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Samstag, 13. August 2016

Warum es wichtig ist, Projekten Zeit zu geben: Der „Aha-Effekt“

Man liest diesen Tipp in Schreibratgebern oder auf Autorenwebsites in verschiedenen Worten immer wieder: „Lass den Text ruhen!“ 

Aber was hat es damit auf sich? Stimmt es, dass man einen anderen Blick auf den Text bekommt, wenn man ihn eine Weile „vergessen“ hat?

Und auch diese Erfahrung dürften die meisten von euch schon gemacht haben: Man brütet ewig über einem Problem, zermartert sich das Hirn, kommt aber einfach nicht weiter. Dann, plötzlich, im Schwimmbad, auf der Toilette oder im Auto macht es „klick“ und die Lösung ist da. Einfach so, aus dem Nichts.
 

Was hat es damit auf sich?


Wenn eine Antwort plötzlich wie aus dem Nichts erscheint, spricht man vom so genannten „Aha-Effekt“:

„Ein plötzliches und einfallartiges Erlebnis, durch welches Gestalten oder Zusammenhänge nicht schrittweise erarbeitet, sondern unvermittelt erkannt und verstanden werden.“
 

Doch dieses Phänomen entsteht nicht aus dem Nichts. Über die 5 Phasen der Kreativität von Mihaly Csikszentmihalyi, welche ein Aha-Erlebnis beinhalten, habe ich bereits hier ) schon einmal geschrieben. Daher werde ich in diesem Text nur einen kurzen Überblick darstellen:

1. Vorbereitungsphase
Bewusste Auseinandersetzung mit dem Problem, z.B. der Ausarbeitung eines Plots, dem Schreiben einer Szene oder der Überlegung, wie ein Protagonist ein bestimmtes Problem lösen könnte.

2. Inkubationsphase

Zeiträume, in welchen man sich nicht mit dem Problem beschäftigt, sondern einer anderen Tätigkeit nachgeht, z.B. Sport, Hausarbeit, Kochen usw. Das Gehirn „arbeitet“ in dieser Zeit unbewusst weiter.

3. Einsicht
Der Moment, in dem sich das Problem plötzlich löst oder die zündende Idee auf einmal da ist.

4. Bewertung
Ist die Idee, die wir hatten, wirklich so toll? An diesem Punkt ist eine gewisse Selbstkritik besonders wichtig.

5. Ausarbeitung
Jetzt ist Durchhaltevermögen gefragt: Die tolle Idee muss umgesetzt werden.

Es gibt noch viele weitere Kreativitätsmodelle, welche aber alle ähnliche Phasen beschreiben. Einen kurzen Überblick findet ihr auf Wikipedia.

Aber was hat es mit diesem theoretischen Modell auf sich? Stimmt es, dass man durch Beschäftigung mit anderen Dingen Probleme lösen kann? Bei meinen Recherchen bin ich auf eine interessante Studie zu dem Thema gestoßen. Sie wurde von Benjamin Baird an der Universität von Kalifornien durchgeführt:

145 Teilnehmern wurde ein Wort (z.B. „Backstein“) gezeigt. Dann sollten sie möglichst schnell notieren, wie man den Gegenstand sinnvoll einsetzen könnte (Türstopper, Buchstütze …). Das Ziel war es, möglichst viele kreative Einfälle zu haben.

Nach zwei Minuten wurde die Übung gestoppt und die Teilnehmer wurden in vier Gruppen geteilt:

· 12 Min nichts tun
· Direkt mit dem nächsten Test weitermachen
· Eine andere Aufgabe lösen, welche die volle Aufmerksamkeit erfordert
· Einen einfachen Test lösen, bei dem man nebenher noch in Gedanken abschweifen kann
Danach bekamen sie wieder die ursprüngliche Aufgabe vorgelegt. Die Hälfte der Teilnehmer aus jeder Gruppe mit einem neuen Begriff. Die andere Hälfte wieder mit demselben Begriff.

Alle Gruppen, bis auf die vierte, die sich mit der einfachen Aufgabe beschäftigt hatte, blieben in ihren Leistungen konstant. Dabei kam es nicht mal darauf an, ob sie den alten oder einen neuen Begriff vorgelegt bekommen hatten. Aber die vierte Gruppe konnte ihre Leistung um 41% steigern.

Es scheint also tatsächlich was dran zu sein an der Theorie der Inkubationsphase: Das Gehirn braucht Zeit, um sich neu zu sortieren. Es arbeitet unbewusst weiter, während wir unsere Gedanken schweifen lassen. Vermutlich, weil unser Gehirn dabei verschiedenste Gehirnregionen miteinander verknüpft.
 

Was bedeutet das für den Schreibprozess?


Ich habe in meinem Zimmer ein Schild stehen, auf dem steht: „Kreative Menschen leisten dann am meisten, wenn sie den Eindruck machen, als täten sie nichts.“ Wenn man sich die Theorien von Mihaly Csikszentmihalyi und Benjamin Baird vergegenwärtigt, wird da wohl was dran sein. Eine Inkubationsphase im Sinne von ausreichend Ablenkung kann hilfreich sein, um Lösungen für kreative Probleme zu finden. Aber nur, wenn wir bereits Vorarbeit geleistet haben. Ohne die intensive Auseinandersetzung mit einem Problem, hilft auch das Nichtstun nichts. Die Kombination aus bewusster Anstrengung und Ablenkung scheint aber ideal zu sein.

Bereitet euch gut vor. Werdet bewusst kreativ, indem ihr zum Beispiel mit der Schneeflockenmethode oder der Heldenreise anfangt zu planen. Versucht es mit Kreativitätstechniken wie Mindmaps oder der Was-wäre-wenn-Übung, sammelt Informationen. Wenn das alles nichts nützt und euer Hirn voll ist, plagt euch nicht weiter, sondern macht etwas anderes. Mit etwas Glück liegt die Lösung dann bereits vor euch, wenn ihr euch das nächste Mal mit eurem Schreibprojekt beschäftigt.
 

Quellen:

http://www.alltagsforschung.de/aha-effekt-ablenkungen-machen-kreativ/

http://lexikon.stangl.eu/2279/aha-erlebnis/

Mihaly Csikszentmihalyi (2015). FLOW und Kreativität: Wie Sie Ihre Grenzen überwinden und das Unmögliche schaffen. Klett-Cotta (2. Auflage).
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Weitere Artikel:

Sabrina bloggt außerdem auf sabi-writing-whatever.com




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