uns den Wind ins Gesicht pusten, halten unsere Füße ins Wasser. All das sind kleine neue Ideensamen, die sich aussäen in unserem Garten, die wachsen und mit ein bisschen Ruhe groß werden, zu einer neuen reichen Ernte.


Wir können den Garten auch fragen, was er braucht, immerhin liegt er in unserem Inneren und ist ein Teil von uns.

Was möchtest du jetzt am liebsten tun, fragen wir und schreiben die Antworten schnell auf, bevor unser Kopf anspringt und in Sinn und Unsinn einteilt. Und die ersten drei bis fünf Antworten sind es, die uns interessieren, von denen wir eine, zwei umsetzen.

Sagt unser Inneres z.B.: „Hey, ich will so gern mal wieder auf ein Konzert“, dann gehen wir auf ein Konzert. Es kann natürlich auch ganz banal ausfallen und wir spielen einen Abend lang Autorennen auf der verstaubten Playstation, die schon so lange ungenutzt im Regal steht. Oder wir hören etwas Verrücktes, ziehen uns kunterbunt an und tanzen auf der Dachterrasse, weil wir das irgendwie schon immer mal machen wollten, reden mit Kindern, gehen in den Zoo und kuscheln eine Ziege oder schreiben unsere Lieblingszitate an die Klotür, besorgen uns endlich das niedliche Kuscheltier, das wir nie bekommen haben und trinken mit ihm eine Cola im feinsten Laden der Stadt.


Danach kehren wir an unseren Schreibtisch zurück und sind überwältigt, wie schön und neu und unbekannt unser Garten nachgewachsen ist und begeben uns auf Entdeckungsreise.


Am besten ist es natürlich eine Balance zu finden, in der wir den Garten nicht jedes Mal komplett plündern bevor wir ihm Dünger beschaffen. Wir können all diese guten und verrückten Dinge fest in unserem Leben installieren, ihnen Raum geben. Seien wir wenigstens ein mal die Woche das ungebändigte, freche Kind, das toben will und toben bis uns die Puste ausgeht.


Wer will schon einen gestutzen Garten, in dem nur ein paar kümmerliche Radieschen ums Überleben kämpfen? Machen wir ihn lieber voll und lassen ihn ausufern, überborden und sich in einen Märchenwald verwandeln.


Und wenn wir dann einmal da sitzen und uns überfällt die Angst ihn zu betreten, lasst es uns trotzdem tun, lasst uns uns vorstellen, wir wären Forscher und Entdecker, die die ersten Schritte in ein unbekanntes Land wagen. Da wissen wir nämlich auch nicht, was wir finden werden, aber wir werden etwas finden. Und das nehmen wir, wir schreiben einfach das, was uns begegnet, wir zensieren nicht, denn das entspricht nicht unserer Forschermentalität. Wir machen einfach weiter und halten dann irgendwann eine Geschichte in den Händen, die uns selbst überrascht, die echter nicht sein kann.


Dies ist also ein Aufruf zur Freiheit, zur Verrücktheit, zu Mut und Kraft und Leben.

Spielen wir, entdecken wir und lassen uns mitreißen.

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